Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Das ganze Thema rund um die Holzbearbeitung wird hier diskutiert. Die Grenzen sind hier deutlich weiter gezogen als im Handwerkzeugforum. Wenn Du nicht sicher bist, wo Dein Beitrag hingehört, ist er wahrscheinlich hier am besten aufgehoben.
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Bernd
Beiträge: 94
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16
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Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von Bernd »


Jetzt hat es auch bei mir gekracht. Im „Drechselgeschäft“ bin ich ja noch ein absoluter Jungfuchs und noch lange nicht trocken hinter den Ohren. Aber dass einem Schalen um die Ohren fliegen können, habe ich zwar bei Euch hin und wieder gelesen, es aber nie so richtig nachvollziehen können. Ich habe die Dinger mit den unterschiedlichsten Formen und Kurven gedrechselt. Gehakt hat es nie. Ich dachte schon ich sei ein „Naturtalent“ in Bezug auf Schalen. Seit heute bin ich auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Mich hat es samt der Schale sauber gerissen. Wie, weiß ich auch nicht. Ich glaube ich möchte es die nächste Zeit auch gar nicht wissen. Die schon sehr dünnwandige gedrechselte Schale ist in viele Einzelteile zerrissen, die Gesichtsschutzhaube hat einen diagonalen Riss, die Deckenlampe gibt es nicht mehr, zumindest nicht in ihrer alten Form, dafür leuchtet an meinem Kopf eine wunderbare Beule. Es passierte beim allerletzten und feinstem Schnitt. Liebe Leidensgenossen, jetzt verstehe ich Euch ! Bin ich jetzt im Club ?
Morgen werde ich mich nochmals für 5 bis 10 Minuten an die Maschine wagen um ja keine Angst vor der Maschine aufkommen zu lassen.
Es grüßt mit Beule und weichen Knien
Bernd

Thomas Wagner
Beiträge: 22
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Re: Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von Thomas Wagner »


Hallo Bernd,

sowas kann passieren, das hat aber nichts mit Unfähigkeit oder Nichtkönnen zu tun. Das gehört zu den Erfahrungen die man zwangsläufig machen muss halt bei manchen mit dazu. Wichtig ist, und das wirst Du schon selbst mitbekommen haben, dass man immer einen Vollgesichtsschutz (Schutzbrille alleine zwecklos) trägt, um wenigstens körperliche Schäden so gering wie möglich zu halten. Was ist schon eine zerstörte Deckenlampe gegen ein Augenlicht oder ähnliches.

Einfach das nächste Mal vorsichtiger sein, aber niemals Angst aufkommen lassen, sonst wird das gar nichts mehr.

Viel Glück weiterhin und alles Gute,

Gruss, Thomas

reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von reinhold »


hallo Bernd !
welcome to the club !
mit mitfühlenden Grüssen
reinhold

Dieter Macher

Re: Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von Dieter Macher »

[In Antwort auf #9239]
Hallo Bernd,

Auch von mir ein herzliches " Willkommen im Club"- und ein " Aufnahmeprüfung erfolgreich absolviert" gleich noch hinterher.
Richtig ist dein Gang am Mittwoch - gleich wieder an die Maschine.
Bei meinem ersten " Platzer" haben mir auch die Knie gezittert - und nicht nur für fünf Minuten. Heute erschrecke ich mich zwar immer noch sehr, habe mir aber eingebläut und "antrainiert", nach einem kurzen " rund-um-Gesundheits-und Blutflecken-Check" sofort weiter zu arbeiten. ( Auch "ducke" ich mich mittlerweilen wesentlich schneller weg, als am Anfang....- auch eine Art von
" Reflex-Training ").
Tipp: Wenn Du schon eine neue Deckellampe aufhängen musst, nehm´ne massive und hänge sie außerhalb der " Hauptflugschneisse " von Schalentrümmern.

Gruss Dieter M.

Bernd
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Re: Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von Bernd »


Danke Dieter für die aufmunternden Worte. Natürlich habe ich mich heute der Maschine wieder genähert. Sie hatte ja keine Schuld, der Tollpatsch stand vor ihr.An eine Schale jedoch habe ich mich noch nicht wieder gewagt. Zumal ich feststellen mußte, daß eine Fensterscheibe auch etwas abbekommen hat. Ich habe mich dann mit der Herstellung von „Holzobst“ beschäftigt. Hätte so ein Ding das Fliegen gelernt und ich es an den Kopf bekommen, wäre sicherlich Fallobst noch dazu gekommen.
Gruß
Bernd

Neunteufel Wilhelm

Re: Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von Neunteufel Wilhelm »

[In Antwort auf #9239]
Hallo Bernd,
Wenn ich Deinen Beitrag so lese werde ich zu einem bessseren Menschen und werde ab Ende dieses Beitrages nicht mehr soviel über die Firma Holzprofi schimpfen, denn sie hat mir wahrscheinlich meine Gesundheit oder gar das Leben gerettet indem sie mir eine unbrauchbare Drechselmaschine verkauft hat, die ich nach ca. 10 min Einsatz wieder dem edlen Verkäufer zurückgebracht habe. Für mich kommt nurmehr eine Hapfo CNC Maschine in Frage, denn da kann man aus sicherer Entfernung das Geschehen boebachten.
Viel Glück und Gesundheit bei Deinen weiteren Drechselaktivitäten wünscht Dir
Willi

Bernd
Beiträge: 94
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16
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Re: Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von Bernd »


Hallo Wilhelm !

Zu Deiner Maschine kann ich natürlich nichts sagen. Ich kenne sie nicht.
Bei mir hatte dieser Unfall definitiv nichts mir der Maschine, sonder ausschließlich etwas mit mir selbst zu tun. Natürlich saß mir der Schrecken ganz schön in den Knochen, bisher war ja noch nie etwas beim Drechseln passiert. Damit das in Zukunft auch wieder so wird, habe ich mir gestern einen Stuhl genommen und mich mit einer Tasse Tee vor die Maschine gesetzt und nachgedacht wie das wohl geschehen konnte. Nach einer gewissen Zeit war mir die Sache absolut klar. 1. Bin ich mit „dickem Hals“ in meine Werkstatt gegangen. Ich hatte mich über etwas geärgert und konnte diesen Ärger nicht draußen lassen. 2. War ich in meiner Zeit relativ knapp. Ich wollte mir unbedingt eine Sendung im Fernsehen anschauen. 3. War das Arbeitsfeld nicht optimal. Die Kreissäge stand mir zu nahe im Rücken und zwei Bretter lagen auch noch auf dem Boden. Ein Zustand der sonst nie der Fall ist. 4. Hatte ich die falsche Brille auf der Nase, Latschen statt richtige Schuhe an und war zu faul dies zu ändern. All diese Umstände wurden von mir produziert, nicht von der Maschine und sind zweifelsfrei der Auslöser für die „fliegende Schale“. Bei der Schutzbekleidung habe ich nicht geschludert , das war gut und ist bei allen Arbeiten für mich auch oberstes Gebot. Die Beule am Kopf ist entweder durch ein fliegendes Teilstück der Schale über die Decke (Einfall- gleich Ausfallwinkel) entstanden, eher aber durch die Drechselröhre. Welche ich mir in Abwehrhaltung beim Zurückweichen vermutlich selbst über den Schädel gezogen habe. Dafür sprächen die zwei dunkleren Streifen in ihrer Mitte. Fazit: Bernd geht nicht mehr mit einem „dicken Hals“ in die Werkstatt, räumt vorher sein Arbeitsumfeld sorgfältig auf, läßt sich durch nichts hetzen, sorgt dafür, daß er die richtige Brille auf der Nase und die richtigen Schuhe an den Füßen hat. Wenn er das nicht in allen Punkten sicherstellen kann, macht er auf dem Absatz kehrt und hört, statt zu drechseln, zur Abwechslung mal Musik. Bisher habe ich 26 Schalen, 9 Becher, 14 Dosen, diverse Kreisel und viele andere Dinge unfallfrei gedrechselt, warum soll das in Zukunft nicht weiter so sein. Nicht die Maschine, das Spannwerkzeug oder die Röhre war schuld, sondern ausschließlich ich selbst. CNC- Maschinen sind sicherlich etwas schönen, mir würde aber der direkte Kontakt mit dem Werkstück fehlen und ich hätte immer das Gefühl ein industrielles Werk geschaffen zu haben.Bei der Herstellung von identischen Serien könnte ich mir jedoch den Einsatz eine CNC- Maschine vorstellen.Das ist natürlich meine ganz persönliche Ansicht und nicht übertragbar auf Deine oder andere Anschauungen.
Es grüßt
Bernd, der heute noch einmal Musik hört.

wilhelm neunteufel

Re: Der "Drechsler" und die fliegende Schale.

Beitrag von wilhelm neunteufel »


Hallo Bernd,
sehr wichtige Dinge hast Du hier angesprochen die nicht nur für das Drechseln gelten, Du hast absolut recht es ist nie die Maschine schuld. Das mit der CNC Maschine war eher scherzhaft gemeint, das das Gerät etwas zu teuer und zu gross ist. Leider sind die normalen Drehmaschinen von Hapfo schon weit ausser meiner finanziellen Möglichkeiten, zB.: habe ich mal ausgerechnet würde eine Maschine mit Kopiereinrichtung und Kannelierfräse und dem nötigen Zubehör ca. € 20.000.- kosten.... also weiterträumen.
Gruss
Willi

Dieter Macher

Re: Der "Drechsler" , fliegende Schalen & Umfeld

Beitrag von Dieter Macher »


Hallo Bernd,

Du hast ( meiner Erfahrung nach ) die klassischen Bedingungen geschildert, unter denen man besser nicht an die Drehbank gehen sollte.
Das mit der unaufgeräumten W-statt geht vielleicht noch, aber "künstlicher Zeitdruck" und " ein dicker Hals " sind fast schon Garanten für eine Haverie.
Die schönsten Stücke entstehen bei mir, wenn ich " frei im Kopf "bin - wenn also nix drin is! ( kein schlechtes Gedankengutz.B. )
Wut im Bauch und Ärger im Kopf ergab bisher immer Platzer und Knaller - ebnso nur eine 100tsel Sekunde Unaufmerksamkeit oder ein "Gedankensprung".

Seh´s aber nicht gar so eng - passieren kann immer wieder was, man kann nur die Risiken auf ein Minimum beschränken.

Gruß

Dieter M.

( Und nehm´jetzt besser den Kopfhörer ab und den Meißel in die Hand - zwecks
"Angstabau" usw.......)

Volker Hansen
Beiträge: 741
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Der "Drechsler" , fliegende Schalen & Umfeld

Beitrag von Volker Hansen »


Hallo Bernd, genau wie Dieter es bereits geschildert hat, ist ein Zustand von Zeitdruck und Frust die Ursache für die meisten Unfälle. Gefruste oder mal eben schnell sollte man keine Maschine anlassen. Manchmal kann da der beste Schutzengel nicht mehr eingreifen. Wenn man Glück hat merkt man nur den Luftzug vom Sägeblatt und fraft sich was dieser Unsinn sollte! Ich mache dann nur noch einfache Tätigkeiten wie aufräumen und Tee trinken.........
Es gibt halt Tage die sind nicht fürs sägen, bzw Drechseln geschaffen.

Frohes und unfallfreies, Volker

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