"Zu scharf schneid net"

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Antworten
Nicolas Meeß

"Zu scharf schneid net"

Beitrag von Nicolas Meeß »


Hallo zusammen.
Ich bin demletzt über folgendes Sprichwort gestolpert: "Zu spitz sticht net, zu scharf schneid net!". Vor allem der zweite Teil interessiert mich, zumal ich auch schon in Leonard Lee's Buch "The complete guide to sharpening" gelesen habe, dass die Qualität der Schneide (damit meine ich wie grob oder fein das Schleifmittel ist) je nach Schneidgut ausgewählt werden muss. Zum Beispiel heißt es bei den Messern, dass ein auf einem 1000er Wasserstein geschliffenes Messer Fleisch besser schneiden würde als ein auf dem 6000er abgezogenes.
Das bedeutet für mich, dass er die Ansicht vertritt, eine "Mikrosäge" sei in diesem Fall geeigneter als eine "Nanosäge".
Lässt sich diese Aussage auch auf Holz übertragen? Ich meine selbst auf dem feinsten Stein poliert hat die Schneide von Werkzeugen noch eine gewisse, wenn auch sehr feine Struktur. Könnte es ein definiertes Verhältnis zwischen durchschnittlicher Faserstärke und Rauigkeit der Schneide geben, bei dem der Schneidvorgang am besten funktioniert?
Oder ist das Sprichwort einfach nur Quatsch und Leonard Lee meint mit seiner These nur, dass man Tomaten besser mit einem gezacken als mit einem glatten Messer schneidet?
Was meint ihr?



Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Zu scharf schneid net ?????

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Nicolas,

da gibts noch mehr in der Richtung, mein Vater pflegte zu sagen: "Allzu scharf macht schartig!" In dem Fall war es eindeutig so: Er konnte nicht schärfen und tat das Problem auf diese Weise ab, benutzte den Spruch aber auch im übertragenen Sinne.

Jetzt aber zum Thema:

Es ist zweifellos so, das man Fleisch mit einer etwas rauen oder auch gratigen Schneide (am rauen Stein oder mit dem Stahl geschärft) sehr gut schneiden kann. Aber: Erstens ist Fleisch ein schlechter Vergleich für Holz. Es "steht" nicht. Zweitens schneidet man Fleich mit einem extrem "ziehenden" Schnitt (und hat damit wohl wirklich den Mikrosägeneffekt). Das ist bei den meisten Holzbeanbeitungswerkzeugen gar nicht möglich. Drittens geht es bei Fleisch nicht um eine saubere Oberfläche, bei Holz schon. Und als letztes zum Thema Fleisch: Wir haben hier im Forum Stefan Hopf. Der ist Koch, und er hat berichtet,. dass er seine Messer mit einem sehr feinen Abziehstein abzieht (8000er?) und dass das vorteilhaft sei.

Das berühmte gezackte Tomatenmesser ist in meinen Augen eine Barbarei und für Leute erfunden, die nicht schärfen können und auch nicht wissen, was ein scharfes Messer ist. Es geht halt immer durch die Schale, auch wenn es stumpf wie eine Hacke ist. Und dann rupft es sich durch die Tomate durch. Ich schneide Tomaten mit einem japanischen Messer, mit Mikrofase und auf dem 8000er abgezogen, Schon das Schneiden ist damit ein Genuss.

Zum Holz: Ich habe einige der vielfältigen Veröffentlichungen zur Schneidenstruktur gesehen, da wird dann an Mikrofotos gezeigt, wie sich welche Körnung in welchem Schliffwinkel auswirkt. Man kann das mit dem Mikroskop sehr weit treiben.

Wenn man eine Hobelschneide mit einem 8000er, der poliert, abzieht, dann ist die verbleibende Schneidenstruktur meines Erachtens vernachlässigbar. Man darf auch nicht vergessen: Die Schneide wird von dem abrasiven Holz angegriffen, sie sieht sehr schnell ganz anders aus als frisch geschärft unter dem Mikroskop. Eine definierte Rauigkeit für optimales Schneidverhalten (man merkt bei Dir den Verfahrenstechniker, glaube ich, und das meine ich positiv) würde sich nicht lange erhalten.

Die von Dir gestellet Frage ist sicher wissenschaftlich interessant. Ich meine aber, dass der praktische Holzwerker diesen Ansatz nicht nutzen kann, denn er hat weder die Möglichkeit, exakt reproduzierbare Schneidenzustände herzustellen, noch arbeitet er unter exakt definierten Schnittbedingungen. Für eine Maschinenschneide, die diese Bedingungen hat (beispielsweise an einem Hobel, der Profilbretter produziert) wäre das etwas anderes, und ich denke, da gibt es solche Optimierungen auch.

Zurüch zu unseren Handwerkzeugen: Es ist immer schwer, auf unwissenschaftlicher Erfahrungsbasis eine Aussage zu machen. Ich glaube aber wirklich festgestellt zu haben, dass eine auf einem polierenden 8000er abgezogene Putzhobelschneide leichter und sauberer schneidet als eine gröber abgezogene (zumindestens, wenn sie frisch ist), und der Einfachheit halber schärfe ich alle Schneiden so, ganz falsch kann es nicht sein.

Kleine (nicht ganz ernst gemeinte) Frage zum Abschluss: Du suchst doch nicht etwa eine Begründung, Dich um das Abziehen zu drücken? Ernsthaft: Wenn Du vor der Frage stehst, ob es sich lohnt, den Aufwand mit einem sehr feinen Abziehstein zu treiben: Ich würd Dir mal ein Eisen schärfen, schick es mir, dann kannst Du sehen ob Dir das weiterhilft.

Friedrich



Nicolas Meeß

Re: Zu scharf schneid net ?????

Beitrag von Nicolas Meeß »


Hallo Friedrich.

Ich merke schon, das ist dein Thema!
Wie gesagt, ich beziehe mich hier nur auf das gefundene Sprichwort, das hat nichts mit meiner persönlichen Meinung zu tun. Ich ziehe meine Werkzeuge auch auf einem feinen Stein (6000er) ab und verspüre sehr wohl einen Unterschied in der aufzubringenden Schnittkraft. Ich bilde mir sogar ein die gesteigerte Schärfe zu hören !?
Das ist wie gesagt meine Ansicht, aber ich wollte mal von den anderen hören, ob sie vielleicht etwas gegenteiliges empfinden oder ob doch, wie ich vermute, gilt, je feiner abgezogen wird, desto schärfer (und zwar theoretisch und tatsächlich) kann das Werkzeug werden.
Ich teile deine Meinung, dass die Struktur der Schneide bei einem sehr ziehenden Schnitt anders zum Tragen kommt als bei einem "drückendem" wie beim Stemmen.
Ich hatte bei meiner Fragestellung auch den Hintergedanken, ob bei den verschiedenen Schnitttypen nicht ein unterschiedliches Schärfen von Vorteil sein könnte. Mit den unterschiedlichen Schnitttypen meine ich die von Leonard Lee beschriebenen "straight cut" und "skew cut" (S.13).
Sicherlich hast du recht, dass aus solchen Überlegungen wohl kaum noch merkliche Verbesserungen für das alltägliche Holzwerken abzuleiten sind, aber warum nicht mal drüber nachdenken..zumal es ja offensichtlich noch andere Menschen gibt, die sowas interessiert ;-)

In diesem Sinne: freundliche Grüße
Nicolas



arnd
Beiträge: 148
Registriert: Fr 3. Aug 2012, 00:29

Re: Zu scharf schneid net ?????

Beitrag von arnd »

[In Antwort auf #112541]
Hallo,

ja, über den Spruch bin ich auch gestolpert. Schön hier mehr dazu zu lesen.

Ich hatte ihn auch auf den ziehenden Schnitt gemünzt und mir einen 8000 Stein zugelegt, worüber ich froh bin.

Viele Grüße

Arnd



florian witt

Re: Zu scharf schneid net ?????

Beitrag von florian witt »


hallo nicolas, hallo friedrich,

mit fällt da eine wilde theorie ein - vielleicht bezieht sich "zu scharf" nicht auf die schliffgüte der schneide (woran unsereins als erstes denkt), sondern auf den schneidenwinkel. dann würde der spruch halt einfach bedeuten: was mit zu geringem winkel geschliffen wurde ist sofort wieder stumpf. macht das sinn?

viele grüße,

florian



Bernhard
Beiträge: 1088
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Zu scharf schneid net ?????

Beitrag von Bernhard »

[In Antwort auf #112540]
Absolut richtig Friedrich,ich habe auch einen Unterschied festgestellt, als ich einfach von 6000 auf 8000 gewechselt habe. Ich habe den Unterschied bei jap. Messer und bei den Hobeln gemerkt und kann Deine Schärfanleitung nur weiter empfehlen.
Auch wenn ich mich wiederhole - Mein Tormek staubt ein.....

Gruß und einen speziellen Dank an Dich

Bernhard


Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

ja...

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Florian,
meines Vaters "allzuscharf macht schartig" lässt sich inder Tat in dem von Dir vorgeschlagenen Sinne interpretieren. "Zu scharf schneid net" wohl eher nicht.

Friedrich


Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Re: Zu scharf schneid net ?????

Beitrag von Christof Hartge »

[In Antwort auf #112540]
Hallo Nicolas,

ich habe über die Vorzüge rauherer auch schon mal gelesen, ich glaube sogar hier. Eine Weile habe ich es dann an den Küchenmessern praktiziert und wieder aufgegeben. Aus irgendwelchen Gründen waren die fein abgezogegenen Schneiden mir doch lieber. Und Friedrich hat recht: Tomaten sind wunderbar mit einer glatten Schneide aufzutrennen. Ähnliches gilt für einen anderen Problemfall, nämlich frische niederhessische Garwurst.

Aber bevor ich hungrig werde noch einmal zum "Schärfe hören". Ja Schärfe hört man. Wenn der Hobelzischt und pfeift ist es gerade richtig.

Viele Grüße, Christof.



Christoph Nowag
Beiträge: 838
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

OT: Tormek und auch Holzwerken

Beitrag von Christoph Nowag »

[In Antwort auf #112548]
Hallo Berhard,

Gerhard würde Dich wohl von Deinem Staubfänger befreien (s. Marktplatz)

Viele Grüße
Christoph

P.S. Ich finde es übrigens toll, wie Du Dich hin zum Holz-Handbearbeiter hin entwickelt hast und Deine Hobel, Sägen usw. betrache ich mit Ehrfurcht. Dass Du jetzt auch noch die Eisen perfekt schleifen kannst wird mir Ansporn sein. Aber Du hattest ja auch das Erlebnis, Friedrichs Vorführung einmal live erleben zu können. Das scheint zu prägen.

P.P.S. Ich habe in der letzten Tagen viel Zeit mit Kiefern-, Fichten- und Ahornholz verbracht. Ich wollte auch hobeln. Nachdem ich das Holz dann ordentlich versaut hatte, mußte ich wieder den ADH anschmeißen, um die vielen Ausrisse und Ungenauigkeiten zu beseitigen - und danach kräftig schleifen. Das war eine traurige Erfahrung.
Einzig der Einhandhobel war viel und erfolgreich in Verwendung.


Bernhard
Beiträge: 1088
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: OT: Tormek und auch Holzwerken

Beitrag von Bernhard »


Hallo Christoph,

vielen Dank für Deine netten Worte. Allerdings werden Sie mir nicht gerecht, denn ich bin immer noch im Anfangsstadium und muß erhebliche Rückschläge hinnehmen. Sägeschärfen: habe ich einmal halbwegs hinbekommen, dann wollte ich optimieren und habe die Säge total versaut. Da ich viele neue Sägen habe, muß ich auch noch nicht wieder ran....

Hobeleisen: das läuft ordentlich, perfekt na ja, mit diesem Ausdruck bin ich vorsichtig. Mit dem Stanley 45 habe ich noch nie ein richtiges Profil geschafft, da muß ich weiter dranbleiben.

Absolut richtig ist in der Tat: es ist ein unendlicher Vorteil, wenn man sich mit jemandem austauschen kann. Friederich kam da gerade zur rechten Zeit, aber auch der Besuch bei Marc war sehr befruchtend. Nicht vergessen möchte ich Volker, der zwar mehr der Maschinenfraktion angehört, aber auch ordentliche Handarbeit verrichten kann. Ich erinnere mich auch gerne an den Besuch in Deiner Werkstatt, dort hatte ich das erste mal einen Veritas in der Hand.

Der größte Vorteil für Semihandarbeiter ist in meinen Augen, man überlegt mehr, sucht das Holz sorgfältiger aus, um anschließende (Hand-) Arbeit zu minimieren/optimieren.

Ja der Tormek, ich möchte ihn noch für das grobe Schleifen (Beile, Äxte) etc behalten.

Beste Grüße und viel Erfolg weiter

Bernhard


Antworten