Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Günter Wolf

Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Günter Wolf »


Seit längerem geht mir der Gedanke durch den Kopf, ob man nicht als Hobbytischler nebenberuflich den Gesellenbrief als Tischler erwerben kann. Ich weiß, daß dies zum Beispiel bei der Handweberei oder Goldschmiedekunst möglich ist. Dabei denke ich gar nicht daran, um als Tischler Geld zu verdienen, sondern es wäre reizvoll vom Hobby- zu einem echten "Handwerker" zu werden.

Vielleicht hat jemand ja schon so etwas gemacht, oder spielt mit dem gleichen Gedanken. Existiert so eine Möglichkeit überhaupt ??

Viele Grüße
Günter

Thomas Dörr

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Thomas Dörr »


Hallo, habe gerade von der Sache mit dem Gesellenbrief gelesen und finde es eine sehr gute Idee. Habe vor längerem mich schonmal dafür interessiert, habe allerdings erfahren müssen, dass das in Deutschland nicht gehen würde. Ich sag nur Handwerkskammer, Meisterbrief etc. Wäre aber an neue Informationen gerne brennend interessiert. Vielen Dank im voraus.
Mfg Thomas

Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Christian Aufreiter »


Hallo Günter,

über eine Art Gesellenbrief für Hobbywerker hab' ich mir auch schon mal Gedanken gemacht. Abgesehen von den rechtlichen Schwierigkeiten, die Thomas schon angesprochen hat, wird es wohl auch noch eine Reihe anderer Probleme geben.
Wer wäre nicht stolz, so einen Brief in Händen halten zu können?
Allerdings ist zu bedenken, dass man dafür sicher eine Menge Zeit investieren müsste und die ist bei uns Hobbywerkern ohnehin beschränkt.
Was muss man denn bei so einer Prüfung alles können?
Kürzlich habe ich ein Buch für Tischlerlehrlinge durchgeblättert und festgestellt, dass - natürlich - auch im Hinblick auf Maschinen einiges verlangt wird. Und dabei handelt es sich durchaus um Geräte, die auch die gut ausgerüsteten Hobbytischler unter uns wohl kaum in ihrer Werkstatt stehen haben. Selbst wenn es hier in unseren Kreisen einige talentierte HANDholzwerker geben mag, die vielleicht mit einiger Übung im Bezug auf HANDwerzeuge ohne Schwierigkeiten eine Gesellenprüfung bestehen könnten, so werden selbst diese vermutlich im Maschinenbereich scheitern oder zumindest verhältnismäßig viele Hürden zu überwinden haben.

Außerdem stellt sich für mich auch die Frage, inwieweit sich unser Form der handwerklichen Betätigung mit der Arbeit eines modernen Tischlers deckt.
Manche unter uns benutzen klassisches Handwerkzeug nicht nur mit Vorliebe, sondern sammeln es auch. Für einen professionellen Tischler bleibt heute wohl kaum mehr Zeit sich so intensiv mit Handwerkzeugen auseinanderzusetzen. Dies soll natürlich kein Vorwurf sein.

Gundsätzlich bin ich an diesem Thema interessiert, also halt' uns bitte auf dem Laufenden.

Herzliche Grüße

Christian

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #94449]
ich danke, da hat Christian schon recht. Was wir hier machen, deckt sich eben nicht mit dem, was (sicherlich mit wirtschaftlichen Zwängen begründbar) im Tischlerhandwerk üblich ist und in Rahmen einer Facharbeiterprüfung verlangt wird.
Ich habe einen guten Freund, der ist Tischler- und Zimmermeister. Der versteht von Handwerkzeugen viel weniger als ich und beneidet mich ganz sicher darum, mit ihnen arbeiten zu können. Aber sein Beruf ist eben eine andere Welt als meine Liebhaberei. Damit kann ich leben, und Ihr doch auch, oder?

Friedrich

Thomas Uhlemann

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Thomas Uhlemann »


Hallo Holzwerker ohne Gesellenbrief,
kann mich der Meinung von Christian und Friedrich nur anschließen, nur ein kleiner Teil der Tischlerausbildung wäre für mich wohl interessant. Als 'Hobbybastler' genehmige ich mir die Freiheit, abseits von DIN- und ISO-Normen und ohne Zeitvorgaben, zu experimentieren. Heraus kommen mitunter (ja ja, nicht immer ...) Ergebnisse, die - zumindest bei Laien - Respekt und Bewunderung auslösen. Bei Fachleuten kommt dann schon mal der Einwand 'Nach DIN hätte man das aber nicht...' oder 'Ja wenn ich dafür auch 14 Tage Zeit hätte...'.

Ganz nebenbei möchte ich aber noch einen anderen Punkt zur Diskussion stellen: Wir leben in einer Zeit, in der viele Schulabgänger keinen Ausbildungsplatz bekommen. Ich hätte jedenfalls ein schlechtes Gewissen Ausbildungskapazitäten 'just for fun' zu belegen (falls dies überhaupt möglich ist). Spezialisierte Kurzseminare würde ich wohl vorziehen.

Zum Glück macht es mir aber gerade Spaß, Werkzeuge und deren Anwendung selbst zu erlernen, Tipps und Tricks von Teilnehmern dieses Forums aufzugreifen oder mal einem Profi 'über die Schulter' zu sehen.

Euch allen viel Spaß auch ohne Brief

Thomas

Günter Wolf

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Günter Wolf »


Hallo !

Bei der Frage nach Erlangung eines Gesellenbriefes denke ich überhaupt nicht daran, Ausbildungskapazitäten bei der beruflichen Grundausbildung zu belegen.

Im Grunde genommen ist es ja so, daß sich das moderne Berufsbild des Tischlers von dem vor 100 Jahren vollkommen unterscheidet. In der industriellen Ausbildung spricht man ja schon vom "Holzmechaniker".

Das Tischlerhandwerk, so wie wir es betreiben, nämlich mit Handwerkzeugen ist im Prinzip schon ausgestorben. Wie meine Vorredner richtig bemerkten, wären die Ausbildungsinhalte für uns im Prinzip sinnlos, da überwiegend Maschinenarbeit.

Bei der Frage des Gesellenbriefes hatte ich aber noch einen anderen Hintergedanken im Kopf: Im Moment habe ich für mein Hobby auch nur einige Stunden in der Woche Zeit. Aber es kommt eventuell auch mal die Zeit (Rentnerdasein, Teilzeitarbeit). Das man mehr Zeit dafür hat und eventuell auch mal das eine oder andere Möbelstück verkaufen könnte. Gar nicht mal zum Broterwerb, sondern um wenigstens die Materialkosten und Werkzeugabnutzung herauszubekommen. Und in diesem Moment kommt man in Deutschland sofort in Konflikt mit der Handwerksordnung, die das gwerbliche Herstellen von Möbeln nur einem industriellen Betrieb zuläßt oder einem Tischler mit Meisterbrief. In den angelsächsischen Länder (England, Amerika) ist dies anders, dort kann im Prinzip jeder eine Tischlerwerkstatt eröffnen. Und der Erfolg ist, frei nach dem Prinzip "soll das Werk den Meister loben !", nur nach dem Arbeitsergebnis und dem persönlichen Können des Handwerkers und nicht nach dem Besitz von Diplomen, Meister- Gesellenbriefen abhängig.

Aber so wie ich das jetzt sehe, gibt es den Beruf des mit Handwerkzeugen, ohne Elektrizität arbeitenden Tischlers gar nicht mehr, also hat ein Gesellenbrief für uns wohl doch nicht viel Sinn.

Darum gehe ich jetzt in meine Werkstatt und hobele mal wieder ein bisschen mit meinen schönen Hobeln von der bekannten Quelle aus Berlin.

Viele Grüße

Günter

Andreas Winkler
Beiträge: 1125
Registriert: Di 30. Nov 2021, 19:21

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Andreas Winkler »


Sicher kann man eine Tischlerausbildung heute nicht mehr mit der von vor 100 Jahren vergleichen. Jedoch lernt man als angehender Schreiner vorallem im ersten Jahr der Ausbildung unheimlich viel über den Umgang mit Holz und auch viel über den Umgang mit Handwerkszeugen und traditionellen Verbindungen (zumindest Bayern, ob´s in anderen Bundesländern genauso ist, weiß ich nicht). Das erste Lehrjahr findet in Bayern nämlich nur als Vollzeitunterricht in der Berufschule statt. Erst im zweiten und dritten Jahr muß sich der Lehrling einen Betrieb suchen. Logischerweise gibt´s auch dann erst eine "Ausbildungsvergütung".
Klar, daß im 1.Jahr dann viel mehr Zeit für Handarbeit ist (sowohl praktisch als auch theoretisch) und dies in den darauffolgenden Jahren fast ganz von Maschienearbeit und "aktuellen, wirtschaftlich sinnvollen" Arbeitstechniken und Produkten (Fenster, Türen, Plattenmöbel) abgelöst wird. Eben ganz einfach aus (wie meine Vorredner schon erwähnt haben) ökonomischen Gründen.
Wird heute in einer Tischlerei eine Gratnut gefertigt, dann kaum mehr mit Gratsäge, Grund- und Grathobel sondern mit einer der Oberfräse, weil´s einfach schneller geht und sich der Fensterladen bzw. die Tischplatte günstiger verkaufen läßt. Und diese Maschinenarbeit muß ein Tischler nach seiner Lehre draufhaben, deswegen auch die Lerninhalte des 2. & 3.Lehrjahres.
Das mit dem Grat-und Grundhobel hat man (wirklich ausgiebig) im 1. Jahr. Hier werden (meiner Meinung nach, natürlich abhängig vom Lehrer) Techniken und Werkzeuge besser (schon allein weil anschaulicher) erklärt als in den allermeisten Büchern. Auch kann man ein Buch nicht fragen, sollte irgendwas unklar sein. Von daher macht dieses 1. Jahr für einen handwerklich interresierten "Neandertaler" schon Sinn, sofern er Millionär ist und sonst keiner anderen Beschäftigung nachgehen muß. ;-)


Eckhard Pohlmann
Beiträge: 163
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Eckhard Pohlmann »


Hallo Holzwerker ohne Gesellenbrief,

da dieses Thema ja wohl von größerem Interesse ist, will ich auch noch über meine Erfahrung berichten.

Vor ein paar Jahren hatte ich die Idee, wenn ich Rentner bin, mache ich eine Tischlerlehre. Anlässlich einer Informationsveranstaltung der Handwerkskammer für Auszubildende habe ich gefragt, ob sie mich auch nehmen. Nach erstem Schmunzeln, kam dann die Antwort : „Im Prinzip ja, aber Sie müssen einen Meister finden der bereit dazu ist.“
Also, ohne persönliche Beziehungen geht da überhaupt nichts. Was hat ein Tischlermeister davon, wenn er einen Gesellen hat der fast 70 Jahre ist.

Als Alternative wurde mir ein Praktikum angeboten:
Was kann man da lernen?
Eigentlich wird da nur Außenmontage angeboten, da in der Werkstatt mit Maschinen gearbeitet wird und der Praktikant diese nicht bedienen darf.
Zum Thema Außenmontage erinnerte ich mich an den Bau unseres Hauses vor vielen Jahren, da haben drei Tischlerbetriebe mitgewirkt. Der erste hat die Fenster und Türen eingebaut, der zweite die Treppe montiert und der dritte die Küche aufgestellt, alles Teile die in Fabriken gefertigt wurden.
Da habe ich dann abgewunken, das sind nicht die Fertigkeiten, die ich lernen wollte.

Nun bin ich inzwischen Rentner und kann nicht behaupten, dass mir der Tischler-Gesellenbrief fehlt.
Ich habe eine Volkshochschule gefunden, die einen Kurs „Tischlerwerkstatt“ anbietet und dort wird nur mit Handwerkzeugen gearbeitet. Das war genau das was ich gesucht hatte.

Gruß, Eckhard


Berthold Cremer
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Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Berthold Cremer »

[In Antwort auf #94489]
Hallo Günter

Der Standesdünkel scheint in Deutschland ja sehr verbreitet zu sein. Nicht was jemand kann, zählt, - nur welche Papiere er vorweisen kann, ist interessant. So wie ich dem Beitrag entnommen habe, darf man also keine Möbel bauen und sie "verkaufen", wenn man nicht den entsprechenden Schein hat.

Wie sieht es aber aus, wenn man ein Kunstwerk herstellt und verkauft? Vielleicht ein Beispiel: Wenn ich Notenpulte (siehe weiter unten im Forum) als Möbelstücke verkaufen würde, wäre dies wohl nicht erlaubt. Was wäre, wenn ich mich als Holzkünstler bezeichen würde und dann so ein Notenpult als mein Kunstwerk verkaufen würde? Wäre das erlaubt?

Um Mißverständnisse auszuräumen: Ich möchte mich weder als Holzkünstler bezeichnen, noch möchte ich Notenpulte verkaufen.
Gruß
Berthold



Recai Riemer
Beiträge: 85
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Hobbytischler mit Gesellenbrief ?

Beitrag von Recai Riemer »


Sobald es um Kunsthandwerk geht fallen diese Schranken. Ich selbst bin Musikinstrumentenbauer und darf, obwohl es in meiner Ausbildung Hauptinstrument war hier weder Geigen reparieren noch neubauen. Sobald ich es aber um Kunstgegenstände fallen die Beschränkungen (in meinem Fall baue ich dann eben türkische Streichinstrumente).
Im Möbelbereich wird vieles deshalb auch als Reparatur oder Restauration getarnt. Auch der Flohmarkt (auch der im "weltweiten Gewebe") bietet sich als Möglichkeit, wenn wohl auch nicht ganz legal im Sinne der Handwerksordnung.

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