Mein Desaster Projekt

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Detlef Fallisch
Beiträge: 418
Registriert: Fr 5. Apr 2019, 10:24

Mein Desaster Projekt

Beitrag von Detlef Fallisch »


So ungefähr im Dezember 2009 habe ich angefangen mit Sketchup eine Box zu entwerfen. Auf dem Umschlagdeckel des Buches „400 wood boxes“ hatte ich eine Kiste gesehen, die meine Fantasie anregte.
Natürlich sollte mein Entwurf viel eleganter, aufwendiger, schöner, höher breiter oder mit einem Wort: einfach geiler sein.

Hier http://www.woodworking.de/cgi-bin/holzbearbeitungsmaschinen/webbbs_config.pl/md/read/id/65852/sbj/warum-ich-sketchup-liebe/ sind meine ersten Ansätze zu finden.

Damals hatte ich noch Probleme mit dem Zeichnen und habe doch tatsächlich geglaubt, wenn ich erst einmal alles in 3D entworfen, gezeichnet und bemaßt hätte, wäre das Bauen nur eine Fleißarbeit.

Die ersten Sketchup-Entwürfe sahen so aus:


Und weil es in Sketchup so schnell geht wurden alle möglichen Varianten ausprobiert.


Als ich dann eine ungefähre Vorstellung davon hatte wie die Box mal aussehen soll – die Variante im Vordergrund kommt dem schon nahe – ging es in den Hobbykeller. Also erst einmal mit ein paar Resten einige Versuche anstellen.

Das einzig Richtige bei diesen Versuchen war: die Werkstücke waren in der Grundform tatsächlich trapezförmig. Aber sonst war so ziemlich alles falsch!

Die Nut für den Boden sollte natürlich nach innen und nicht nach außen.


Die Oberkante wie auch die Unterkante waren nicht parallel zum Boden.


Die Alustreifen, die auf die Oberfläche geklebt werden sollten, hielten nicht und die Klebereste waren nicht ab zu bekommen, da es sich um ein Zweikomponentenkleber handelte.

Dumm gelaufen!



Meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt angekommen, oder in einem Satz ausgedrückt: Ich hatte die Schnauze so richtig voll!
Wie konnten mir soviel Fehler unterlaufen? Also erst mal wieder lesen, Fachbücher konsultieren, Forum studieren, fragen und im Internet recherchieren.
Ich lernte etwas über komplizierte Winkel am Pyramidenstumpf, Schifterschnitte und das man die Säge auf keinen Fall so einstellen darf wie es die Winkel in der Zeichnung suggerieren.

Der nächste Versuch war deutlich besser:



Interessanterweise hatte Tobias ein Jahr später die gleichen Probleme wie ich (siehe hier:
http://www.woodworking.de/cgi-bin/holzbearbeitungsmaschinen/webbbs_config.pl/md/read/id/81949/sbj/verflixte-gehrungen-beim-kegelstumpf/#m_81949

Also machte ich mich im Januar 2010 wieder an die Arbeit und schaffte es auch endlich die Alustreifen fest auf das Holz zu kleben.
Der Trick dabei war es, das Alu an der Klebeseite aufzurauhen. In den Alurahmen wurde Wurzelholzfurnier geklebt.

Das Innere der Box wurde ebenfalls furniert. Hier wurde Kingwood

- und Vogelaugenahorn-Furnier verwendet.


Waren halt Reste und zu schaden zum wegwerfen.

Die Füße wurden wie ein Sandwich aus Alu und Holz aufgebaut.



Bei den Füßen wurden die Alustreifen auf dem Bandschleifer aufgerauht und dann zusammen geklebt. Hier reichte Pattex als Kleber.



Die Füße sollten so befestigt werden. Meine Idee war es, die Box „schweben“ zu lassen.
Leider ist der Effekt wegen der massiven Füße nicht besondern gelungen. Sie hätten filigraner ausfallen müssen.


Als ein Problem stellte sich das Ansetzen der Zwingen beim Verleimen dar. Wie soll man eine solche Box,
bei der es außen keinen rechten Winkel gibt eigentlich zum Leimen zusammen zwingen?


Die Lösung erhielt ich buchstäblich vom anderen Ende der Welt. In Australien gibt es ein Box-Making Forum in dem sich die „Kisten-Schreiner“ aus der ganzen Welt über ihre speziellen Probleme beim „box making“ austauschen.
Dort stellte ich die Frage: Wie zwingt ihr solchen Boxen zusammen? Wie auch in diesem Forum kommen manchmal ungewöhnliche Lösungsvorschläge auf einfache Fragen.
Die ersten schlugen vor gar keine Zwingen zu benutzen, sondern statt dessen Klebeband um die Box zu wickeln.

Das war doch mal eine praktische Lösung – gut der ein oder andere könnte jetzt einwenden: auf so eine simple Idee hättest du auch selber kommen können – aber ich sah wohl den Wald vor lauter Zwingen nicht mehr.

Also das extra starke, breite, doppelseitige Teppichklebeband um die Box gewickelt und verleimt. Ging ganz einfach und funktionierte prima.
Jedenfalls solange das Klebeband noch auf der Box saß. Aber beim Abziehen zeigte sich die wirkliche Stärke des Teppichklebebandes.
Sowohl ein Alustreifen wie auch ein Wurzelholzfurnier waren nicht vom Klebeband zu trennen.

Von der Box schon.

Dieser Vorschlag war also nur suboptimal.



Die Reparaturarbeiten haben mich wieder Tage gekostet und meine Laune war wieder mal unten.

Der zweite originelle Vorschlag war es, mit einem einfachen Seil zu versuchen. Das sah dann so aus:


Hier konnte nichts mehr kaputt gehen oder kleben bleiben. Zum festzwingen wird das Seil kräftig nach unten gedrückt und durch einen kleinen Nagel in den Klötzchen darin gehindert wieder nach oben zu rutschen.
Das war eine Lösung wie ich sie liebe. Einfach, billig, wieder verwendbar und funktionierte auf Anhieb. Danke an unsere australischen Box-Maker.

Ich weiß heute nicht mehr genau, warum ich nach dem Zusammenleimen keine Lust mehr hatte in den Hobbykeller zu gehen um an dem Desaster-Projekt weiter zu arbeiten.
Ein Künstler würde das wohl von schöpferischer Schaffenspause sprechen. Ich hatte damals erst mal genug von woodworking.

Ach ja und dann warteten neue aufregende Sachen auf mich. Ich hatte mir ein neues Smartphone (Samsung Galaxy II) zugelegt.
Diejenigen unter euch, die auch so ein Ding besitzen – also so ungefähr 90% - wissen, dass die Beschäftigung damit ein Fulltime-Job ist.

Für Holzarbeiten ist neben einem Smartphone definitiv einfach kein Platz mehr!

Gut, ich muss zugeben, dass meine Ehe durch die Dauerbeschäftigung mit dem Galaxy damals kurz vor der Scheidung stand
und meine Frau mich manchmal morgens beim Frühstück mit der Frage begrüßte: Na hast du heute schon dein Handy gestreichelt?

Als ich die 100. APP auf dem Handy geladen hatte und auch tagsüber Dank der Google Sky Map die Lage des Andromeda Nebels am Himmel bestimmen konnte,
wurde es dann doch irgendwann langweilig. Mittlerweile war es Sommer 2010 geworden und das Fahren mit dem E-Bike verdrängte die Beschäftigung mit dem Smartphone.
Gut nicht ganz, denn ich hatte gerade eine APP für die Navigation auf Radwegen entdeckt und versuchte Pedelec und Smarthone zu kombinieren.
Leider war der bescheuerte glänzende Bildschirm bei Sonnenlicht komplett unlesbar und konnte nur als Rückspiegel benutzt werden.

So ging ein Monat nach dem anderen ins Land. Mittlerweile war 2011 angebrochen und meine Box stand immer noch unberührt im Keller.
Die Kommentare meiner Frau hierzu blende ich jetzt mal aus. (obwohl sie ja leider Recht hatte) Manchmal beim Surfen in den Foren kam mir die eine oder andere Verbesserungsidee,
aber nichts davon wurde in die Tat umgesetzt. Es wurde 2012 und immer noch wartete mein Alptraum-Projekt auf seine Vollendung.

Es dauerte dann bis zum September 2012 – dann war meine schöpferische Pause zu Ende.


Endlich wusste ich wie ich den Deckel gestalten wollte und dann ging es plötzlich wieder recht flott weiter. Was sich in meinen Überlegungen immer als Problem darstellte,
nämlich ob der Kleber die Alufüße fest mit der Box verbinden würde, wurde zufriedenstellend gelöst.
Ich hatte inzwischen gelernt, dass man die ultra glatten eloxierten Alu-Oberflächen vor dem Kleben gut aufrauen muss.
Ich habe einfach mit der Reißnadel tiefe Rillen in die Klebflächen geritzt und dann mit einem Zweikomponentenkleber die Teile zusammen geklebt.

Die gesamte Box wurde anschließend geschliffen (stufenweise bis zur 250-Körnung) und danach zweimal mit Leinölfirnis gestrichen.

Hier ist das Ergebnis:











Unter dem Deckel verbirgt sich ein „Geheimfach“. Der Deckel wird von zwei Neodym-Magneten gehalten.
Er ist nur mit einer kleinen Schraube zu öffnen, weil die Neodym-Magnete sehr stark sind.



Der Deckel für die Box ist ebenfalls aus Multiplex gefertigt. Die Oberfläche ist mit Ebenholz furniert und mit rot-weißen Furnierstreifen eingefasst. Der Griff ist aus Alu.




Für all die Mißgeschicke, die mir beim Bau unterlaufen sind, finde ich meine „Desaster-Box“ noch ganz gut gelungen und ich habe mich mit meinen Fehlern inzwischen versöhnt.

Detlef



Udo N.
Beiträge: 192
Registriert: Do 29. Aug 2013, 15:15

Re: Mein Desaster Projekt

Beitrag von Udo N. »


Hallo Detlef,
das ist ja eine wunderbare Geschichte und ich kam beim Lesen nicht umhin, mehrfach zu schmunzeln. Abgesehen davon, dass die Box richtig geil aussieht, bewundere ich dein Durchhaltevermögen, trotz Tiefschläge, "am Ball zu bleiben". Das Rersultat nach der langen Zeit sieht super stylisch aus.
Viele Grüße und Kompliment an deine Arbeit und Lob für die tolle Geschichte sagt.....
Udo

Joerg Noll
Beiträge: 58
Registriert: Do 11. Feb 2016, 10:41

Re: Mein Desaster Projekt

Beitrag von Joerg Noll »


Toller Bericht!
Ich hab mich weggeeimert. vielen Dank auch für die Anregungen. Vor Allem das mit dem Handy als Rückspiegel fürs Fahrrad hat mir gut gefallen.
Nur so am Rande. Die Klebebandmethode für Gehrungsverbindungen wurde von einem Forumskollegen sehr erfolgreich angewendet. Allerdings mit Malerkrepp und nicht mit Teppichklebeband. Ein starkes Klebeband, das sich sehr leicht entfernen lässt ist übrigens Verputzerband.

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