Schwalbenschwanzverbindungen anreissen *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Friedrich Kollenrott
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Schwalbenschwanzverbindungen anreissen *MIT BILD*

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Ihr Lieben, ich habe mal zusammengefasst wie ich das (nach aktuellem Stand) mache und hätte gern Meinungen dazu.

Wer Schwalbenschwanz- Verbindungen herstellen will, die gut und gleichmäßig aussehen, muss vor dem Griff zur Säge die Verbindung auslegen (die Maße festlegen) und anreissen. In Literatur und In-ternet sind dazu ehrwürdige, einigermaßen komplizierte geometrische Konstruktionen zu finden. Ich weiss nicht, ob irgendwer das wirklich so macht. Ich benutze einen Taschenrechner (hat ja wohl heute auch ein Tischler), einen guten Stechzirkel und einen selbst gebauten Schwalbenschwanzwinkel.

Die zuverbindenden Bretter („Schwalbenstück“ und „Zinkenstück“) müssen sauber und winklig vorgearbeitet sein und man muss darauf gut feine Bleistiftlinien ziehen und sehen können, auch auf dem Hirnholz. Bei dunklen Hölzern und Nadelhölzern kann ein Einreiben mit Kreide helfen.

Woran ich mich halte:
- Ich fange mit den Schwalben an, reisse die also am Schwalbenstück an, säge und steche sie aus und nehme dann die Zinken davon ab. Warum zuerst die Schwalben? Weil es oft möglich ist, die Schwal-ben an zwei Brettern gemeinsam zu sägen. Trotzdem geht „Zinken zuerst“ natürlich auch.

- Ich mache den Winkel der Schwalben immer mit 10°, also keine unterschiedlichen Winkel für Weich- und Hartholz.

- Ich mache nur ganze Schwalben. Das ist auch so üblich, aber gegen halbe Schwalben spricht technisch überhaupt nichts.

Bild 1: ganze und halbe Schwalben

Geometrische Merkmale der Schwalben und rechnerische Zusammenhänge

Bild 2. Geometrische Merkmale

Die Zinkenteilung setzt sich aus einer Schwalbenbreite und einer Lückenbreite (= Breite der Zinken, die in die Lücke passen) zusammen. Durch Variation der Aufteilung kann das Bild der Verbindung in weiten Grenzen geändert werden:

Bild 3: Aufteilung der Zinkenteilung

s* (s stern) ist der Zahlenwert, der mit der Teilung multipliziert die Schwalbenbreite ergibt.Ich finde es ansprechend, wenn Schwalben- und Lücken (= Zinken) einen ähnlich großen Querschnitt (sichtbare Fläche) haben. Dafür muss die Schwalbenbreite deutlich mehr als die halbe Teilung betragen, s* = 0,6 ist ein brauchbarer Wert, den ich auch beim folgenden Beispiel benutze. Diese Festlegung ist willkürlich und völlig unkritisch, aber man braucht eine Zahl, sonst kann man nicht rechnen.

Es geht los:
1: Grundline:

Als erstes wird am Schwalbenstück die Grundlinie angerissen, und zwar rundherum (vorn, hinten und auch über die Brettkanten). Ihr Abstand von der Hirnholzfläche wird die Höhe der Schwalben, sie soll im Normalfall (d.h. wenn man die Schwalben nach dem Verleimen bündig mit dem Zinkenstück hobeln will), 0,5 bis 1 mm größer sein als die Dicke des Zinkenstückes. Alle anderen Linien mache ich mit dem Bleistift, diese aber mit einem schneidenden Streichmaß. So kann beim Nachstechen des Grundes das Stecheisen die richtige Position fühlen.

2: Randabstand der Schwalben
Die erste und die letzte Schwalbe haben einen Abstand zum Rand der Hirnholzfläche, „Randabstand“ auf Bild 2. Dieser Abstand wird frei gewählt, z.B. etwa halbe Brettdicke, und als „Randlinien“ auf dem Hirnholz aufgezeichnet.

Bild 4: Schwalbenstück mit Grundlinie und Randlinien

3: Zahl der Schwalben, Aufteilung Schwalben- und Lückenbreite
Jetzt ist festzulegen: Wie viele Schwalben soll die Verbindung bekommen? Und wie breit sollen die Schwalben (bezogen auf die sich mit der Schwalbenzahl ergebende Teilung) werden? Beides muss man vorwählen um rechnen zu können.

Bild 5: Zur Berechnung der Zinkenteilung

Bild 5 zeigt: Für eine beliebige Schwalbenzahl n setzt sich der Abstand A zusammen aus (n-1) Teilungen und einer Schwalbenbreite:


Rechnung für ein Beispiel: (entspricht dem Muster auf den folgenden Fotos mit Brettbreite 124mm, Brettdicke 18mm)
Schwalbenzahl: auf eine Strecke die der 10- fachen Brettdicke entspricht passen etwa 8 Schwalben

Mit dieser Zinkenteilung passt alles ganz genau. Auf dieses Maß wird jetzt ein Stechzirkel eingestellt:

Bild 6: Stechzirkel auf 23,5 mm eingestellt

Mit dem Zirkel wird die Teilung, beginnend an der linken Randlinie, viermal abgetragen. Der Zirkel wird eingestochen, um 180° geschwenkt und wieder eingestochen usw. Jeder Einstich markiert den linken Rand einer Schwalbe.

Bild 7: Markieren der Zinkenteilung mit dem Zirkel (zur besseren Sichtbarkeit auf dem Foto sind die Einstiche mit einem Bleistift nachgearbeitet)
Der Abstand von vierten Einstich zur rechten Randlinie ist die Schwalbenbreite. Der Zirkel wird nun auf die so bestimmte Schwalbenbreite eingestellt.

Die linke Randlinie und die 4 Einstiche markieren jeweils den linken Rand der 5 Schwalben. Von dort aus wird jetzt jeweils nach rechts mit dem Zirkel die gefundene Schwalbenbreite abgetragen (Zirkel immer neu ansetzen). Und dann werden durch jeden Einstrich mit Bleistift und Winkel Querlinien gezogen:

Bild 8: Schwalbenstück mit allen Querlinien

Anschliessend werden die Schwalben fertig angerissen, mit einem Bleistift und meinem Schwalbenwinkel, nur auf einer Seite des Brettes:

Bild 9: fertig anreissen der Schwalben mit dem Schwalbenwinkel. Rechts: Detail am Winkel. Versatz zwischen den Querlinien auf dem Hirnholz und den Schrägen an der Seite ist leicht zu verneiden.


Bild 10: Schwalbenstück fertig für die Säge.

Grüße, Friedrich



Dirk_Holzarbeiter
Beiträge: 50
Registriert: Mi 17. Nov 2021, 12:19

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von Dirk_Holzarbeiter »


Vielen herzlichen Dank für deine ausführliche Nachricht.
Ich denke, dass ich mich an diese Ausführung halten kann, wenn ich meine erste derartige Verbindung herstelle.

Andreas Ranogajec
Beiträge: 582
Registriert: Do 16. Sep 2021, 02:04

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von Andreas Ranogajec »


Hallo Friedrich ,
grundsätzlich ist nix gegen deine Ausführungen einzuwenden, zumal du dein Vorgehen auch richtig gut begründet hast (Formel).
Persönlich finde ich Deine Schwalben zu klein im Verhältnis zu den Zinken. So kleine Schwalben würde ich vll. bei halbverdeckten
Zinken (Schubladen) verwenden. Ich bevorzuge vom Optischen eher die angelsächsische Variante mit großen Schwalben.
Schwalben zu Zinken mindestens 2:1, oder mehr...
Eine Gefahr bezüglich Ungenauigkeit sehe ich am Anreissen der Verhälnisse am Stirnholz, da kann man sich schnell verhaun.
Müßtest du nicht eine Zentrallinie anreissen, um die Zirkelweiten genauer zu übertragen??
Die Variante, die mir zusagt , ist mit dem Anreissen seitlich am Brett. Vorteile sind, dass man die Linien der Schwalben
besser sieht und damit genauer aufs Stirnholz übertragen kann und dass man einen 1. Eindruck vom Aussehen der Schwalben hat
und sie gegebenenfalls problemlos ändern kann.
Wenn man sich schon die Mühe macht, sollte eine Zinkenverbindung nicht nur funktional sein, sondern auch optisch was hermachen.
(...Was natürlich immer dem eigenen ästhetischen Empfinden entspricht- versteht sich!)
Beste Grüße Andreas



David
Beiträge: 142
Registriert: Di 22. Jun 2021, 11:31
Wohnort: Rhein-Sieg

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von David »

[In Antwort auf #151977]
Hallo Friedrich,

das sieht für mich plausibel aus, erscheint mir aber vielleicht etwas "ingenieursmäßig", ich denke Tischler haben früher sicherlich oft einfachere Techniken, bis hin zum freihändigen anzeichnen oder gar sägen verwendet. Keine Wertung dabei.

Bei den rechten Rändern der Schwalben, könntest du da nicht an der rechten Randlinie mit gleicher Zirkeleinstellung nach links wandern? Das sollte einmal Zirkel umstellen ersparen.

Eine andere Herangehensweise ist es, auf der Brettfläche eine Diagonale einzuzeichnen, die sich durch die Anzahl der gewünschten Schwalben teilen lässt. Darüber lassen sich die Mittelpunkte direkt markieren und auf die Hirnholzkante übertragen. Von dort aus kann man dann mit Zirkel oder Lineal die gewünschte (halbe) Breite nach rechts und links markieren. Paul Sellers teilt in einem Video seine Gedanken zur Proportionierung und zeigt genau diese Anzeichentechnik: https://www.youtube.com/watch?v=67OJXcEh4lQ (ab ca 4. Minute).

Schönen Gruß,
David

Micha P
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Registriert: Di 16. Jun 2020, 22:16

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von Micha P »

[In Antwort auf #151977]
Hallo Friedrich,

wieder mal eine sehr interessanter und begründeter Beitrag. Wir im Forum haben dir so viel zu verdanken!

Irgendwie findet wohl jeder irgendweann "seine" Zinkenmethode. Du machst nur ganze Schwalben - ich mach z.B. nur Schwalben mit den halben. Das stammt, wenn ich den deutschen Holzwerker-Papst Spannagel richtig verstanden habe von ihm. Er beschreibt auch die lehrmäßige Herangehensweise, bei der immer die halben und ganzen Schwalben entstehen.

Daran halte ich mich auch - und ich kombiniere diese Methode mit der "Opferholzmethode" von Paul Sellers. Hier muß man nicht so viel anreißen und spart m.E. Zeit.

Freihändige Zinkungen kann man auch herstellen (auch mit Opferholz) das mache ich in der Regel nur noch bei Schubläden, wobei der Aufwand für eine gleichmäßige Arbeit unsesentlich höher ist. Ich nutze auch für die Einteilung den Zirkel, habe aber für mich noch keine Formel herausgearbeitet - aber das werde ich für meine Zinkeneinteilung wohl mal angehen müssen. Das ist in jedem Falle effektiver, als die Herumprobiererei, bei der irgendwann so viele Einstiche auf dem Holz sind, dass ich nciht mehr weiß, wo ich eigentlich begonnen habe.

Warum in der Literatur die halbe-Variante gelehrt wurde und vielleicht auch noch wird, weiß ich nicht. Ist das nur Tradition? Ich habe diese Variante noch nicht hinterfragt und schließe mich dir an, dass es dafür keine technische Begründing gibt.

Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich muss für mich immer überlegen, wie ich anfange, um auf meine halbe Schwalbeneinteilung zu kommen. Mit ner Formel mußt du darüber nicht mehr nachdenken. Und die zu finden, ist kein Hexenwerk.

Dank dir Friedrich für den Diskussionsbeitrag

L.G Micha



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Thomas.M
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Registriert: So 3. Jan 2021, 20:57

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von Thomas.M »

[In Antwort auf #151977]
Moin,
Danke auch von mir für die sehr ausführliche Beschreibung. Ich müsste es mir nochmal ganz genau ansehen, damit ich die Variante bis ins letzte verstehe.
Ich für mich habe mit der Anleitung von den schreiner-seiten.de vor kurzem das Zinken gelernt. Ich überlege mir im Vorfeld immer, wie viele Zinken ich haben will und errdchne die Unterteilung dann mit der Formel. Das mit der Paralleverschiebung finde ich sehr einfach, schnell und genau. Die Zinken zeichne ich dann mit einer Schablone von Veritas. Da empfehlen sich die größeren Schablonen, weil man direkt beide Seiten der Zinken anzeichnen kann und nicht noch extra einen 90°-Winkel benötigt und zwischendurch absetzen muss.
Den Link kann ich mit dem Tablet aus irgendeinem Grund leider gerade nicht kopieren. Kann man aber googlen oder ich reoche ihn nach. Unter "genaue Zinkenteilung ohne komplizierte Rechenaufgaben" findet man die Methode auf YouTube sehr gut erklärt.
Besten Gruß Thomas

Konrad Holzkopp
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Registriert: Do 2. Nov 2017, 12:23

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von Konrad Holzkopp »


Guuden,

bei den halben Zinken kann man z.B. Schubkastenböden weiter unten
so einnuten, dass die Nut seitlich nicht sichtbar ist.

Gut Holz! Justus.

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Thomas.M
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Registriert: So 3. Jan 2021, 20:57

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von Thomas.M »


Ein ziemlich guter Einwand! Danke für den Tipp. Auf die Idee war ich noch gar nicht gekommen :-) Habe das jetzt immer (einmal) mittels eines letzten Stücks, dass ich auf Gehrung gesägt habe gemacht. Aber mit Zinken wird es natürlich viel hübscher.

Gruß Thomas

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Danke für die Beiträge!

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #151977]
ich werde am Mittwoch / Donnerstag ausführlicher antworten, bin bis dahin weg.
Friedrich

Michael Weisser
Beiträge: 90
Registriert: So 21. Feb 2021, 16:17

Re: Schwalbenschwanzverbindungen anreissen

Beitrag von Michael Weisser »

[In Antwort auf #151977]
Danke auch von mir für die ausführliche Beschreibung und zwei Anmerkungen.
Da wir hier im leisen Forum sind geht es ja um die Herstellung nur mit Handwerkzeugen. Mit einer Oberfräße und entsprechenden Schablonen lassen sich die Verbindungen sicherlich genauer herstellen. Was also bringt die Herstellung mit Handwerkzeugen (abgesehen vom Übern der Fertigkeiten, Spaß and der Sache, etc...)?... Man kann die Teilung individuell entwerfen. Schwalbenschwanzverbindungen sind was die Festigkeit der Verbindung angeht sicherlich in 99% der Fälle überdimensioniert. Also kann man an den Rändern die Zinken etwas enger und zur Mitte hin etwas weiter setzen. Hierdurch bleibt die Die Qualität der Verbindung erhalten und optisch ist die Verbindung individuell auf das Werkstück angepasst. Dadurch verbietet sich allerdings die Verwendung des Zirkels.
Ich persönlich fange immer mit den Zinken an (ich finde die Übertragung zu den Schwalben einfacher), aber wie Du schon schreibst ist das eher Geschmackssache. Zum Übertragen bin ich allerdings dazu übergegangen nur noch das Anreismesser (ich benutze zum Anreißen fast nur noch ein Kerbschnitzmesser). Bin dem Bleistift war ich nie so genau wie heutzutage mit dem Anreismesser.
viele Grüße

Michael

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