Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Christian Cordonnier
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Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von Christian Cordonnier »


Schönen guten Abend,

ich möchte mir eine Gitarre zusammen basteln und denke aktuell über die Oberflächenbehandlung mit Öl (Oberseite Body in Pappel massiv, also recht hell). Vorgabe: naturbelassenes Behandlung und evt. dunkler als das Original - vlt so Richtung Nussbaum.

Nach allem was ich hier so gelesen wäre folgendes meine Wahl: Ein im Lebensmittelhandel erhältliches Nussöl (z.B. Walnussöl), da es gut austrocknet. Austrocknungszeit ist wohl relativ (hier wird 1-2 Wochen angegeben), aber das fände ich in Ordnung. Sikkative möchte ich nicht drin haben. Leider habe ich nicht eindeutig lesen können, ob jetzt eine kaltgepresste oder eine raffinierte Variante taugt, es soll halt nicht ranzig werden.

Walnussöl macht auch das Holz nicht dunkler (bzw. "feuert" es nicht), ich hätte aber gerne einen etwas dunkleren Ton. Was könntet ihr da als Möglichkeiten empfehlen? Wie gesagt, es soll naturbelassen werden, insofern kommen bspw. Fertigbeizen selbst auf Wasserbasis nicht in Betracht. Im WWW habe ich von Beizungen mit Kaffee / Schwarzem Tee gelesen, aber leider habe ich keine Informationen gefunden, ob die das nachträgliche Walnussölfinish gut überstehen.

Also zusammengefasst :):
- Walnuss öl kaltgepresst oder raffiniert, damit es nicht ranzig wird?
- Dunkleren Farbton wie herstellen? Naturbeize mit Kafffe / Schwarzem Tee oder anderen Alternativen?

Besten Dank & schöne Grüße,
Christian

PS: Der im Forum oftmals verlinkte Beitrag zum Thema Oberflächenbehandlung geht leider stets in Leere (http://www.woodworking.de/cgi-bin/wiki/wiki.pl?Oberflaechenbehandlung)


David
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Re: Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von David »


Hallo Christian,

ich würde auch Schellack in Erwägung ziehen, Öl wird nie eine wirklich glänzende Oberfläche erreichen wie es für Gitarren doch eher typisch ist. Schellack ist auch naturnah und lebensmittelecht. Den Farbton kannst du umfangreich über die Sorte einstellen Blonde, Lemon, Ruby, Garnet, ... und die Intensität mit der Schichtanzahl. Lässt sich auch kombinieren, z.B. erst Öl, dann Schellack.

Wenn du beim Öl bleiben willst, es gibt gereinigtes Walnussöl, das speziell für Oberflächenbehandlung gedacht ist. (Wenn du keinen Lieferanten findest, meld dich, dann schau ich nochmal wo ich das her hatte).

Dann ist Tungöl/Holzöl eine gute Option, etwas teurer, aber auch widerstandsfähiger.

Leinöl bietet sich sicherlich auch an, ist aber deutlich gelblich, gibt es auch gereinigt, dann hat es eher "nur" einen wärmenden Effekt auf den Ton. Du kannst eine Schicht Leinöl auftragen um die Maserung anzufeuern, dann mit Walnuss oder Tungöl weitermachen.

Zum Beizen, Walnussschalen (Van Dyck Kristalle) ergeben schnell einen recht dunkelbraunen Ton, wenn dir das zusagt.

Wenn du es übertreiben möchtest, kannst du aus Öl und Harz Lacke kochen wie sie es für Streichinstrumente machen, aber das ist sehr sehr aufwändig, nicht ungefährlich (Feuer) und ich weiß nicht ob man ganz ohne Lösungsmittel (ggf. Zitrusterpene) auskommt.

Viele Grüße,
David

Christian Cordonnier
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Re: Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von Christian Cordonnier »


Hallo David,

vielen Dank für deine Rückmeldung.

Es soll keine glänzende Oberfläche geben, daher hatte ich Schellack ausgeschlossen. Zu Leinöl hatte ich Beispiele im Netz gesehen (vorher/nachher), da sagte mir die auch von dir genannte gelbliche Tönung gar nicht zu, die Trocknungszeit soll zudem echt extrem sein und Tungöl ist halt giftig. Klar, ich will es nicht essen, aber mit Kleinkind im Haus und vielleicht auch mal Hautkontakt zur Oberfläche: muss nicht sein. Kanns natürlich nicht einschätzen, ob überhaupt relevant, aber grundsätzlich hört sich alles mit "giftig" erstmal nicht gut an.

Gereinigtes Walnussöl:
Tatsächlich habe ich dazu nichts per Google gefunden. Inwieweit ist das anders als die im Lebensmittelhandel erhältlichen Varianten?

Van Dyck Kristalle:
sehr interessant, findet man aber auch nicht viel zu und scheint v.a. in USA verbreitet zu sein. Leider erfährt man da auch nichts über weitere Inhaltsstoffe, müsste man am besten selbst anrühren :). Ist Pappel eigentlich sehr gerbstoffhaltig, dann solls ja mit eher schwarz werden. Ich weiss jetzt nur, dass Pappelrinde gerbstoffhaltig ist, aber das Holz *hmmm*? Und weisst du, wie es sich nach der "Färbung" mit einölen verhält? Oder ist das dann eine klassische Beize, die sich von Öl überhaupt nicht beindrucken lässt?

Besten Dank & schöne Grüße,
Christian

Ulrich Leimer
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Re: Ölfinish Gitarrenbody - Naturbelassen

Beitrag von Ulrich Leimer »


Hallo Christian,

sind ja doch einige Einschränkungen, die dir da einfallen. Vielleicht versuchst du ja doch mal mit schellack, weil der meiner Meinung nach viele Vorteile mitbringt. Er ist u.a. bei Schokodragees drumrum, also sogar essbar in gewissen Mengen.
Zweitens läßt er sich bei Fehlgang restlos entfernen, mit Alkohol, und wenn das nicht reicht, plus ein wenig Ammoniak.
Wenn man diese hochglänzende Oberfläche nicht haben will, kann man die Lackschicht matt bürsten. Wenn alles richtig gut getrocknet ist (ich geh davon aus, dass du beim ersten mal sowieso keine absolut gleichmäßig hochglänzende,
spiegelglatte Oberfläche hinkriegst ;-)) die Fläche mit ein wenig Bimsmehl bestreuen und dann mit einer weichen Bürste in Maserrichtung hin und her, bis die Oberfläche gut gebrochen ist.
(Hat man übrigens auch früher bei sehr hochwertigen Möbeln gemacht.) Schellack kann sehr gut mit einer zuvor mit Öl angefeuerten Oberfläche, und außerdem kriegst du Holz mit Öl alleine niemals so glatt, als wenn vorher ein dünner
schellackauftrag nach dem Durchtrocknen nochmal geschliffen wird.
Es sei denn, du hast dich in das Walnußöl jetzt schon so verliebt, da hilft das dann auch nix.

Gruß Uli

David
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Re: Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von David »


Hallo Christian,

wo hast du denn gelesen dass Tungöl giftig sei (kannst ja mal Sicherheitsdatenblätter z.B. bei Kremer sichten)? Das ist so unbedenklich wie Leinöl oder Walnussöl.

Gereinigtes Leinöl (z.B. Lackleinöl bei Streichgut) oder Walnussöl (auch dort) hat meines Wissens weniger Schwebstoffe, also Restproteine und ähnliches, was für die Oberflächenbehandlung nicht benötigt wird. Das Ergebnis ist eine klarere und hellere Oberfläche die weniger Anfällig für Pilzbefall sein soll.

Trockenzeiten musst du in Kauf nehmen, wenn du keine Sikkative verwenden möchtest, geht halt nicht beides. Sind dann eben nochmal ein paar Wochen, was aber bei üblichen Projektdauern von Einzelanfertigungen mMn nicht ganz so sehr ins Gewicht fällt.

Van Dyck Kristalle sind im Grunde einfach getrocknete Wallnusshüllen (also die grüne Hülle um die eigentliche Nussschale herum), wenn man das an die Finger bekommt färbt das sie dunkel. Ich habe die von Liberon gekauft, gibt es auch bei Kremer in kleineren Mengen. Der Farbton dürfte dann schnell in Richtung Walnuss gehen, probier's doch mal auf einem Reststück aus.

Weitere naturnahe Einfärbung kannst du mit Essig und Stahlwolle erreichen, Eiche lässt sich damit nahezu schwarz färben. Ich weiß nicht wie gut das bei Pappel funktioniert, du kannst das Holz aber mit einem "Tee" aus Eichenholz oder -rinde behandeln abwechselnd mit der Essig-Eisenlösung. Beispiel hier das Untergestellt ist Eiche auf diese Weise behandelt: https://www.theenglishwoodworker.com/the-side-table-bridle-guides/

Über beide Beizen kannst du dann recht problemlos mit Ölen arbeiten.

Es dürfte auch möglich sein in den genannten Ölen natürliche Pigmente einzubringen und so eine Lasur zu erreichen. Damit habe ich aber keine praktische Erfahrung.

Beste Grüße,
David

Christian Cordonnier
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Re: Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von Christian Cordonnier »


Hallo Uli & David,

ihr habt tolle Ideen, danke.

Schellack nachträglich wieder einmatten find ich zwar ein bißchen wie von hinten durch die Brust ins Auge, da das ganze Projekt aber das Prädikat "Bastelei" aufgedrückt bekommt, habe ich nichts gegen ein paar Versuche. Ebenso der Hinweis auf Essig&Stahlwolle (die Stahlwolle kann ich dann ja wieder zum einmatten vom Schellack nehmen *scherz*). Hatte im WWW aber zwiegespältige Berichte gelesen: einige behaupten, Ihre Holzstücke hätten dann noch ewig nach Essig gestunken, aber auf einem Probestück werd ich es dann selbst rausfinden.

Daher noch eine Kernfrage: kann ich rein zum Test der Oberflächenbehandlung auch Pappel-Sperrholz verwenden? Also käme es dann in etwas auf das gleiche Ergebnis wie bei meiner Pappel-Massivholzdecke?
Hab da leider keine Ahnung. Ich würde beides gleich "vorbehandeln", sprich schleifen&wässern etc.. Das Sperrholz bekommt man halt überall.

@David: Tungöl und dessen "Giftigkeit" (oder sachlicher formuliert) bzw. Bedenklichkeit hatte ich mehrmals im Netz gelesen. Habe mir jedoch leider nicht die Links gespeichert, nachdem ich es für mich deswegen ausgeschlossen hatte. Beim Tungöl von Kremer (https://www.kremer-pigmente.com/de/tungoel-73900.html) sind ein paar Sicherheitshinweise auf der Flasche, daher muss es schon in irgendeiner Weise bedenklich sein. Ich bin kein Öko-Papst, aber für diese Bastelei solls halt (soweit möglich) bedenkenlos werden ;).

Wenns kein komplettes Desaster wird, kann ich ja mal das Ergebnis präsentieren.

Besten Dank & schönen Abend,
Christian

Rüdiger
Beiträge: 124
Registriert: Mi 16. Jun 2021, 12:17

Re: Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von Rüdiger »


Beim Tungöl von Kremer (https://www.kremer-pigmente.com/de/tungoel-73900.html) sind ein paar Sicherheitshinweise auf der Flasche, daher muss es schon in irgendeiner Weise bedenklich sein. Ich bin kein Öko-Papst, aber für diese Bastelei solls halt (soweit möglich) bedenkenlos werden ;).

Na ja, das Sicherheitsdatenblatt ist schon recht beruhigend: https://www.kremer-pigmente.com/media/pdf/73900_SHD.pdf
Keine toxikologischen Hinweise.

Bernd Grunwald
Beiträge: 472
Registriert: Mi 5. Sep 2018, 14:21

Re: Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von Bernd Grunwald »

[In Antwort auf #154202]
Hallo Christian,

du schreibst:
Walnussöl macht auch das Holz nicht dunkler (bzw. "feuert" es nicht),


Dazu kann ich sagen, dass ich andere Erfahrungen gemacht habe. Meiner Meinung nach macht Walnussöl das Holz sehr wohl dunkler (und feuert es gut an).
Wenn du dir meinen Beitrag "Tasse aus Holz" anschaust und das erste Foto mit dem letzten Foto vergleichst, kannst du sehr schön den Unterschied vor und nach der Ölbehandlung sehen. Um diese Wirkung zu erzielen, muss man den Ölauftrag allerdings mehrfach wiederholen (bis das Holz richtig "satt" ist und kein Öl mehr aufnimmt).

Übrigens, das Walnussöl, das ich verwendet habe, nennt sich "Brändle Vita Walnussöl geröstet". Steht so auf der Flasche drauf. Ich mache mit dieser Information keine Werbung, es ist einfach das Öl, das in meiner Küche auch verwendet wird. Keine Ahnung, ob es kalt gepresst oder raffiniert wurde. Brändle betreibt allerdings eine Ölmühle. Deshalb denke ich, dass es ein gepresstes Öl ist.

Gruß
Bernd


Ulrich Leimer
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Registriert: Fr 11. Jan 2019, 10:43

Re: Ölfinish Gitarrenbody - Naturbelassen

Beitrag von Ulrich Leimer »


Hallo Christian,

auch wenn sich das so anfühlt wie ein "von hinten ...." ist es das nicht. Man macht ja die Fläche nicht erst glatt um sie dann stumpf zu machen, sondern nur durch diese Technik des "polierens" (der genaue Hergang führt hier sicher zu weit) werden
alle "Berge" abgetragen und alle "Täler" soweit aufgefüllt, dass eine wirklich plane Oberfläche entsteht.
Diese dann matt zu bürsten, ist also kein echter Umweg.

Gruß Uli

Christian Cordonnier
Beiträge: 7
Registriert: Sa 21. Nov 2020, 22:21

Re: Ölfinish Gitarrenbordy - Naturbelassen

Beitrag von Christian Cordonnier »

[In Antwort auf #154219]
Hallo Rüdiger,

danke - für dieses Projekt reichen mir allerdings die Warnhinweise auf der Flasche als Ausschlusskriterium. Ich werd bei der Nuss und Kaffee bleiben, dies aber erstmal ausgbiebig auf dem Holz testen.

VG
Christian

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