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Spannstock bzw Vorderzange *MIT BILD*

Verfasst: Sa 19. Jul 2014, 10:22
von reinhold

Hallo Holzwerker,

ich möchte ganz kurz mein letztes Projekt vorstellen. Eine schnelle Sache, nichts Weltbewegendes, aber dafür etwas sehr Nützliches.

Ich brauchte für meine neue Werkbank eine Vorderzange. Die deutschen Zangen finde ich gut und arbeite gerne damit, aber sie stehen sehr weit vor und wären in meiner Werkstatt ständig im Wege. Die heute üblichen französischen Zangen haben für meinen Geschmack zu viele Nachteile: die Spanntiefe zwischen Zangenoberkante und Führungsstangen bzw Spindel ist gering; Hölzer senkrecht einzuspannen (z.B. für die Herstellung von Schwalbenschanzverbindungen) ist nur mit Hilfsvorrichtungen möglich; das Einspannen von breiten Brettern zum Hobeln der Schmalkante ist nur möglich, wenn auf der anderen Seite eine gleich dicke Unterlage eingespannt wird, weil sich sonst die Zange verzieht. Hölzer, die nicht parallel sind, können nur schwer eingespannt werden. Und so weiter.

Kurz : ich habe mich für einen Fuss-Schraubstock (engl.: leg-vise) entschieden, den ich schräg eingebaut habe. Damit habe ich zum Einen eine grosse Spanntiefe (mehr als 20 cm)zwischen Spindel und Tischoberkante und ich kann zum Andern Hölzer senkrecht bis zum Fussboden einspannen, wobei mehr als 20 cm Backenbreite zum Spannen dienen. Siehe Fotos.
Anders als in der Literatur beschrieben, habe ich nicht das Tischbein als Gegenbacke benutzt, sondern eine eigene hintere Backe angefertigt, die mit Distanzhölzern am Tischbein und an der Tisch-Zarge befestigt wurde. Die hintere Backe trägt die Mutter für die Spindel und liegt in einer Ebene mit der Tischplatte, sodass sowohl gegen die Platte als auch gegen die hintere Backe gespannt wird. Die Spannweite beträgt ca 40 cm, was ich vermutlich selten ausnutzen werde.
Die Spindel ist eine tschechische Hobelbankspindel von Dieter, die beiden Backen wurden aus einer alten Buchen-Bohle, 45 mm stark, angefertigt, der Parallelsteller aus einem recycelten Flacheisen, 10 x 50 mm. Dazu kamen noch ein paar grosse Schrauben und dicke Nägel, die eh schon vorhanden waren. Die ganze Sache hat mich also nur 29 Euro gekostet.
Der Bau hat ca 3 Stunden gedauert, benutzt wurden nur die abgebildeten Handwerkzeuge. Als Spannvorrichtung zum Bau diente der altbewährte Schweizer Feldschraubstock von Zyliss.
Der Spannstock hat seine ersten Bewährungsproben gut bestanden und erfüllt alle meine Erwartungen.

Viele Grüsse aus dem Neanderthal
reinhold


Re: Spannstock bzw Vorderzange

Verfasst: Sa 19. Jul 2014, 11:07
von Claus Keller

Ingeniös, lieber Reinhold, Chapeau!

Die neue Werkstatt wächst also, gut!

Herzliche Grüße aus dem Stuttgartrer Neandertal und: Weiter so!

Claus Keller




Re: Interessant!

Verfasst: Sa 19. Jul 2014, 13:55
von Rolf Richard

Eine wirklich interessante Ausführung!

Vielleicht ersetze ich ja mal die Vorderzange an meiner Hobelbank und da kommt jede individuelle Ausführung, die neue Möglichkeiten aufzeigt, recht.

Viel Spass beim Arbeiten damit!

Gruss

Rolf


Re: Spannstock bzw Vorderzange

Verfasst: Sa 19. Jul 2014, 18:19
von mathias k.
[In Antwort auf #138761]
ich find das toll...

wenn ich meine bank mal fertig habe, werd ich das wohl auch so lösen, wenn du mir verrätst, wie genau das funktioniert ^^

grüße


Re: Spannstock bzw Vorderzange

Verfasst: Sa 19. Jul 2014, 21:31
von Horst Entenmann
[In Antwort auf #138761]
Hallo Reinhold,

Sehr schöne Idee mit der Schrägstellung.
Es hat mich bei den Legvises immer schon gestört daß man da schlecht etwas senkrecht einspannen kann. Das scheint bei dir ja sehr gut zu klappen.
Ich selber habe die deutsche Vorderzange, bin aber bei kleinen Werkstücken nicht glücklich. Schmale Leisten senkrecht kann man in der Mitte spannen, wenn man aber die Leisten liegend bearbeiten will bleibt nur die Hinterzange und da biegen sich dünne Leisten in der Lücke gerne durch (ich hoffe daß das so verständlich war).

Ich überlege daher schon länger mir so eine Art Schonbacken im Stil einer Leg - vise zu machen, mir war aber immer der Abstützmechanismus zu kompliziert.
Daher meine Fragen: Wie genau muß den die Abstützung mit dem Flacheisen erfolgen? Ist das bei dünneren Teilen überhaupt nötig?
Wie sind denn da deine Erfahrungen? Könnte ich deiner Meinung nach evtl. auf die Abstützmechanik verzichten wenn ich mich auf einen bestimmten Spannbereich beschränke (z.B. 0 bis 20mm).
Ist es deiner Erfahrung nach besser wenn die beiden Bretter Eher oben enger sind oder eher unten oder müssen die unbedingt parallel sein?

Gruß Horst Entenmann




Re: Spannstock bzw Vorderzange *MIT BILD*

Verfasst: So 20. Jul 2014, 17:33
von reinhold

hallo Mathias,
wenn du mir verrätst, wie genau das funktioniert


hallo Horst,

Daher meine Fragen: Wie genau muß den die Abstützung mit dem Flacheisen erfolgen? Ist das bei dünneren Teilen überhaupt nötig?
Wie sind denn da deine Erfahrungen? Könnte ich deiner Meinung nach evtl. auf die Abstützmechanik verzichten wenn ich mich auf einen bestimmten Spannbereich beschränke (z.B. 0 bis 20mm).
Ist es deiner Erfahrung nach besser wenn die beiden Bretter Eher oben enger sind oder eher unten oder müssen die unbedingt parallel sein?


ich will mal versuchen, knapp zu antworten.

Man muss wissen, welche Voraussetzungen bei meiner Bank (ursprünglich stand sie in einer Mechanikerwerkstatt) gegeben sind: Das Bankgestell ist ca 80 Jahre alt, in hervorragendem Zustand, nur die Platte war irreparabel und wurde ersetzt.
Das Gestell hat unterhalb der Platte eine umlaufende Zarge, die ganz traditionell in die Beine eingezapft ist, so ähnlich wie ein Küchentisch. Sie springt 1 cm hinter die Beine zurück.
Da ich natürlich an der Bank auch mal etwas mit Schraubzwingen spannen will, habe ich die Platte 12 cm über die Zarge vorkragen lassen. Diese Differenz zur Vorderkante der Platte musste ich bei beim Bau der Zange natürlich ausgleichen. Das führte zu der Lösung mit einer gesonderten hinteren Backe, die zudem zum Bein und zur Zarge noch unterfüttert ist. siehe Bild, da kann man es schön sehen. Das Distanzholz ist noch rechtwinklig und wird erst später abgesägt.

Die Spindel ist ca 1/3 der Tischhöhe von oben, also 2/3 von unten (nicht gemessen, nicht berechnet, sondern nach Gefühl: wo sitzt sie richtig?)
Spannt man die Spindel, so wird die vordere Backe in Richtung hintere Backe bewegt. Diese Bewegung wird oben durch das einzuspannende Werkstück und unten durch die "Abstützmechanik" begrenzt. Die verstellbare Abstützung unten dient lediglich dazu, die Backen parallel zu halten, damit die Auflagefläche, die das Werkstück klemmt, nicht schief spannt. Die Parallelität muss nicht mathematisch genau sein, da spielt ein Zentimeter 'rum oder 'num keine Rolle. Theoretisch wäre es denkbar, die Abstützung weg zu lassen und die Parallelität durch unterschiedlich breite Distanzhölzer herzustellen. Auch ein Schraubenmechanismus ist vorstellbar. Ich habe die Lösung mit dem Flacheisen gewählt, weil gerade zufällig eine passende Schiene bei mir herumlag. Eine Holzschiene wäre genau so gut gegangen. Die als Splinte dienenden "Rattenschwänze" sind nur provisorich und werden durch angepasste Splinte ersetzt werden.

Die Spannspindel läuft vor dem Tischbein vorbei, die Abstützschiene hinter dem Tischbein. Beides kann man auf dem Bild nicht sehen. Dadurch musste ich am Tischbein nichts bohren oder stemmen. Man könnte also theoretisch den ganzen Mechanismus vom Tisch abmontieren und wo anders installieren. Beim Spannen wird der Tisch nicht stark belastet, die Kräfte werden innerhalb der Zange aufgenommen.

Die Erfahrungen mit der Zange sind bisher sehr gut.
Die Spindel zieht gewaltig: ohne Anwendung von viel Kraft kann ich die 4,5 cm dicke Zange biegen. Die Haltekraft am Werkstück ist "bombenfest". Ich muss tatsächlich gar nicht so oft die Abstandsschiene versetzen, weil meine Hölzer, die ich spanne, im Moment alle ungefähr gleich stark sind. Nachteilig finde ich noch, dass die Abstandsschiene nicht mitkommt, wenn ich die Zange weit öffne, da muss ich mit dem Fuss nachhelfen. Vielleicht baue ich noch eine passende Feder ein?
Was mich am meisten freut, sind die niedrigen Kosten und die grosszügigen Spannmöglichkeiten.

Das letzte Bild zeigt das "Vorbild" für meinen Spannstock. Ich fand es in einem alten Bauernhaus in der Emilia, wo ich über Pfingsten Urlaub gemacht habe.


viele Grüsse
reinhold


Re: Spannstock bzw Vorderzange

Verfasst: So 20. Jul 2014, 20:21
von Horst Entenmann

Hallo Reinhold,

Vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Das gibt mir durchaus Hoffnung daß mein Projekt so zu realisieren ist, wie ich mir das vorstelle.
Wenn es klappt, dann werde ich mich mit ein paar Bildern revanchieren.

Gruß Horst


Re: Spannstock bzw Vorderzange

Verfasst: So 19. Okt 2014, 10:22
von MarkusB
[In Antwort auf #138761]
Hallo Reinhold

Du hast jetzt seit 3 Monaten deinen Spannstock.
Wie sieht jetzt dein Urteil aus?
Würdest du ihn einer klassischen Vorderzange vorziehen?
Wo liegen die Vor- und Nachteile?

Viele Grüße

Markus



Re: Spannstock bzw Vorderzange

Verfasst: So 19. Okt 2014, 11:27
von reinhold

hallo Markus,

Danke für die Nachfrage.

Der Spannstock ist fast täglich im Einsatz.
Ich bin immer noch begeistert und würde sofort wieder einen bauen.

Er spannt sehr kräftig und hält bombenfest. Dabei gleicht er auch schiefes Spanngut aus, zwar in gewissen Grenzen, aber deutlich mehr als eine übliche Vorderzange.

Einzige Verbesserung, die ich demnächst anbringen werde (testweise und provisorisch mit Klebeband) ist eine schmale Leiste an der oberen Kante der beweglichen Spannbacke, um gezielt den Druck beim Spannen ganz oben zu halten.

Da meine Werkstatt leider ziemlich feucht ist und das Holz des Spannstockes sehr trocken war, hat es sich schüsselförmig gewölbt. Nicht viel, aber doch so, dass man es sieht. Das beeinflusst die Funktion nicht. Wenn der Winter vorbei ist und das Holz seine Feuchtigkeit ganz sicher der Werkstattluft angeglichen hat, werde ich die Backen nochmals nachhobeln.

Die Vorteile des Spannstockes aus meiner Sicht:

- Freies Spannen von Brettern bis zum Fussboden (der Spannstock steht schräg!), weil an der Spindel vorbei gespannt werden kann. Fast so gut wie bei einer deutschen Vorderzange.
- Breite Bretter können fast eben zur Tischfläche gespannt werden, weil der Abstand der Spindel zur Tischfläche sehr gross ist.
- Die Verstellung des unteren Gegenlagers mit der Lochschiene und einem Stift ist unkompliziert und keinesfalls lästig (wie immer wieder behauptet wird). Meist ist das Spanngut ohnehin von ähnlicher Stärke und einen Dickenunterschied von 3-4 cm verarbeitet die Spannzange ohne Nachstellen. Das heisst, ich muss die Lochschiene nur verstellen, wenn ich z.B. von einer 10 cm Bohle auf ein 3 cm Brett wechsle. Beim Wechsel von einem 3 cm Brett auf ein 5 cm Brett oder ein 1,5 cm Brett brauche ich die Schiene nicht zu verstellen.
- Für mich als Schwabe ist ein wichtiges Argument, dass der Spannstock nur 29,90 Gesamtkosten verursacht hat - für die Spindel, denn das Holz und ein paar Schrauben hatte ich im Haus und musste ausser der Spindel nichts zukaufen.
- Der Selbstbau war unkompliziert und an einem Nachmittag erledigt, dabei habe ich alle Hölzer nur von Hand zugeschnitten, auch die Längsschnitte. Und von Hand gehobelt, wobei das Holz offensichtlich schon früher mal durch eine Hobelmaschine gelaufen war. Die beiden 30 mm Bohrungen für die Spindel habe ich mit der Bohrwinde und einem Schlangenbohrer gemacht. Die einzige Maschine, die zur Anwendung kam, war der Akku-Schrauber.
- Der Spannstock ragt in geschlossenem Zustand weniger weit in den Raum als eine französische Vorderzange und natürlich weit weniger als eine deutsche Vorderzange.

Nachteile verglichen mit einer normalen Vorderzange habe ich noch keine bemerkt.

Fazit : gleich wieder !

viele Grüsse
reinhold




Re: Spannstock bzw Vorderzange

Verfasst: So 19. Okt 2014, 13:51
von MarkusB

Hallo Reinhold,

danke für deine Antwort.
Ich werde die Zange nachbauen, sie hat mich schon beim ersten Lesen überzeugt.

Könntest du veilleicht noch ein paar Fotos machen.
Noch habe ich nicht alles kapiert.
Du kannst sie mir auch direkt schicken und falls du es brauchst, kann ich dir auch ein Programm zum massenhaften Bilder verkleinern schicken.

Auf Bild 1 sieht man ein 2. schräg verlaufendes Brett (fester Teil des Spannstocks?), oder eben auch nicht.
Ich glaube, die Kante des breiteren, oberen Teil der beweglichen Spannstockbacke "übernimmt" die Kante des 2. Brettes. Eine Frage des Aufnahmewinkels.
Eigentlich muss aber ein 2. Brett da sein, sonst wäre die feste Spannbacke ja nur deine Arbeitsplatte. Etwas wenig m.E. für eine Spannbacke.
Schön wären auch Fotos von der Befestigung der Spindel und des Gegenlager (die Lochschiene).
Welchen Winkel hast du genommen für die Zangen. Hättest du gerne etwas mehr oder weniger?

Zu deiner Leiste fällt mir eine, dass man vielleicht diese mit einem Schwalbschwanz versehen könnte, so dass man diese im Bedarfsfall auch wieder entfernen kann. Macht das Sinn?

Beim Lesen deines Profils ist mir übrigens erst jetzt klar geworden, was es bedeutet, aus dem Neanderthal zu kommen. Sehr schön :-)

So, jetzt muss ich aber mit der Familie zu Ockermarkt nach Hilter.
Vielleicht habe ich ja wieder Glück wie letztes WE ;-)

Viele Grüße

Markus

PS
Habe gerade deine Antwort vom 20.07 noch mal gelesen und das Foto gesehen.
Ein paar Fragen sind damit schon beantwortet.
Ein paar mehr Fotos wären dennoch hilfreich.