Hohldechsel und Stiel *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Horst Entenmann
Beiträge: 1172
Registriert: So 30. Mär 2014, 20:58

Hohldechsel und Stiel *MIT BILD*

Beitrag von Horst Entenmann »


Hallo zusammen,

Für ein anstehendes Projekt (halbierten Baumstamm aushöhlen) habe ich mir einen Hohldechsel gekauft.
Meine Wahl fiel auf den Hohldechsel mit Stiel von Müller (zu sehen bei Dieter.
Das Arbeiten damit klappt besser als befürchtet, aber dennoch bin ich nicht ganz glücklich.
Ich habe gemerkt daß ich den Stiel automatisch ziemlich weit vorne anfasse, Versuche mit bewußtem hinten Anfassen funktionieren nicht sehr gut.
Ich habe mal verglichen was die Bildersuche so bringt und mir fiel auf, daß dort praktisch nur sehr kurze Stiele abgebildet sind, manche haben auch eine sehr eigenwillige Form.

Mein Patenonkel hat mir vor langer Zeit mal erklärt wie man eine Sense korrekt einstellt. Dabei wird die Sense mit dem Stiel nach unten auf den Boden gestellt, die Schneide soll dann einen Kreisbogen um diesen Punkt beschreiben.
Man kontrolliert das zum Beispiel indem man mit der einen Hand die Sense hin- und her schwenkt und einen Finger möglichst unbeweglich in Nähe der Schneide vor sich hält.
Übertragen auf den Dechsel würde das bedeuten daß ausgehend vom roten Punkt, der Kopf entsprechend der roten Linie geformt sein müsste um einen flachen Span abnehmen zu können.
Führt man das Verfahren rückwärts durch (ermittelt also über Tangente und Senkrechte den Kreismittelpunkt der zur Schneide passt), so kommt man ungefähr auf die Stelle an der ich die Dechsel automatisch halte (einhändig bzw. vordere Hand).

Das Problem ist, daß ich mir das Ende des Stiels immer in den Bauch stoße weil er so lang ist. Das ist natürlich unangenehm und liegt zum Teil auch am Bauch der sich dem Stiel halt zu arg entgegenstreckt.
Oder liegt es an meiner Technik?
Einfach absägen ist nicht so ideal. Was könnte man noch tun? Einen nach oben gebogenen Stiel bauen (entlang der grünen Linie)?

Gruß Horst


Tobias Kreitel
Beiträge: 128
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Hohldechsel und Stiel

Beitrag von Tobias Kreitel »


Hallo Horst,

zwar habe ich (noch) keinen Dechsel für Aushöhlarbeiten, aber ich hatte ein ähnliches Problem und zwar mit einem Faßschaber. Das Problem war die Schneidengeometrie. Häufig findet man eine ausgeprägte Spiegelseite und eine Fasenseite. Bei diesen aushöhlenden Werkzeugen scheinen aber messerförmige Schneiden besser geeignet zu sein. Ich habe die Fase meines Schabers (die auf der Außenseite des Eisens lag) ziemlich breit bzw. in flachem Winkel angeschliffen und eine leichte 2. Fase auf der Innenseite der Wölbung angebracht. Seitdem klappt das Eintauchen ins Material problemlos, auch bei recht tiefen Höhlungen.
Vielleicht lässt sich dies auch auf deinen Dechsel übertragen. Mit einer deutlicheren Fase auf der Außenseite könntest du deinen eingezeichneten Radius effektiv verändern und die Stiellänge besser nutzen.

Schöne Grüße,

Tobias

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Hohldechsel und Stiel

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Horst,

Deiner Analyse des Bewegungsablaufes und der sich ergebenden Schwierigkeiten würde ich folgen. Es müsste sich, bezogen auf eine angenommene Bewegungsbahn, ein Freiwinkel an der Schneide ergeben, aber davon kann ja gar keine Rede sein wenn es um den "Anfaßpunkt" schwingt.

Jetzt bin ich gespannt, ob sich jemand meldet, der schon mal mit so einem Ding erfolgreich gearbeitet hat.

Aber schleif das Ding jetzt nicht um, ich würde erstmal davon ausgehen dass ein Werkzeug wie hergestellt arbeitsfähig sein müsste. Vielleicht erliegen wir ja doch einem Denkfehler.

Grüße

Friedrich

Thomas Matuschak
Beiträge: 251
Registriert: Di 4. Jun 2013, 22:44

Re: Hohldechsel und Stiel *LINK* *MIT BILD*

Beitrag von Thomas Matuschak »


Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit dem Schüssel-Schnitzen... macht viel Spass! Ich habe mir einen Schnitzbock gebaut und freue mich auf Schnitz-Sommerabende auf der Terasse.
Speziell das Schüsselschnitzen hat es mir angetan, angeregt durch David Fishers Web-Auftritt. Siehe Link

Er hat in seinem Blog auch eine gute Beschreibung, wie eine Dechsel funktioniert und geschliffen sein sollte.

Er verwendet schwedische Dechseln mit kurzem Stiel, die recht teuer sind. Ich habe mir über die Buchte eine aus Bulgarien bestellt, den Stiel aber sofort entsorgt (war nur lang und rund) und mir einen kurzen Stiel aus Kirsche selbt gemacht. Siehe Bild. Der ist so geformt, dass er sich in der Hand nicht verdreht und so kurz, dass ich ihn am Ende anfassen kann. Das funktioniert recht ordentlich. Die Oberfläche der gezeigten Schüssel wird dann allerdings mit einem Schnitt-Eisen (grosses Carving Couge, auch aus Schweden, bekommt man sonst kaum... Link auch bei David) fertig-geschnitzt.

Gruss,
Thomas





Horst Entenmann
Beiträge: 1172
Registriert: So 30. Mär 2014, 20:58

Re: Hohldechsel und Stiel

Beitrag von Horst Entenmann »


Hallo Thomas,

Danke für den Link und die Bilder.

Wenn ich mir deine Dechsel anschaue und mit der gleichen Überlegung wie meine betrachte, dann komme ich über Tangente und Senkrechte auf einen Punkt bei etwa 1/3 der Stiellänge von hinten.
Das würde also passen (zumindest für mein Gefühl).

Der Vorschlag von Tobias, die Fase nach außen zu verlegen wird auch von David Fischer vertreten, hätte aber zur Folge daß die Dechsel noch schwerer eindringt, sich dafür aber leichter wieder aus dem Holz lenken läßt.
Die Tangente würde sich entsprechend verändern und der grüne Punkt würde noch mehr nach vorne wandern.
Bei Schüsseln kann ich das verstehen, für meinen Fall wäre das eher nochmal eine Verschlechterung.

Ich habe heute nochmal etwas rumprobiert und komme auf drei Methoden die funktionieren (bei denen ein Spanabtrag erfolgt):
Entweder ich fasse den Stiel mit einer oder beiden Händen sehr weit vorne und schlage dann wie mit einem Hammer. Das funktioniert recht gut, aber eine Hand alleine ermüdet sehr rasch und mit beiden Händen stört das hintere Ende des Stiels.
Oder ich greife mit Abstand zwischen den Händen (eine Hand vorne, einen Hand hinten) den Stiel und muß dann eine Art Drehbewegung ausführen, wobei die Dechsel sich praktisch um den grünen Punkt in meinem Bild dreht. Irgendwie ist das nicht befriedigend, kraftvolle Schläge lassen sich so nicht ausführen.
Oder ich muß eine Art lineare Bewegung machen, also beide Hände synchron von oben nach unten wobei ich über die Stielhaltung den Anstellwinkel der Schneide einstelle. Dabei kann ich aber keinen Schwung aufbauen, das ist höchstens zum Verputzen zu verwenden.

Die Videos die ich bisher zu dem Thema gefunden habe, sehen auch mehr nach der ersten Methode aus.

Gruß Horst

Bert Wallraff
Beiträge: 308
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Hohldechsel und Stiel

Beitrag von Bert Wallraff »


Guten Morgen Horst,

suche doch die Filmreihe Der Letzte seines Standes, Folge Der Mollenhauer. Ich könnte mir vorstellen der Film ist hilfreich.

Schönen Sonntag

Bert

reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Hohldechsel und Stiel

Beitrag von reinhold »

[In Antwort auf #140634]
hallo Horst,

ich bin kein Dechsel-Spezialist. Gebe aber zu, dass ich auch schon intensiv mit diesem Uralt-Werkzeug geliebäugelt habe.

Suchwort im Internet : Adze oder Adzes, auch in Youtube

Es gibt zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten von Dechseln:

1. Dechsel zur Bearbeitung und Glättung von ebenen Flächen ; z.B. von Balken, Fussböden, Eisenbahnschwellen etc. Diese Dechsel haben eine relativ gerade Schneide (max Stich 1 oder 2) und einen langen Stiel wie eine Axt. Die Fase des Anschliffs ist auf der Stiel-Seite, also innen. Der Stiel ist wie bei einem Pickel lose eingestielt, damit man den Kopf zum Schärfen abmachen kann. Der Handwerker steht auf der zu bearbeitenden Fläche und drückt mit seinem Schuh das Holz hinunter, damit die eindringende Klinge nicht einen langen Span ausreisst. Das ist vergleichbar wie die vordere Kante des Hobelmundes. (mir sind meine Zehen zu kostbar, deshalb werde ich diese Methode nicht benutzen oder weiterempfehlen.) In einem der ersten Filme von Roy Underhill wird diese Methode ausführlich gezeigt. Auch Leonard Lee geht in "The Complete Guide of Sharpening" auf diese Art Dechsel ausführlich ein.

2. Dechsel zum Aushöhlen von Holz, z.B. von Schalen, Mollen oder Dachrinnen. Diese Dechsel können kurze oder lange, fest eingestielte Griffe haben. Sie sind in der Regel aussen angeschliffen, deshalb brauchen die Stiele zum Schärfen auch nicht entfernt zu werden. Manchmal haben sie zusätzlich eine kleine Innenfase. Die Schneide hat einen starken Stich von 5 oder meist noch höher.
Von diesen Dechseln gibt es eine unglaubliche Formenvielfalt für jeden Verwendungszweck innerhalb der Anwendung "Aushöhlen".

Überhaupt scheinen mir manche Fabrikanten beim Thema Dechselformen eine unglaubliche Fantasie zu entwickeln. Sie brauchen damit ja nicht zu arbeiten....

Wenn ich die Literatur richtig verfolgt habe, gibt es heutzutage relativ wenige neu gefertigte Dechsel mit perfekter Schneiden-Form-Stiel-Geometrie. Das Wissen darüber scheint (fast?) verloren gegangen zu sein. Die direkte Beziehung zwischen Werkzeug-Hersteller und -Nutzer ist meist nicht mehr vorhanden, also fehlt die Kontrolle bzw. Rückmeldung.
Leonard Lee empfiehlt, den Dechsel so zu schärfen, wie man ihn bekommen hat, also keine Winkel-Änderungen an der Fase vorzunehmen. Erst nach einigen Stunden Erfahrung mit dem Werkzeug sollte man an das Ändern gehen und das Werkzeug an seine Bedürfnisse anpassen. Übrgens müssen Dechsel "sauscharf" sein, wie Stemmeisen oder Hobeleisen, sie spalten nicht, sie schneiden.

Falls Du den "Lee" nicht haben solltest, aber englisch lesen kannst, schicke ich Dir gerne die 4 Seiten. Abgesehen davon ist das Buch insgesamt sehr empfehlenswert (ich bin weder mit L.Lee, noch dem Verlag, noch dem Vertrieb verwandt, verschwägert oder freundschaftlich verbunden)

viele Grüsse
reinhold

P.S. In der Literatur wird meist die Axt als das ältere Werkzeug genannt mit der Dechsel als Weiterentwicklung. Wenn ich mir die Funde in Museen für Vor- und Frühgeschichte anschaue, dann denke ich, die Dechsel ist älter....

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Volker Hennemann
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Re: Hohldechsel und Stiel

Beitrag von Volker Hennemann »


Hallo Horst,
du solltest mit dieser Dechsel nicht selbst "Hauen", sondern die Dechsel mit der linken Hand nur am richtigen Platz ansetzen und halten und mit einem Holzschlegel auf die Dechsel schlagen. Ich habe einem Brunnenbauer zugesehen, der das so gemacht hat.
Für diese Technik, hat der Stiel genau die richtige Länge.
Grüße
Volker

Horst Entenmann
Beiträge: 1172
Registriert: So 30. Mär 2014, 20:58

Re: Hohldechsel und Stiel

Beitrag von Horst Entenmann »


Hallo Reinhold,

Man merkt daß du dich mit dem Thema beschäftigt hast.

Danke für den Tip mit der "Adze", da findet sich einiges mehr als bisher.

Wie man auf dem Bild sehen kann, habe ich eine Hohldechsel.
Sie ist innen angeschliffen, hat aber einen stark gekrümmten Kopf, so daß sie nicht zu aggresiv in das Holz geht. Mit einer Fase außen (eine ganz kleine Fase war ab Werk vorhanden) würde sie wohl überhaupt nicht mehr greifen. Ich habe bisher nur ganz wenig geschliffen und versuche dabei die kleine Fase außen noch weiter zu verringern, was meinem Gefühl nach die richtige Tendenz ist.
Heute habe ich festgestellt, daß beim Arbeiten am liegenden Werkstück die Verhältnisse nochmals etwas anders sind, dabei schlage ich eher auf Augenhöhe (also viel höher als bei stehendem Werkstück) und fasse den Stiel etwas weiter hinten (kurz nach der Mitte), aber eben immer noch nicht am Ende.
Derzeit suche ich noch nach einem kürzeren Ersatzstiel der von der Form her passen könnte. Den vorhandenen vorne etwas zu kürzen ist auch einen Überlegung (vorne hat er einen mehr so dreieckigen Querschnitt wie bei einer Axt und dieser Bereich ist deutlich länger als erforderlich).

Die Formenvielfalt ist wirklich nicht gering. Es ist für mich auch schwer, weil ich nicht weiß ob das im Einzelfall künstlerische Freiheit, regionale Überlieferung oder bewusste Gestaltung ist. Man kann auch nicht immer ausschließen daß es sich um ein Spezialwerkzeug für einen ganz bestimmten Zweck handelt, das für andere Zwecke dann eben weniger geeignet ist.

Daß Dechsel nicht mehr in so großer Stückzahl gefertigt werden ist nicht überraschend. Der Umgang damit ist nicht ungefährlich, dafür aber mühsam. Die Empfehlung mit dem Umschleifen zu warten, halte ich für gut. Ich glaube aber auch nicht daß in meinem Fall da viel zu verbessern wäre. Der Fasenwinkel liegt übrigens bei 25°, an der Schneide wohl effektiv eher mindestens 30°, weniger würde ich aber auch nicht wählen. Die Schneide ist auf jeden Fall stabil genug und hat sich bisher gut gehalten.

Was die Frage nach dem Huhn oder dem Ei, bzw. der Axt oder der Dechsel angeht, da denke ich daß die eigentliche Weiterentwicklung gegenüber dem Fauskeil darin besteht, daß durch einen längeren Stiel die Wucht verstärkt wird. Axt oder Dechsel, dürften daher mehr oder weniger gleichzeitig entstanden sein.

Gruß Horst



Horst Entenmann
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Registriert: So 30. Mär 2014, 20:58

Re: Hohldechsel und Stiel *MIT BILD*

Beitrag von Horst Entenmann »

[In Antwort auf #140636]
Hallo Friedrich,

Inzwischen bin ich doch deutlich weitergekommen.
Ein Denkfehler steckte schon noch drin, der Drehpunkt ist ja nicht der Stiel, sondern das sind meine Handgelenke, der Drehpunkt liegt also über dem Stiel.
Mit dem vorne gekürzten Stiel sieht das jetzt ungefähr so aus wie auf dem Bild und damit komme ich besser zurecht.
Über den Anschliff ist natürlich noch ein gewisses Feintuning möglich, allerdings war das bisher kaum nötig. Obwohl die Fase mit 25 bis 30° für mein Gefühl eher etwas spitz ist, hält sie doch bisher sehr gut.

Gruß Horst

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