"Landhaus / Kolonialstil"

Das ganze Thema rund um die Holzbearbeitung wird hier diskutiert. Die Grenzen sind hier deutlich weiter gezogen als im Handwerkzeugforum. Wenn Du nicht sicher bist, wo Dein Beitrag hingehört, ist er wahrscheinlich hier am besten aufgehoben.
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Gerhard
Beiträge: 2465
Registriert: Di 23. Okt 2018, 09:42

"Landhaus / Kolonialstil"

Beitrag von Gerhard »


Hallo zusammen,

ich war gerade ein paar Tage in Ägypten in einem wirklich schönen Hotel, das tatsächlich sehr liebevoll gebaut wurde. Also nur traditionelle Materialien wie Ziegel und Holz. Kein Beton, kein Stahl.

Zimmertüren, Fenster, Kleiderschranktüren waren alle relativ aufwendig aus Massivholz (Sah aus wie Fichte) gearbeitet. Zumindest teilweise in Handarbeit. Was mir gut gefallen hat war ein gewisser lässiger Umgang mit Maßhaltigkeit und rechten Winkeln. Also alles eher Pi mal Schnauze und dann irgendeine dicke dunkelbraune Pampe drauf. Wobei fröhlich kombiniert wurde: Von Zapfenverbindungen und Holznägeln bis zur Schnellbauschraube.

Irgendwie hat mir das Ergebnis gefallen. Ich habe das vor einiger Zeit mal selbst probiert: Eine Truhe sollte irgendwie ein "grobes" Aussehen bekommen.
Das ist mir nur in Teilen gelungen.

Hat das jemand von Euch mal probiert? Also bewußt vom Ziel möglichst genau zu arbeiten abzuweichen? Ich kann nicht über meinen Schatten springen. Wenn bei mir mal was nicht exakt wird hat das keinen Charme, dann sieht das nach Fehler aus.

Ich denke mal, das bestimmte Techniken was bringen. Hier waren das Kantenbearbeitung mit Schabhoblen (vermute ich mal), teilweise rauhere Oberflächen, durchgestemmte Zapfen und Holznägel. Vieleicht gibt´s ja ein gutes Buch zum Thema?

Viele Grüße,
Gerhard


joh. t.
Beiträge: 739
Registriert: Sa 25. Nov 2017, 13:35

Re: "Landhaus / Kolonialstil"

Beitrag von joh. t. »


hallo, es gibt in fine woodworking regelmäßig zum thema alterung fundierte beiträge. sonst mach es wie die franzosen. künstlich altern . mit hammer , laß deine kinder (klein) mit nägeln und schraubenzieher drauf los. dann wieder glattschleifen und oberflächen behandlung machen. holzwurmlöcher bekommst du am besten mit zahnarztbohrern hin. die bohren um die ecke. da sieht dann auch der experte nicht , das sie künstlich sind. zur krönung kommt ins loch noch ein bißchen holzstaub als holzwurmsägemehl. nun ist deine phantasie gefragt.........
viele grüße johannes

Till
Beiträge: 429
Registriert: Mo 23. Feb 2015, 23:04

Re: "Landhaus / Kolonialstil"

Beitrag von Till »


Ich finde vieles determiniert das Material mit dem man arbeitet.

Suchst du dir die schönsten Stückchen Zwetschge, Ebenholz und Palisander aus dem Lager, dann wirst du detailversessen daran arbeiten, so das dein Projekt nach ~2 Jahren auch mal fertig wird, und du über kleine Fehler und Macken noch Ewigkeiten philosophierst wie es denn besser zu machen gewesen wäre.

Zu einem "ägyptischen" Ansatz kommt man sicher eher, wenn man mit dem entsprechenden Ausgangsmaterial anfängt. Also Fichte z.B. nicht als teures Schnittholz, sondern als Bauware gekauft. Die hat eh Äste, Löcher, Risse und Gallen, wird sich werfen, und ist nicht besonders hart. Also gelingt eine perfektionistische Bearbeitung eh nicht. Das Ergebnis kann trotzdem gut sein. Auch interessant ist es Altholz aus Gebäudeabriss zu nutzen, Fachwerkscheunen geben da eine Menge guter Querschnitte her.

Walter Heil
Beiträge: 1425
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: "Landhaus / Kolonialstil"

Beitrag von Walter Heil »

[In Antwort auf #9762]
Hallo Gerhard,

ein Buch, das Ratschläge für Deine Absichten hat, kenne ich nicht, aber nach meiner Meinung kann man sowas erreichen, ohne offensichtlichen Pfusch zu bauen oder Mishandlungen vorzunehmen, wie sie Johannes in nicht ganz ernsthafter Weise hier vorgeschlagen hat. Als Stilmittel würde ich wählen:

- sichtbare Konstruktion der Verbindungen wie Zinken, Zapfen, Holznägel.

- diese nicht bündig schleifen, sondern etwas aus dem Holz vorstehen lassen.

- Oberflächen nicht mit 1000er Schleifpapier bearbeiten, sondern bürsten oder sogar sandstrahlen, allerdings hat das nur Charme bei Nadelholz mit gut ausgeprägten Jahresringen und unterschiedlicher Härte von Früh- und Spätholz.

- Holzauswahl: Nadelholz, astig, aber keine ausgefallenen Äste.

- Verbindungselemente wie Zinken oder Zapfen und Zapfenlöcher von Hand machen, die werden sowieso nie 100%ig.

Es gibt noch die, wie ich glaube, Unart, durch dunkle Wasserfarbe, die gleich wieder abgewischt wird und dadurch in den Kanten übrig bleibt und diese dunkler einfärbt, "Patina" zu erzeugen.

"Gebrauchsspuren" absichtlich zu erzeugen, ist, ich bleibe dabei, schlechter Geschmack. Und Pfusch ist kein Stilmittel, sondern Pfusch.

Gruß, Walter



Till
Beiträge: 429
Registriert: Mo 23. Feb 2015, 23:04

Re: "Landhaus / Kolonialstil"

Beitrag von Till »


Bürsten mag ich persönlich nicht, künstliches Altern auch nicht.

Mein Fichtentisch, 2 Jahre an hellem Ort zum Frühstücken und Gemüse Kleinschneiden, ohne Schneidbrett und Tischdecke benutzt, sieht aber schon recht natürlich gealtert aus. Oberfläche ist nur gehobelt und geölt.

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