Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und klemmen

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Walter Heil
Beiträge: 1425
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und klemmen

Beitrag von Walter Heil »


Hallo,

infolge akribischer und detaillierter Planung :-) meines seit inzwischen längerer Zeit in Arbeit befindlichen Vitrinenschränkchens, war ich damit konfrontiert, dass ein handelsüblicher Vollauszug nicht mehr passte. Also entschloss ich mich, solche in Holz zu bauen. Bei Franz Karg gibt's da auch jede Menge Beispiele, allein die Version mit in das Schubladenseitenteil integriertem Auszug war mir herstellungstechnisch und vor allem passungsmäßig deutlich zu heiß. Ich hielt mich an die kommerziellen Vorbilder insoweit, dass ich es immer als angenehm empfand, eine Schublade einfach mal rauszunehmen. Die Schubladenkorpusse sind nur auf den inneren Teil des Vollauszugs aufgelegt und mit einer als Haltestift missbrauchten Innensechskantmadenschraube fixiert. Die Korpusse kriegen noch eine Blende vorn, die seitlich über die Korpusse ragt, damit das "Mittelstück" der Auszüge wieder zurückgeschoben wird. Was die Sache nicht unbedingt einfacher macht, ist das Verhältnis von 34cm Tiefe und 80cm Breite der Schubladen. Das Herstellen der Auszüge ist nicht schwierig, bis die Apparate einigermaßen leicht laufen, fließt schon mehr Schweiß. Vom Bedienungskomfort möchte ich mal lieber nicht reden, wer sie deswegen macht, der hat nicht alle beisammen. Ich bin froh, wenn sie auf-und zu gehen ohne dass der Schrank umfällt und habe mir gesagt: man muss es mal gemacht haben.

Hier ein paar Bilder: Rechts liegt das Mittelstück (ich kenne keinen Fachausdruck dafür, vielleicht weiß ein Profi einen) und links das Teil, auf dem die Schublade aufliegt mit der Schraube, die in ein entsprechendes Loch in der Schubladenseitenwand greift.



Hier nochmal dieselben Teile, das Mittelstück wird um 180° um die Längsachse gedreht und dann von vorne in das Seitenteil geschoben. Anschließend werden beide Teile zusammen von hinten in den Rest des Auszugs eingeschoben.



Hier sieht man den eingebauten Auszug ohne eingesetzte Schublade



Alle Schubladen eingebaut, eine ausgezogen, ohne Blenden.



Das Ganze von hinten.



Und noch etwas detaillierter.





Markus
Beiträge: 546
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und kle

Beitrag von Markus »


sehr schön. Hast du die Auszüge eingewachst? Wenn nicht, kann ich das nur empfehlen, laufen dann viel leichter.

Markus


Heiko Rech
Beiträge: 2715
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und kle

Beitrag von Heiko Rech »


Hallo Walter,

sehr mutig von dir, direkt beim ersten mal direkt mehrere solcher Auszüge zu machen. Noch dazu bei den nicht unbedingt unproblematischen Maßen der Schubladen.

Bevor ich mein Meisterstück gemacht habe, was ja nun schon 5 Jahre her ist, habe ich sehr viele Varianten dieser Auszüge gefertigt. Vorher hatte ich noch nie welche gemacht. Eine der Varianten, die ich für mich persönlich direkt verworfen habe war die Variante T-Nut, die du angewendet hast.

Verworfen habe ich sie, weil sie in der Fertigung sehr aufwendig ist und im Prinzip keinen Fehler verzeiht. Das hast du ja bereits gemerkt. Deine Version wiederspricht auch etwas der klassischen Variante, bei der ja die Schublade auch gefräst wird. Das wäre meinerseits ein Kritikpunkt. Der Sinn und Zweck einer so aufwendigen Konstruktion wie einem Vollauszug aus Holz ist eine gewisse Eleganz. Dadurch, dass der Auszug bei dir ein komplett eigenständiges Teil ist, geht diese Eleganz verloren. Das ist gemessen am Arbeitsaufwand sehr schade. Natürlich ist es auch ein Risiko, beim ersten mal direkt eine Fräsung in die Schubladen zu machen. Von daher verstehe ich deine Entscheidung für diese Variante natürlich auch. Zu Riskant wäre mit aber das Anfertigen der Laufschienen aus mehreren Teilen. Das hast du vermutlich gemacht, weil du keinen T-Nut Fräser hattest.

Ich selbst bevorzuge die Version des Auszuges die gegratet ist. (die kennst du ja sicherlich, hatte ich ja mal gepostet) Diese muss nicht ganz so präzise gefertigt sein, da sie sich durch die Schräge selbst zentriert. Ich fräse dann auch die Schublade im fertig verleimten und verputzten Zustand, fertige das Mittelteil und das Teil, dass an die Seitenwand geschraubt wird. Das Teil, das an die Seite geschraubt wird kann problemlos etwas in der Stärke nachgehobelt werden, wodurch die individuelle Anpasssung jedes Auszuges sehr einfach ist.

Damit man die Schublade aushängen kann, verwende ich eine Madenschraube, die man von der Innenseite der Schublade einfach herausschraubt.

Bei den bei dir gegebenen Formaten der Schubladen würde ich auf jeden Fall pro Schublade zwei Griffe montieren. Wenn möglich in Höhe der Auszüge und so weit nach außen wie möglich, soweit das alles noch von der Optik machbar ist.

Die Auszüge selbst laufen mit Hilfe von Silbergleit viel besser. Silbergleit aber erst nach der Oberflächenbehandlung anwenden.

Gruß

Heiko


Walter Heil
Beiträge: 1425
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und kle

Beitrag von Walter Heil »


Hallo Heiko,

es ist schon sehr lustig: aus genau den Gründen, aus denen Du den T-Nut-Auszug verworfen hast, habe ich den Gratnut-Auszug verworfen. Ich habe überlegt, dass die Maßfehler in der lichten Breite der Schrankkorpusse, der Schubladenbreite und der Breite des Auszugs sind. Wenn sich diese addieren (und nach Murphy tun sie das!), dann krieg ich das Problem, dass durch die Keilwirkung des Grats eine mordsmäßige Klemmung das Auszugs stattfindet. Du hast recht, durch etwas Übermaß im äußeren Teil des Auszugs kann man das ausgleichen; allein das ewige An- und Abschrauben dieses Teils zum Nacharbeiten hat mich abgeschreckt. Du hast es erraten: einen T-Nutfräser habe ich nicht. Damit waren die Weichen gestellt. Ich hätte natürlich die T-Nut auch durch Aufkleben entsprechender gefälzter Leisten auf die Schubladenaußenseiten erreichen und damit die Eleganzbedingungen etwas besser erfüllen können; allein das Nachschleifen und Nacharbeiten an der sperrigen Schublade schien mir auch nicht erstrebenswert. So habe ich den Weg eingeschlagen, der mir am sichersten und (unter den gegebenen Umständen) bequemsten erschien. Ich konnte jeden einzelnen Auszug für sich leichtgängig machen (schleifen) und dann einbauen. Ich habe Silikonspray genommen zur Verbesserung der Gleitfähigkeit. An Silbergleit habe ich nicht gedacht, hätte ich auch gehabt. Was an Deiner Ausführung natürlich schön ist, bei meiner aber nicht geht, ist das Rausdrehen der Madenschraube, um die Schublade rauszunehmen. Die zwei Griffe an den Schubladen zum Rausziehen sind als Griffmulden bereits realisiert. Mal sehen, wie sich das ganze in der Praxis bewährt. Angesichts der Preise für ordentliche Vollauszüge aus Stahl werde ich vielleicht doch noch nachdenklich?

Gruß, Walter



Franz Kessler
Beiträge: 2298
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Re: Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und kle

Beitrag von Franz Kessler »


Hallo Walter

Danke für Deine ehrliche Schilderung, so schlecht sieht es optisch eigentlich gar nicht aus, ich hab allerdings Deine Berichte mehrmals durchgelesen, als ich mitbekam wie schwierig Du es hattest mit Deinem Vorhaben, hab ich mir die Bilder auch nochmals etwas sorgfältiger angesehen.
Ich denke einen Grund für Deine Probleme auf dem einen Bild "das Ganze von hinten" zu erkennen, durch das Auflegen der Lade auf die innere Führung und durch das hinzukommen von sicherlich notwendigen Spiel, ergibt sich bei einigen Stellen ein Kippen und Schrägstellen.
Wäre es nicht von Vorteil, die Laden vom innen an die Führungen anzuschrauben, sicher es geht Dir Dein angestrebter Vorteil des Herausnehmens verloren, ein Versuch wäre es an einer Stelle mal wert.
Übrigens, Heiko hat mir mal vor einiger Zeit die Vorteile der Gratnut-Aufhängung erklärt, ich hab damals aus dem Bauch raus auch ähnlich wie Du reagiert, konnte allerdings nicht widersprechen, ich hab in diesen Dingen noch keine eigene Erfahrungen.
Trotzdem Walter, Du hast Dir eine Menge Arbeit gemacht und wie ich finde wie gewohnt sauber gearbeitet.

Gruß Franz



Heiko Rech
Beiträge: 2715
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und kle

Beitrag von Heiko Rech »


Hallo Walter,

deinen letzten Satz:

"Angesichts der Preise für ordentliche Vollauszüge aus Stahl werde ich vielleicht doch noch nachdenklich?"

verstehe ich nicht ganz. Was menst du damit? Meinst du dass der Aufwand für die selbstgemachen nicht lohnt?

Mit fragendem Gruß

Heiko


Walter Heil
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Re: Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und kle

Beitrag von Walter Heil »


Hallo Franz,

das war genau das Problem, vor dem ich "Angst" hatte: wenn ich die Schubladen an die Auszüge anschraube, habe ich KEIN Spiel mehr und dann klemmts, wenn's nicht ganz genau stimmt. Das Aufsetzen auf die Auszüge geht "zwanglos", da klemmt nichts. Die Auszüge zu machen, ist übrigens nicht problematisch und nicht viel Arbeit. Es gibt nur einen kleinen Trick: beim Leimen der "T-Nut" wird das Innenstück eingesetzt und die Leiste erhält zwei abgezwickte Stecknadeln; nach der Leimangabe wird die Leiste schwach an das Innenstück gedrückt, dann sachte auf das Führungsstück geklopft und gepresst, bis der Leim abgebunden hat. Man muss nur hinterher am Mittelstück etwas abschleifen, sonst klemmt's.

Gruß, Walter


Walter Heil
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Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Vollauszug aus Holz: zwischen klappern und kle

Beitrag von Walter Heil »


Hallo Heiko,

da ich nie vorhatte, Vollauszüge aus Holz zu bauen, aber jetzt doch auf seltsame Art dazu gekommen bin, das zu tun und ich außerdem Rentner bin und das Holz, das ich verbaue, längst bezahlt ist, aber Schubladenauszüge nach wie vor kaufen muss... Hier sind das fünf Stück, das macht so um 70-80€, bei meinem Schreibtisch waren's über 200€, die haben oder nicht haben...Wenn die Dinger funktionieren, werden's wohl doch nicht die letzten sein. Beim nächsten Mal probiere ich die elegantere Version.

Gruß, Walter



Heiko Rech
Beiträge: 2715
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

O.K. habe verstanden, wie du es meinst. *NM - Ohne Text*

Beitrag von Heiko Rech »




Franz Kessler
Beiträge: 2298
Registriert: Mi 27. Nov 2019, 21:09

Re: O.K. habe verstanden, wie du es meinst.

Beitrag von Franz Kessler »


Hallo Walter

Ich hab mir noch mal Deine Bilder angesehen, mir gehen da einige Gedanken durch den Kopf: Was würde passieren, wenn Du die T-Nut nur am äußeren Teil des Schiebestückes hättest und am inneren Bereich lediglich ein zylindrisches Eintauchen? In diesem Falle würde etwas mehr an Spiel nicht stören und das Schiebestück wäre trotzdem sicher außen gelagert.
Das soll nun kein Ratschlag für Dein vorliegendes Teil sein, sonder nur mal ein rum denken um diese Problematik, vielleicht liegt auch irgendwo der Hase im Pfeffer und ich hab irgend was nicht bedacht.
Walter, tut mir leid, die Sache mit den abgezwickten Stecknadeln hab nicht begriffen, ich könnte mir denken, dass Du die beiden Teile zueinander fixieren willst.

Gruß Franz



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