Reinhold Ege: Drechseleisen schärfen - Schruppröhren

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Das Schärfen von Drechselröhren
Englische und kontinentale Schruppröhren

Drechsler verwenden im Allgemeinen drei verschiedene Arten von Röhren

1. Schruppröhren (roughing gouges)

2. Röhren für Langholz (detail gouges) (neudeutsch : Spindelformröhren)

3. Schalenröhren (bowl gouges) für Querholz

Entsprechend der unterschiedlichen Verwendungszwecke und vor allem der Arbeitsmethoden gibt es diese Röhren jeweils in unterschiedlicher Bauart und unterschiedlichem Anschliff, wobei grob unterschieden werden kann in englische und kontinentale Formen und in "long and strong - l&s" bzw. "standard" oder normale Stärke. Vom Material her wird heute meist HSS verwendet, wogegen nichts einzuwenden ist. Gute Werkzeugstahl-Röhren haben allerdings auch ihre Daseinsberechtigung.

1. Schruppröhren
Schruppröhren werden nur bei Langholz und nie bei Querholz verwendet. Sie tragen sehr viel Material ab, sind also zum Rundschruppen des Drechselrohlings und bestens geeignet.

a) englische Schruppröhren (roughing gouges)
Ich bevorzuge diese Röhre gegenüber der kontinentalen Bauart, weil die englische Röhre mehr Möglichkeiten bietet. Man kann mit ihr auch flache Höhlungen fertig drechseln und direkt an Vierkantabschnitten einstechen.
Die englische Schruppröhre ist sehr tief geschmiedet, im Querschnitt halbkreisförmig. Ihre Schneide ist immer rechtwinklig zur Werkzeugachse geschliffen und völlig gerade - niemals gerundet!

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Die Breite sollte ca 32-35 mm sein (1 1/4 bis 1 1/2 Zoll), das ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen der doch recht schmalen 25 mm Röhre und der gewaltigen 50 mm Röhre. englische SchruppröhreGenerell gilt, dass grosse Durchmesser mit kleineren Röhren gedreht werden, weil sonst die Spanabnahme zu gross wird und die Gefahr eines Schlages droht. Auch von daher ist die 35 mm Röhre ein brauchbarer Kompromiss.

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Wenn Sie die englische Schruppröhre rechtwinklig zur Drehachse halten, können Sie an jeder gewünschten Stelle präzise einsetzen, ohne dass die Röhre "ratscht". Dabei spielt die Drehung der Röhre um ihre Längsachse fast keine Rolle , Sie können also die ganze Schneide verwenden. Drechseln Sie hoch am Holz, dann gleitet die Fase automatisch; wenn Sie tief drechseln, dann schabt der Stahl, schneidet nicht und wird schnell stumpf. Wenn Sie die Röhre leicht schräg zur Drehachse stellen, dann schneidet sie einen prächtigen Span. Noch ein bisschen schräger: um so leichter können Sie die Röhre voranschieben. Sie schneidet dabei mit der Flanke das Holz vor und räumt mit dem Grund aus. Da der Span durch Schneiden und nicht durch Scheren oder Schaben abgenommen wird, ergibt sich eine sehr glatte Oberfläche. Drehen Sie die Röhre leicht auf 1 Uhr, wenn Sie nach rechts arbeiten und auf 11 Uhr, wenn Sie nach links wollen.

Versuchen Sie mal nach englischer Art zu drechseln und lassen sie IMMER und UNBEDINGT die Fase auf dem Holz gleiten. Dadurch erhält das Werkzeug eine zweite Auflage , neben der Handauflage, oder einen zweiten Hebelpunkt direkt auf dem frisch abgedrehten Holz. Schläge können nicht auftreten. Es ist eine sehr sichere Methode. Sie können die Röhre dabei mit zwei Fingern halten und dirigieren. Kraft ist nicht erforderlich. Wenn es richtig gemacht wird, sehen die Späne schnurförmig aus oder wie eng gedrehte Locken und sie laufen die Hohlkehle der Röhre hinunter und fliegen über den Ellbogen in die Werkstatt - es ist ein wirklich tolles Gefühl ! Manchmal, wenn der Tag im Büro grauslich gelaufen ist, schroppe ich abends einfach so zum Spass ein paar Rohlinge und das bringt mich wieder ins Lot.

Zum Schleifen:
Der Schärfwinkel der englischen Schruppröhre ist ziemlich steil, ich schärfe meine bei ca 45 bis 50 Grad, aber Sie können jeden Winkel zwischen 40 und 60 Grad nehmen, je nach Härte des Holzes und wie Sie eben am besten arbeiten. Der Winkel ist nicht so kritisch. Aus unerfindlichen Gründen liefern die meisten Herstellen neue Röhren mit total falschem Anschliff aus : ballig und abgerundet.Schneidenform Sie müssen zuerst abgerichtet werden : gerade und im rechten Winkel zur Werkzeugachse. Wenn die Schneidenform grob stimmt, nehmen Sie einen mittleren Abziehstein und richten die Schneide gerade. Dabei entsteht eine gut sichtbare, glänzende Fläche, die sogenannte Silberlinie. Beim Feinschleifen wird die Silberlinie entfernt und das gibt Ihnen einen Hinweis auf einen korrekten Schleifvorgang. Klingt komplizierter als es ist. (Bild links aus dem TORMEK-Handbuch)
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Bild Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, ob Ihre Röhre aus Werkzeugstahl oder HSS ist und dass Sie die korrekte Schleifscheibe aufgespannt haben.
(Bild links aus dem TORMEK-Handbuch)

Besitzer einer Nassschleifmaschine dürften keine Probleme haben, eine passende Einspannvorrichtung zu finden. Nassschleifer schleifen mit der Drehrichtung; d.h. der Stein dreht sich von der Schneide weg. Bei Doppelschleifern ohne komplexes Zubehör kann es schwieriger sein, die Röhre gleichmässig freihändig zu schleifen. Es ist aber kein Hexenwerk und man kann es lernen. Trockenschleifer schleifen gegen die Drehrichtung; d.h. der Stein dreht sich auf die Scheibe zu. Sie dürfen nur mit leichtem Druck schleifen und müssen oft den Stahl kühlen, auch bei HSS. HSS verliert seine Härte durch Überhitzen genauso wie jeder Werkzeugstahl, lediglich die Temperatur liegt hier höher.

Halten Sie den Griff der Röhre senkrecht zur Achse des Schleifers, lassen Sie die Fase leicht auf der Schleifscheibe aufliegen und drehen Sie den Griff, sodass die Röhre sich in ihrer Längsachse dreht - also den Griff nicht von rechts nach links bewegen! Der Griff bleibt ruhig, er wird nur gedreht. Die rechte Hand dirigiert den Werkzeuggriff. Wie viele Drechsler lege ich den linken Zeigefinger gegen die Werkzeugauflage des Schleifers und kontrolliere damit die Höhe der Röhre - das ist sträflicher Leichtsinn, denn so haben schon manche den Zeigefinger verloren - tun Sie es also nicht!

Wichtig ist es , die Fase über die gesamte Breite der Röhre gleichmässig anzuschleifen. Also nicht die Ecken nach hinten ziehen. Natürlich ergibt der Anschliff auf einer Schleifscheibe einen leichten Hohlschliff, aber das sind Bruchteile eines Millimeters (0,03mm lt. Tormek) und es beeinträchtigt die Funktion nicht. Unbedingt vermeiden müssen Sie einen balligen Anschliff !

Wenn ich die Röhre zum Schruppen von grösseren Mengen Holz einsetzen will, schleife ich bis in die Schneide vor. Dazu werden die auf der Scheibe "mitlaufenden" Funken beobachtet. Sobald sie "über die Schneide klettern", höre ich auf, an dieser Stelle zu schleifen und drehe die Röhre weiter, denn dann hat der Schleifstein die Schneide erreicht. Die Schneide ist dann ein kleines bisschen rauh, so wie ein Wellenschliffmesser, aber das ist beim Schroppen kein Nachteil.

Wenn ich Hohlformen drechseln will, wo es mehr auf die Oberflächengüte ankommt, dann schleife ich bis kurz vor die Schneide und höre auf, bevor die Funken über die Schneide klettern. Das letzte bisschen Schärfe wird dann mit dem Abziehstein herausgekitzelt. Siehe auch meinen Beitrag zum Schärfen des Schrägmeisels.

Ich habe mir aus einem Besenstiel und zwei Schlauchklemmen eine Vorrichtung gebaut, mit deren Hilfe es möglich ist, die Röhre zwischendurch von der Schleifscheibe zu nehmen, das Ergebnis zu begutachten und im Bedarfsfall einigermassen genau wieder auf die Scheibe aufzusetzen. Die Idee entnahm ich der dargestellten Vorrichtung zum Schleifen von Hobeleisen aus "Fine Woodworking". Vorrichtung zum Schleifen von HobeleisenBeachten Sie den Fuss - er dient als Widerlager und darf nicht verrutschen. Dieses Vorrichtung funktioniert gut , vor allem zum Neuanschliff einer Röhre. Für den schnellen Zwischendurchschliff ist das Einstellen zu mühsam und ich mache es lieber freihändig - siehe oben.

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Es gibt auch selbstgebaute oder käufliche Vorrichtungen, bei denen ein ausziehbarer, verstellbarer "Balken" eine Auflage für den Werkzeuggriff bildet. Das funktioniert ebenfalls, aber das Problem des Einstellens bleibt.

Ich ziehe die Röhre mit einem alten 1000er Wasserstein ab, der schon eine ziemliche Rinne eingeschliffen hat. Den "Faden" entferne ich mit der rundgeschliffenen Kante des selben Wassersteins. Ein Honen der Schneide mit einem 6000er oder 8000er Stein ist nicht nötig. Das Abziehen mache ich so : auf meinem Werktisch ist zu diesem Zweck ein 3 cm Loch eingebohrt. Hier ruht das Ende des Handgriffs. Die Schneide befindet sich dann etwa in Brusthöhe. Ich halte die Röhre mit der linken Hand einigermassen senkrecht fest und bewege den Wasserstein mit der rechten auf und ab. Man kann dabei sehr gut fühlen, wie er vorne an der Schneide und hinten an der Fase anliegt. Durch den Hohlschliff ist das Abziehen leicht und schnell erledigt.

Wenn ich viel grobes Holz zum Schroppen habe, ziehe ich die Röhre nie ab. Da kommt es auf eine feine Schneide und eine feine Oberfläche nicht an - nur die Menge des entfernten Holzes zählt. Soviel zur englischen Schruppröhre.

b) kontinentale Schruppröhre

Die auf dem Kontinent übliche Schruppröhre ist traditionell flachrund geschmiedet, hat eine leicht gerundete Schneide und einen flacheren Schleifwinkel von ca 40 Grad. Die Rundung der Schneide ist nicht gross, so ein bis zwei, höchstens 3 Millimeter, je nach Breite der Röhre - keinesfalls ein sogenannter "Fingernagelanschliff". Bild SchruppröhreZum Schruppen macht man "schaufelnde" Bewegungen und die Spanabnahme ist eher scherend als schneidend, weil die Fase nicht auf dem Holz gleitet. Die Späne sind "Chips", flach, kurz und nicht lockig. Die Röhre wird auch stärker in Schnittrichtung geneigt als bei der englischen Methode. Durch die schräge Präsentation schneidet nur der Bereich an der Spitze der Schneide. Dreht man die Röhre zu weit im Uhrzeigersinn, dann schleift die Schneide eher als dass sie schneidet und wird sehr schnell stumpf. Dreht man sie im Gegenuhrzeigersinn, dann wird der Span zu breit, weil sie links der Mitte schneidet, die zum Halten erforderliche Kraft wird zu gross und man riskiert einen Schlag. (Dies gilt für die Arbeitsrichtung nach rechts, nach links müssen Sie umdenken.) Ich gebe ja zu, dass ich mit der flachen Schruppröhre auf Kriegsfuss stehe.

Das Schleifen der flachen Schruppröhre auf einem Nassschleifer mit der entsprechenden Haltevorrichtung geht ganz gut, wenn die Haltevorrichtung erst mal eingestellt ist. Das Schleifen der gerundeten Schneide auf dem Doppelschleifer ist dagegen nur freihändig möglich. Zum Schleifen der seitlichen Rundung wird die Röhre auf der Schleifscheibe nach oben geschoben, zum Schleifen der Mitte nach unten. Dabei muss man das Heft drehen und gleichzeitig nach rechts und links schwenken. Es ist schwierig, den Schleifwinkel über die ganze Breite der Schneide einzuhalten, aber es sollte versucht werden. Ein gleichmässiger Schleifwinkel gibt eine grössere Sicherheit beim Arbeiten. Anschliessend wieder mit dem 1000er Stein abziehen.

Tip : Ich habe in der Anfangszeit, als ich noch sehr unsicher war, eine hölzerne Planscheibe hergerichtet. Auf die Planscheibe habe ich 100er Schleifpapier (das graue für Metall) aufgeklebt. Darauf habe ich meine Röhren geschliffen: Werkzeugauflage ganz nah an die Scheibe, Werkzeuggriff waagrecht und von der Maschine weg - also nicht in Drechselhaltung! So vermeidet man eine ballige Schneide. Die Maschine dabei langsam laufen lassen. Bestimmte Werkzeuge schleife ich heute noch so, allerdings verwende ich dann einen Schleiftisch als Unterlage.

In der nächste Folge kommen die Form-Röhren für Langholzdrechseln an die Reihe.

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