Reinhold Ege: Röhren für Langholz

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Reinhold Ege:
Röhren für Langholz


Hier haben wir es mit zwei unterschiedlichen Grundtypen zu tun:

a) die flach geschmiedete, für uns hier gewohnte Drechselröhre, in englischen Büchern als kontinentale Form bezeichnet. In vielen, aber nicht allen Büchern heissen sie "Formröhren"; nennen wir sie eben auch so . Die Händler, die diese Röhren in ihren Prospekten "Deutsche Röhren" nennen, sollten sich mal die Mühe machen, in den Spannagel oder Steinert zu schauen (falls sie einen haben), dort ist schön erklärt, was unter einer deutschen Röhre zu verstehen ist: nämlich eine Röhre mit der Fase auf der Innenseite !

b) die tief geschmiedete englische Form, zu der ich auch die aus einem Rundstab gefräste Röhre rechne.

a) die Formröhre

Die Formröhre wird überwiegend beim Langholzdrechseln eingesetzt. Sie ist sehr flach geschmiedet, die Höhlung beträgt ungefähr die Stärke des Materials oder ein bißchen mehr. Formröhren gibt es von ca 5 mm Breite aufwärts bis ca. 30mm Breite. Ich drechsle sehr viel in Langholz und ich benutze von den Formröhren hauptsächlich eine 10 mm und eine 20 mm Röhre. Ich besitze noch weitere flachgeschmiedete Formröhren in anderen Größen, aber die verstauben im Regal und werden selten bis nie benutzt. Paradox, aber korrekt : Je grösser der gedrechselte Durchmesser desto kleiner die Röhre.

Viele Hobbydrechsler halten die Formröhren fast waagrecht und setzten zu tief am Holz ein, was eine schabende Spanabnahme mit rauher Oberfläche ergibt und dazu führt, dass die Röhren sehr schnell abstumpfen. Man braucht viel Kraft dabei. Richtigerweise dreht man hoch am Holz mit dem Werkzeuggriff nach unten, dann kann die Fase gleiten und die Schneide schneidet. Schläge kommen da nicht vor und man braucht ganz wenig Kraft. Man kann fühlen, wie das Werkzeug schneidet. Ich habe es schon beim Schrägmeißel geschrieben und kann es nur wiederholen:

Wenn Sie Kraft brauchen beim Drechseln, dann machen Sie etwas falsch !

Gilt auch bei der Röhre.

Die dritte, verbreitete Methode liegt irgendwo dazwischen. Dann schneidet (schert) die Schneide der Röhre zwar, aber die Fase liegt nicht an. Das Werkzeug wird auch gezogen und nicht geschoben. Damit kann man sehr schnell sehr viel Holz wegnehmen, aber die Oberflächengüte ist nicht so gut und die Gefahr eines richtig satten Schlages ist nicht ganz auszuschließen.

Zum Schleifen

Formröhren zum Langholzdrechseln hatten früher immer einen kreisförmig gekrümmten Anschliff. Die alten Meister bis hin zu Spannagel schreiben, dass der Radius der Krümmung der halben Breite der Röhre entsprechen soll. Das heisst, die Schneide bildet einen Halbkreis mit einem Durchmesser, der der Breite der Röhre entspricht. (Bild 1 Ziffer1). Neuere Anschliffformen sind die Ellipse (Bild 1 Ziffer 2) oder der Fingernagelanschliff (Bild 1 Ziffer 3). Mit dem Fingernagelanschliff können Sie Hohlkehlen drechseln, deren Durchmesser kleiner ist, als die Breite der Röhre - das finde ich eine geniale Ausnutzung geometrischer Phänomene!

Bei Formröhren können Sie ganz unterschiedliche Schneidenformen verwenden, je nach Ihrem Drechselstil. Sie sind da wirklich nicht festgelegt - experimentieren Sie ! Das einzige, was Sie verlieren können, sind 2mm Stahl, die Sie eventuell wegschleifen müssen, und etwas Zeit. Der Gewinn : leichteres und besseres Drechseln. Wenn Sie mich fragen : meine Schneiden liegen irgendwo zwischen Ellipse und Fingernagelform. Wichtig ist, dass die Schneide genau symmetrisch geschliffen ist, damit man nach rechts und links gleichmässig arbeiten kann.

Auch beim Keilwinkel herrscht die grosse Freiheit. Einige Bücher schreiben 30 Grad sei richtig, andere gehen höher. Immer richtig ist es, für weichere Hölzer einen flachen Winkel anzuschleifen und für harte Hölzer einen steilen. Ich schleife meine flachen Formröhren mit ca 45 Grad Keilwinkel und gehe bis 55 Grad, wenn ich extrem harte Hölzer habe. Allerdings drechsle ich fast nie weiches Holz, sondern meist Hartholz (Ahorn/Esche/Elsbeere/seltener Grenadill).

b) englische Röhren und moderne Formröhren

Englische Röhren sind traditionell anders geschmiedet : das Material ist dicker, ihre Höhlung ist tiefer und kann bei long&strong durchaus V-förmigen Querschnitt erreichen. Nach den Büchern sind sie meist rechtwinklig geschliffen. Ich persönlich habe mit diesen Röhren keine Erfahrung. Wohl aber mit den modernen englischen Röhren aus Rundstäben.

Vor ca 20 Jahren kamen diese neuen Drechselwerkzeuge aus England zu uns. Diese Röhren bestanden aus HSS-Rundstäben, in die eine breite Rille eingefräst war. Eine wesentlich preiswertere Form der Herstellung als das Schmieden. Die Handhabung und der Anschliff dieser Röhren war für deutsche Drechsler ungewohnt und anfangs gab es manchen Ärger. In der Zwischenzeit haben sich die Gemüter beruhigt und auch viele deutsche Drechsler benützen diese englischen Röhren. Zumal sie Vorteile haben und in manchem den flachgeschmiedeten Röhren klar überlegen sind.

In der Abbildung ist (unten links) zu sehen, wie beim senkrechtem Schnitt mit einer englischen Röhre der Angriffspunkt der Schneide genau über dem Stützpunkt auf der Handauflage liegt. Das ergibt eine sehr gute, sichere Haltung. Dreht man die Röhre stark auf die Seite, um mit der Flanke zu schneiden, dann verschiebt sich der Angriffspunkt nur unwesentlich gegenüber dem Unterstützungspunkt. Es entsteht eine kleine Kraft, die auf die Röhre zwar drehend einwirkt , aber vom Drechsler leicht aufgefangen werden kann, vor allem, wenn die Fase am Holz anliegt, wie es dem englischen Drechseln entspricht. Eine ähnliche Verdrehung bei einer flachen Röhre kontinentaler Bauart würde zu einer deutlichen Verschiebung des Angriffspunktes führen mit der Folge einer starken Zunahme der "Drehkraft", die nicht mehr beherrschbar wäre - Folge : ein kapitaler Schlag !

Drechseln Sie mal englisch : hoch am Holz, damit die Fase auf dem soeben geschnittenen Holz gleiten kann, und mit dem Werkzeug einigermaßen rechtwinklig zur Achse der Drehbank. Halten Sie die Röhre mit der rechten Hand im Bereich der Zwinge ausnahmsweise mal nur mit zwei Fingern. Sie brauchen ganz wenig Kraft, wenn Sie es richtig machen. Die Späne zeigen ihnen, ob Sie richtig schneiden : sie müssen aussehen wie Schillerlocken : fein, gedreht, fast schnurartig und möglichst lang. Kurze sägemehlartige Späne deuten darauf hin, dass Sie schaben. Flache, breite, chip-artige Späne mit wenig "Drall" zeigen, dass Sie scherend abtragen (in manchen Situationen durchaus richtig!).

Wenn Sie Hohlkehlen drechseln, brauchen Sie das Heft drehend nur wenig seitwärts zu bewegen, bei Rundstäben wird das Heft gedreht und nach rechts oder links geschwenkt, aber so, dass die Fase immer anliegt. Sobald die Fase nicht mehr gleitet, riskieren Sie einen Schlag. Ich verwende meist die folgenden englischen Röhren : eine ganz schmale mit ca 6 mm Durchmesser für feine Details, eine leichte mit ca. 9 mm und mein Arbeitspferd, mit dem ich am meisten drechsle, ist eine schwere, lange Halbzoll-Röhre mit ca. 13 mm Durchmesser und starkem Fingernagelanschliff. Die 6 mm Röhre mag ich eigentlich nicht, sie ist für ihren Durchmesser zu lang, federt dadurch und ist instabil, aber manches geht eben nur mit ihr.

Nun zum Schleifen:

Die Schneide sollte von oben gesehen, elliptisch sein, also den sogenannten Fingernagelanschliff haben, eine gerundete Schneide wie bei den flachen Formröhren ist nicht so gut. Wie spitz sie ausgezogen wird, ist Geschmacksache und hängt auch von der Aufgabe ab. Übertreiben Sie es aber nicht! Ob Sie die Schneide, von der Seite aus gesehen, bogenförmig schleifen oder schräg, spielt fast keine Rolle. Meine Formröhren sind meist schräg angeschliffen, auf der Abbildung als Alternativmethode bezeichnet. Der Keilwinkel an der Spitze beträgt ca 45 Grad. Die Seiten, mit denen man ohnehin nicht drechselt, habe ich einfach soweit zurückgeschliffen, dass das Gesamtbild harmonisch aussieht. Eine leichte Höhlung an der Fase, verursacht durch den Umfang der Schleifscheibe, schadet nicht, einen balligen Anschliff muss man aber unter allen Umständen vermeiden.

Viele schöne Vorrichtungen sollen das Anschleifen eines Fingernagelschliffs erleichtern oder sogar mühelos machen. In der Praxis ist das Einstellen dieser Vorrichtungen für meinen Geschmack zu umständlich, ich schleife weiterhin freihändig. Legen Sie die Röhre so gegen die Schleifscheibe, dass sie etwa mit der Mitte der Fase aufliegt. Schleifen Sie in die Spitze und hören Sie auf , kurz bevor die Funken über die Schneide klettern. Dann drehen Sie die Röhre und schieben sie gleichzeitig nach oben, wobei Sie auch noch den Griff ein wenig seitwärts schwenken können. Dadurch schleifen Sie die Flanken der Röhre. Achten Sie auf symmetrischen Anschliff ! (Die Autoren mancher Fachbücher lehnen es ab, den Griff seitlich zu verschwenken. Warum ist mir nicht klar - es ist die einfachste und natürlichste Methode.) Es reicht, wenn im Bereich der Fase eine leichte Höhlung eingeschliffen wird. Die eigentliche Schneide wird dann durch Abziehen mit dem Wasserstein hergestellt.

Ausnahme:
Ich besitze eine kurze, schwere 10mm Röhre, die ich völlig gerade, wie eine Schruppröhre, angeschliffen habe. Der Grund : es gibt immer wieder Situationen, in denen man dem Holz nur mit solchen Schneiden beikommen kann.

Zum Abziehen :
Formröhren sollen SCHNEIDEN, sie müssen also rasiermesserscharf sein. Ich ziehe sie freihändig ab, auf den Tisch aufgestützt, wie bei den Schruppröhren beschrieben, und benutze einen 1000er japanischen Wasserstein, der durch den langen Gebrauch schon eine Höhlung eingeschliffen hat. Den Grat an der Innenseite entferne ich mit einem tropfenförmigen Stein. Die Hohlkehlen wurden durch jahrelanges Abziehen spiegelblank.

Im Übrigen :
Sie brauchen keinen komplizierten Winkelmesser für viel Geld, um den Keilwinkel zu messen. Es gibt im Handel so kleine, runde Messingscheiben, die eine Anzahl Kerben mit unterschiedlichen Winkeln am Rand tragen. Mit diesen läßt sich der Keilwinkel genau genug bestimmen. Zumal er, wie gesagt, gar nicht so kritisch ist.

Abbildung 1: Röhren für Langholz Systemzeichnung der flach geschmiedeten Röhren. Beachten Sie, wie sich unten rechts der Kraftpfeil verschiebt - das bedeutet eine starke, drehend wirksame Kraft und zeigt, wie nahe an einem Schlag hier gedrechselt wird.
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Abbildung 2: Englische Röhren für Langholz Systemzeichnung der englischen Röhren. Beachten Sie , wie die beiden Kraftpfeile fast immer genau senkrecht übereinander stehen. Hier entsteht keine oder nur eine kleine drehend wirksame Kraft.
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Abbildung 3: Späne von schneidendem Drechseln Die Späne sind lang, gedreht und lockig. So ist es korrekt.
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Abbildung 4: Späne von scherendem Drechseln Die Späne sind etwas kürzer, flach, gelegentlich auch etwas gedreht.
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Abbildung 5: Späne von schabendem Drechseln Die Späne sind kurz, krümelig, fast wie Sägemehl. Dies ist zu vermeiden !
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Alle Späne wurden nacheinander mit dem selben Werkzeug (13 mm engl. Röhre) vom gleichen Stück Holz erzeugt.

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