Veritas, Low Angle Jack Plane; mit Bildern

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Bernhard Loos

Veritas, Low Angle Jack Plane; mit Bildern

Beitrag von Bernhard Loos »


Hallo allerseits,

ich möchte Euch meine ersten Erfahrungen und Eindrücke mit dem Veritas Low Angle Jack Plane (LAJP) Flachwinkelhobel mitteilen.

Zuerst ein großes Lob an den Hausherrn – die Abwicklung und der Versand waren beispielhaft!
Der erste Eindruck nach dem Auspacken: Tadellose Verarbeitung - schöne Flächen; man sieht auf den ersten Blick, dass sich Veritas große Mühe gibt.

Bestellt habe ich den Hobel mit dem 25° und dem 38° Eisen (was zusammen mit dem Bettungswinkel von 12°, einen Schnittwinkel von 37° bzw. 50° ergibt). Die Eisen sind hervorragend plan (ganz im Gegensatz zu einem neuen Kunz-Eisen) und sie lassen sich sehr gut abziehen. Einige feine Kratzer zieren leider die Spiegelfläche – das könnte Veritas bestimmt noch besser. Auf das Hobelergebnis scheinen sie aber keinen Einfluss zu haben, schon gar nicht, wenn man auf der Spiegelseite eine Mikrofase anbringt.

Im Gegensatz zu den gängigen Verstellsystemen an Eisenhobeln, welche über eine getrennte Einstellung der Ausrichtung zur Hobelsohle (laterale Einstellung) und der Schnitttiefe verfügen, vereinigt der Veritas diese Einstellungen in einem einzigen Verstellelement. Die Schnitttiefe, durch herein- bzw. herausdrehen der Einstellschraube - die laterale Verstellung, durch seitliches Bewegen dieser Schraube. Die laterale Verstellung geht deutlich schwergängiger (bei gleichem Anzug der Eisenklemmung) als die Schnitttiefenverstellung und das ist auch gut so – so bleibt die laterale Einstellung von einer Schnitttiefenverstellung unberührt. Um nicht so hohe Kräfte bei der Lateralverstellung aufzuwenden, empfiehlt es sich, die Eisenklemmung ganz leicht zu lockern und danach wieder etwas festzuziehen. Zum Einstellen der Schnitttiefe muss die Eisenklemmung nicht gelockert werden. Der Einstellmechanismus weist nur sehr geringes Spiel auf. Ein kleiner Wermutstropfen: Die Schnitttiefe müsste sich feinfühliger dosieren lassen! Das gleiche Problem, wie bei meinem ECE Reform-Putzhobel.

Bevor ich loshobeln konnte, mussten erst noch ein paar mini-Tuningmaßnahmen durchgeführt werden:
Die lose zentrale Einstellschraube aus Messing zur Eisenbefestigung hat mich gestört – mit etwas Teflon-Band oder Loctite-Schnur ist das kein Problem. Dann habe ich alle Teile, die der Eisenverstellung dienen, mit einem zähen Fett eingefettet. Nach dem Abziehen der Eisen und dem leichten Runden der Eisenecken, sowie dem Einwachsen der Hobelsohle konnte es losgehen.

Angefangen habe ich mit dem 25°-Eisen auf einer (bereits vorgehobelten) Fichtenlatte. Der Hobel lässt sich durch seine relativ langes Vorderstück (knapp so lange , wie das Vorderstück des 85 mm längeren Stanley No. 6) und sein hohes Kopfgewicht sehr gut aufsetzen - dann der erste Span: Ein spielend leichter Zug und ein durchgehend breiter Span von 3/100 wurde produziert – die Oberfläche seidig glänzend und zart anzufassen – einfach Klasse! Da macht sich die Präzision des Eisens und der Hobelsohle bemerkbar! Das 25er Eisen ist natürlich prädestiniert zum Bestoßen von Hirnholz und von Gehrungen. Seine Grenzen hat dieses Eisen beim Hobeln gegen die Faser und bei ausgesprochen harten Hölzern oder astigem Holz, dann sollte man zum 38°-Eisen greifen, das ebenfalls ganz hervorragende Ergebnisse liefert, sich aber natürlich nicht ganz so leicht schieben lässt. Den größten Spaßfaktor hat man mit dem 25er Eisen – eine ungekannte Leichtigkeit für mich. Aber auch das 38er Eisen lässt sich immer noch leichter schieben als ein Reform-Putzhobel mit Klappe, welche den Spanfluss offensichtlich doch erheblich behindert.

Zusammenfassend die Vorteile dieses Hobels:

- Erstklassige Verarbeitung - hohe Präzision von Sohle und Eisen.

- Relativ langes Vorderstück und hohes Kopfgewicht – der Hobel lässt sich gut aufsetzen und problemlos steuern; niedriger Schwerpunkt und sehr gutes Handling.

- Niedrige Schubkräfte, vor allem mit dem 25°-Eisen, auch dadurch eine sehr gute Kontrolle. Der Hobel eignet sich sehr gut für lange, durchgehende Züge.

- Durch die werkzeuglose Hobelmaulverstellung (mit Anschlagschraube für Minimalöffnung) und die Spantiefenverstellung ist der Hobel sehr vielseitig – vom 3/10 zum 3/100 Span (vom Schlichthobel bis zum Putzhobel) innerhalb weniger Sekunden. Durch die Länge von 381 mm, besitzt der LAJP schon eine deutliche Abrichtfunktion.

- Sehr gute Funktion der Einstellmechanismen. Die Reproduzierbarkeit der Einstellung wird erleichtert, wenn man sich die Positionen an den Einstellknöpfen mit Edding markiert. Das Eisen lässt sich im Handumdrehen auswechseln und einstellen, vor allem durch die fehlende Klappe.

- Die Spanbildung ist, wie bei allen Eisen-Hobeln, sehr gut zu beobachten.

- Hervorragend für Füge- und Stoßlade geeignet.

Alles in allem ist dieser Hobel ein wirkliches Premium-Werkzeug, an dem man seine wahre Freude haben kann.
Nicht billig – aber dafür bleibt einem auch stundenlanges Abrichten der Hobelsohle und der Eisen erspart. Ich kann diesen Hobel uneingeschränkt empfehlen!

Gruß, Bernhard

Hier der LAJP zusammen mit dem Stanley No.6. Auffällig das lange Vorderstück beim LAJP:


Das Herz des LAJP: Hobeleisen mit Einstellmechanismus:


Einstellschraube für Lateral- und Schnitttiefenverstellung. Auch zu sehen, die ab Werk etwas wacklige zentrale Einstellschraube zur Eisenbefestigung aus Messing, welche mit etwas Teflonband aber leicht zu fixieren ist:


Der LAJP auf der Stoßlade (mit Gehrungsanschlag)




Pedder
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Re: Veritas, Low Angle Jack Plane; mit Bildern

Beitrag von Pedder »


Hallo Bernhard,

dieser Hobel ist ein Traum, nicht wahr? Was ich wirklich praktisch finde ist die Einstellschraube für die Mauleinstellung. Wenn sich doch mal Späne im Maul gesammelt haben, kann man mit einem leichten Dreh am Knauf das Maul öffen, frei blasen und die Feineinstellung ohne Gefahr fürs Eisen wiederherstellen.

in einem englischen Forum habe ich gelesen, dass man die Kombischraube (Norris-Adjuster) beschädigen kann, wenn man für die Spanndickenverstellung die Kappe nicht löst. Daher sollte man jedenfalls bei umfangreicheren Einstellungen die Kappe lösen

Was man auf Deinen Bildern auch deutlich sieht, ist der steile Winkel des Griffes, da würde ich mir zum leichteren Druckaufbau für ganz feine Späne was anderes wünschen. (Gibt es schöne Beiträge von Derek Cohen und Alice Framton zu.)

Liebe Grüße
Pedder



Bernhard Loos

Re: Veritas, Low Angle Jack Plane

Beitrag von Bernhard Loos »


Hallo Pedder,

Du schreibst:

"In einem englischen Forum habe ich gelesen, dass man die Kombischraube (Norris-Adjuster) beschädigen kann, wenn man für die Spanndickenverstellung die Kappe nicht löst. Daher sollte man jedenfalls bei umfangreicheren Einstellungen die Kappe lösen"

Anknallen darf man die Schraube für die Andruckklappe keinesfalls, das ist absolut unnötig.
Das darauf hingewiesen wird ist mir schon klar - es gibt soviele, die oft nur rohe Gewalt wirken lassen und die keinen Sinn für die Mechanik haben!
Gerade bei diesem Verstellmechanismus muß man die Feinheiten "spüren", dann ist es kein Problem, den Hobel in der von mir beschriebenen Weise einzustellen - also: Mit leicht gelöster Klappenschraube zuerst die Ausrichtung des Eisens zu Sohle vornehmen, danach die Schraube nur eine Spur fester drehen, dann die Schnitttiefe einstellen. Wenn man die Lateral- und die Schnitttiefe gleichzeitig, mit leicht gelöster Klappe einstellen wollte - ich glaub', das wäre zum Haare raufen!

Ja, der Winkel des Griffes ist recht steil, ich hab' auch keine Ahnung, warum Veritas da so von der Norm abweicht. Mich stört es nicht so sehr: Meine Hobelbank steht recht hoch und ich bin nur 168 cm groß.

Gruß, Bernhard



Pedder
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Einstellungssache

Beitrag von Pedder »


hallo Bernhard,

ich glaube nicht, dass hier wir weit voneinander weg sind. Die Feststellschraube nicht zu fest andrehen, dann kann man leichte Schnitttiefenkorrekturen auch ohne Lösen vornehmen.

Dass die Lateraleinstellung mit der Spandickeneinstellung kombiniert ist, finde ich als solches nicht gelungen. LV hilft aber ja mit den seitlichen Madenschrauben.

Das Problem mit dem Griff: Ich finde man arbeitet nicht ergonomisch, wenn man den Hobel auf das Werkstück drücken will. Ob das wirklich was mit Körperlänge zu tun hat? Die Hobelbank sollte doch auch im Verhältnis zur Körperlänge bemessen sein, oder?

Liebe Grüße
Pedder

(Dessen Sehnenscheidenentzündung akuell kein Hobeln zulässt)


Bernhard Loos

Re: Einstellungssache und Hobelbankhöhe

Beitrag von Bernhard Loos »


Hallo Pedder,

ich denke, dass das alles mit ein wenig Feingefühl kein großes Problem ist. Weder die Verstellungen meines ECE Reform-Putzhobels (nachfedernde Lateraleinstellung), noch die meines Stanley No. 6 (systembedingt sehr viel Spiel in der Schnitttiefenverstellung) kann man als perfekt bezeichnen. Aber trotz allem - was für ein Komfort gegenüber einem Hobel mit Keilverstellung.

Meine Hobelbank hatte ein Plattenhöhe von 81,5 cm. Für viele Arbeiten war mir das zu niedrig. Jetzt hat sie eine Höhe von 87 cm und ich fühle mich wohl daran. Wenn ich an meiner Hobelbank nur hobeln würde, hätte ich sie wahrscheinlich bei 81,5 cm belassen.

Du schreibst: "Die Hobelbank sollte doch auch im Verhältnis zur Körperlänge bemessen sein, oder?"

Das ist im Prinzip richtig, aber hast Du schon mal eine Hobelbank mit einer Plattenhöhe von 1,20 m gesehen. So hoch müsste die nämlich bei einem 2 Meter-Mann sein, wenn ich von meiner 87 cm Platte hochrechne. Das gleiche Problem haben die "Riesen" ja auch mit den gängigen Höhen der Küchenarbeitsplatten.

Gruß, Bernhard



Bernhard Loos

Denkfehler!

Beitrag von Bernhard Loos »


Hallo allerseits!

Ich glaube ich bin einem Denkfehler aufgesessen, als ich von meiner Größe ausgehend die optimale Hobelbankhöhe für einen Zwei-Meter-Mann auf 1,20 m veranschlagt habe. So ein großer Mensch hat natürlich auch längere Arme, da relativiert sich die Sache ein wenig!

Gruß, Bernhard


Christof Hartge
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Re: Was habt ihr gegen den Keil?

Beitrag von Christof Hartge »


Hallo Bernhard,

Ich besitze auhc den ECE Primushobel, einmal als Putzhobel, einmal als Rauhbank. Am Anfang hielt ich das für das Nonplusultra. Inzwischen nicht mehr: Den Verstellmechnaismus möchte ich sehen, den ich ich schneller und zuverlässiger bedienen kann wie ein Keil im Wangenwiderlager. Hobel auf eine Leiste gesetzt, Eisen den Boden gerade berühren lassen, Eisen mit der Hand andrücken. Dann kriegt der Keil eins mit Holzhammer auf den Popo. Für einen feinen Span ist das schon genug der Arbeit. Für dicke Späne muß das Eisen noch mit ein, zwei Schlägen nach draußen geklopft werden und das war's. Weitere Einstellungen folgen während der Arbeit.

Viele Grüße, Christof.


Pedder
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Nichts

Beitrag von Pedder »


wirksames :o)

Hallo Christof,

ein paar Hobel mit Keilen habe ich auch, Schrupp- und Doppelhobel sind leicht mit dem Hammer einzustellen, wenn man denn einmal gesehen hat, wie es gemacht wird.

Einen klassischen Putzhobel habe ich (noch) nicht, aber meinen Doppelhobel bekomme ich nicht auf so feine Späne eingestellt wie den Veritas LA Jack. Und das Messer mal eben zum Auffrischen rausnehmen und wieder einsetzen, geht schon sehr schnell, weil alle Einstellungen beibehalten werden können.

Was irritiert beim Norris-Adjuster: er hat beim Wechsel der Drehrichtung etwas Spiel. Daran muss man sich ebenso gewöhnen, wie an die Kraft für den Klaps auf den Popo.

Das tolle beim LA Jack ist vor allem das LA: kein Spanbrecher, der Stopfen kann, und der Schwer(!)punkt nah über dem Brett.

Liebe Grüße
Pedder


TorstenKüpper
Beiträge: 687
Registriert: Mo 26. Apr 2021, 20:44

Re: Was habt ihr gegen den Keil?

Beitrag von TorstenKüpper »


Hallo Christof,

ich habe in den letzten Jahren 3 verschiedene Hobelarten gehabt und ausprobiert:

einen Record No.4 aus der letzten Produktionsserie, verschiedene Ulmias und einen ECE mit Keil und zwei Veritas Flachwinkel.

Der Record war im Vergleich zu den traditionellen deutschen Holzhobel eine kleine Katastrophe: unpräzise und schlecht verarbeitet (bei gleichem Preis wie der ECE-Doppelhobel). Ich habe ihn schnell wieder verkauft.

Mit dem Keil kommt man mit ein wenig Übung sehr gut zurecht, auch sehr feine Späne kann man prima einstellen (wenn die Hobelsohle plan ist).

Mit dem Veritas-Einstellsystem komme ich persönlich ganz gut klar, andere hier finden es nicht so toll.

Der Keil hat auf jeden Fall seine Berechtigung, man muss sich halt daran gewöhnen.

Grüße
Torsten



Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Re: Nichts

Beitrag von Christof Hartge »


Ich wollt ja auch nur mal was anmerken.

Wenn man sich einmal an den Keil gewöhnt hat, kann man mit der Andeutung eines Hammerschlages, das Eisen nocheinmal um eine Winzigkeit zurückholen, und die Späne wird allerliebst hauchdünn.

Gerade das mag ich so an der Kelieinstelllung: Ich fange mit einer vergleichsweise kräftigen Späne an und dann dann tappe ich das Eisen immer feiner, bis ich zufrieden bin.

Viele Grüße, Christof.


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