Heissleim

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reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Heissleim

Beitrag von reinhold »


hallo,
hier ein kleiner, zugegebenermassen extremer Erfahrungsbericht.

Ich erhielt vor einiger Zeit ein paar alte Leimplatten (Heissleim, Haut- oder Knochenleim) aus einer alten Schreinerei. Der Schreiner hatte 1941, als er zum Krieg eingezogen wurde, den Leim neben einigen anderen Gegenständen im Keller versteckt. Erst Anfang 2004 wurde beim Ausräumen der Leim wieder entdeckt - er war äusserlich nicht sehr ansehnlich, auch verdreckt, zeigte einige Schimmelschäden, aber erstaunlich wenig bei der Feuchtigkeit im Keller. Ich wollte ihn nicht entsorgen, sondern dachte, dass er für die Papierverklebung von nassen Stammholzenden noch brauchbar sein könnte. Also weichte ich ihn ganz normal ein. Die Stücke wurden oberflächig sofort klebrig, aber weichten in einer Nacht nicht durch. Trotzdem beschloss ich, den Leim zu erhitzen. Ganz normal im Wasserbad. Nach 4-5 Stunden waren immer noch grosse, nicht aufgelöste Stücke vorhanden. Der Geruch war übrigens in Ordnung : wie Rindfleischbrühe. Über Nacht schaltete ich den Herd ab, am anderen Morgen wieder an. Insgesamt wurde der Leim über 12 Stunden gekocht ( durchweg zwischen 65 und 70 Grad - thermometer-kontrolliert), die Konsistenz eingestellt und spasseshalber ein paar Probeleimungen durchgeführt. Sie hielten einwandfrei und ich konnte keinen Unterschied zu normalem Leim feststellen. Im Leimglas sammelten sich unten ein paar Sandkörner an, die durch abfiltern mit einem Tuch beseitigt wurden. Eine kleine Messerspitze Ascorbinsäure als Konservierungsmittel wurde eingerührt und dann das Glas verschlossen. Es steht nun schon seit mehreren Wochen bei Zimmertemperatur in der Küche und hat noch keinen Schimmelbefall.

Frage : welcher andere Leim ist nach über 60 Jahren noch verwendungsfähig?

Weitere Hinweise zum Heissleim, darunter auch ein paar Fotos vom Leimkochen, findet Ihr auf der Seite http://members.aol.com/piptanto/heissleim.html

gruss
reinhold

Berthold Cremer
Beiträge: 726
Registriert: Mo 28. Mär 2016, 13:19
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Re: Heissleim

Beitrag von Berthold Cremer »


Hallo Reinhold!

Vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht (den auf deiner Webseite). Du hast mich überzeugt. Ich werde mich demnächst damit beschäftigen. Bisher hat mich die Prozedur des Aufwärmens im Wasserbad noch davon abgeschreckt.

Wäre es nicht möglich, einen Flaschenwärmer für Babyflaschen zum Aufwärmen des Leims zu nehmen?
Oder wird der Leim dann nicht heiß genug? Hat jemand damit schon Erfahrung?

Ein großer Vorteil des Knochenleims ist ja auch der günstige Preis, im Vergleich zu Weißleim.

Gruß
Berthold


Tibor Kund

Re: Heissleim

Beitrag von Tibor Kund »


Hallo Reinhold,

überzeugt, Danke!

Ich habe noch 2 Eimer 3D-Leim aus einem Glückskauf - aber trotzdem: ab ins ihhh-bähhh ...

Schöne Grüße
Tibor K.

Tibor Kund

Re: Heissleim

Beitrag von Tibor Kund »

[In Antwort auf #4091]
Hallo Reinhold,

eine zusätzliche Frage noch:
Ist es denkbar, versuchsweise, für den Anfang, einen 1,5 liter Simmertopf zum Leimkochen zu verwenden?

Dank und Gruß
Tibor K.

Ulrich Lanz
Beiträge: 613
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Heissleim

Beitrag von Ulrich Lanz »

[In Antwort auf #4151]
Habe gerade mal unseren ausrangierten Babyflaschenwärmer hervorgekramt und mit einem Joghurtthermometer die Temperatur auf höchster Thermostateinstellung gemessen: 67 Grad - müsste also eigentlich ideal für kleinere Leimmengen sein. Ich werd's bei Gelegenheit in der Praxis ausprobieren, muss mir aber erst mal Leim besorgen.

Viele Grüße

Uli Lanz

reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Heissleim

Beitrag von reinhold »


hallo Tibor,
Simmertopf ist prinzipiell schon richtig, aber 1,5 Liter scheint mir ein bisschen gross.
Und bitte kein Eisen - sonst ist der Leim im Eimer.
Die für mich einfachste Lösung ist ein Joghurt- oder Marmeladenglas in einem gewöhnlichen Topf mit etwas Wasser.
Gruss
reinhold

Rolf Schmid
Beiträge: 222
Registriert: Di 22. Dez 2020, 12:08

Lösen von Leimverbindungen

Beitrag von Rolf Schmid »


Hallo Reinhold, danke für den Bericht, ich habe schon öfters gehört, das man Heißleime wieder demontieren kann, aber wie habe ich mir das vorzustellen?
mit einem heißluftfön, welche Temperaturen muß ich denn erreichen...
gruesse
Rolf

reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Lösen von Leimverbindungen

Beitrag von reinhold »


hallo,
erwärmen ist sicher richtig, aber vorsichtig !!!
Kommt natürlich auf den Gegenstand an. Geigen und falsch verleimte Schubladen sind sicher unterschiedlich zu behandeln.
Das Auflegen warmer Kupfer- oder Messingstücke könnte ein Weg sein, wenn es ganz langsam und schonend sein soll.
Ich könnte mir auch ein feuchtes Tuch und das Bügeleisen vortellen - wenn es schneller gehen soll.

Ich habe bisher immer ein altes Kinderbügeleisen (trocken) verwendet. Man kriegt den Leim weich ohne das Holz zu verfärben.

Gruss
reinhold


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