Weißleim vs. Knochenleim

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Walter Schneider

Weißleim vs. Knochenleim

Beitrag von Walter Schneider »


Hallo Holzwürmer,
mich würde interessieren, wie Ihr Eure handgesägten, -gehobelten, -gebohrten etc. Holzteile verleimt. Bisher habe ich Weißleim (Ponal) verwendet. Seit einiger Zeit gehe ich mit dem Gedanken schwanger, mir einen Pack Knochen(Glutin)leim zu besorgen, und zwar aus drei Gründen:
1. reizt mich die Assoziantionskette Neanderthaler>Handwerkszeug>alte Holzbearbeitungstechniken>alte Leimtechnik;
2. habe ich gelesen, daß wir viele alte Holzmöbel, Instrumente (Stradivari) u. ä. heute nicht mehr bewundern könnten, wenn die damals schon mit Weißleim gebaut worden wären, weil sich Knochenleim im Gegensatz zu Weißleim zu Restaurationszwecken wieder lösen läßt. Nicht daß ich die Hoffnung habe, daß jemand in 100 Jahren meine Erzeugnisse restaurieren will, aber der Gedanke hat etwas für sich.
3. sehe ich immer noch Vaters Knochenleimtopf vor Augen, und ich kann mich gut an den Geruch des warmen Leims erinnern.
Also, für Erfahrungen, Tricks und Tipps diesbezüglich wäre ich sehr dankbar.
Frohes Fest an Alle!
Walter

Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Bin an der gleichen Stelle !

Beitrag von Christof Hartge »


Hallo Walter,
mir geht es genauso wie dir, habe bisher auch nur Ponal benutzt und denke immer wieder mal daran Knochenleim zu verwenden.
Allerdings war es dann immer so, dass Verleimen eine eher seltene Tätigkeit bei klassischen Holzverbindungen ist. Da war mir das Thema einfach noch nicht wichtig genug. Bisher habe ich hauptsächlcih mit Schlitz und Zapfen, sowie mit Zinkungen gearbeitet. Die Zinkungen brauchen oft gar keinen Leim (Stabilsierung durch Rückwand oder Bügen) und Schlitz und Zapfen lassen sich auch sehr dekorativ durch Holznägel sichern.

Ein entscheidender Vorteil von Knochenleim, wenn du mal mit Eiche arbeiten solltest: Ponal färbt sich bei gerbsäurehaltigen Hölzern (Eiche) ganz häßlich schwarz, während Kochenleim nicht auf Gerbsäure reagiert.

Viele Grüße, Christof.

Wolfgang Jordan
Beiträge: 1348
Registriert: So 5. Jan 2014, 20:47
Kontaktdaten:

Re: Weißleim vs. Knochenleim

Beitrag von Wolfgang Jordan »


Hallo Walter,

ich habe bisher keine Erfahrung mit Knochenleim, habe auch noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht. Hast du dir aber überlegt, daß bei einem herumstehenden Leimtopf immer die Gefahr besteht, daß du dir einen Pumuckl einfängst? Naja, das kann ja auch ganz lustig sein. Aber wenn ich sehe, was der kleine Kerl immer für einen Unsinn im Kopf hat. Dann wirst du kaum noch zum Arbeiten kommen;-)

Gruß, Wolfgang

Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Weißleim vs. Knochenleim

Beitrag von Christian Aufreiter »


Hallo Wolfgang,

wenn ich mich nicht irre, hat Meister Eder immer schon Kaltleim verwendet. Ich bin ein recht aufmerksamer Pumuckel-Seher/Hörer, kann mich aber nicht erinnern, dass in Eders Werkstatt Knochenleim verwendet wurde.

Nur ein kleiner "Blödelbeitrag"

Herzliche Grüße

Christian

Dieter Schmid
Beiträge: 668
Registriert: Di 25. Sep 2018, 21:10
Kontaktdaten:

Re: Weißleim vs. Knochenleim

Beitrag von Dieter Schmid »


Kannte mal einen alten Tischler aus dem Allgäu, der hat das Zeug geschlürft und wohlige Laute mmmh... von sich gegeben

Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Weißleim vs. Knochenleim

Beitrag von Christian Aufreiter »


Dazu fällt mir folgende Erzählung ein, die ich vor einiger Zeit irgendwo aufgeschnappt habe: Ein Tischler, der gerne und viel getrunken hat, wurde angeblich dabei beobachtet, wie er den für Politur verwendeten Spiritus soff, seinen Kautabak auf die Politur spuckte und diesen einrieb. Angeblich waren die Polituren dieses Tischlers von einzigartiger Schönheit.

Christian

Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Bist du sicher

Beitrag von Christof Hartge »

[In Antwort auf #94018]
Wenn ich mich recht erinnere, handelt es sich um einen Leimtopf mit braun-gelblichen Rückständen. Das spräche für Knochenleim in Eders Werkstatt.

Viele Grüße, Christof.

Dieter Schmid
Beiträge: 668
Registriert: Di 25. Sep 2018, 21:10
Kontaktdaten:

Weißleim vs. Knochenleim/nun aber Ernst

Beitrag von Dieter Schmid »


Jedem Neandertaler, der seine Sache ernsthaft betreibt, würde ich dringend raten, die Erfahrung mit traditionellen Leimen zu machen. Der Weißleim hat bei vielen Projekten seine Existenzberechtigung, aber er überzieht die Leimfläche mit einer Kunststoffschicht, die meiner Vorstellung von Materialästhetik widerspricht.

Wenn man sich erst einmal durch die anfangs größere Vorbereitungszeit durchgearbeitet hat, macht das Arbeiten mit Knochenleim richtig Spaß.

Die Körner sollen über Nacht im Wasser eingeweicht werden. Die daraus entstehende zähflüssige Masse wird im Wasserbad erwärmt. Da kann man es sich einfach machen. Eine alte Konservendose mit Leim gefüllt in einem mit Wasser gefüllten Topf auf dem Herd (so eine kleine Kochstelle in der Werkstatt ist unverzichtbar) angewärmt, und schon kann man fast loslegen.

Aber es gibt eine kleine Tücke dabei: Kaum dem warmen Topf entnommen, geliert der zunächst flüssige Leim an der kühlern Luft auf dem kühleren Objekt sehr schnell. Es kann passieren, speziell bei einer etwas umfangreicheren Verleimung, daß durch das Gelieren (kommt von Gelee) der Leim so zäh geworden ist, daß man die Teile nicht mehr ganz zusammenzwingen kann. Fazit: Auch die zu verleimenden Teile müssen warm sein, um den Gelierprozeß zu verlangsamen.
Beim Verleimen von Furnier sind warme Zulagen erforderlich.

Man muß ja nicht den Aufwand treiben wie die Altvorderen in ihrer Werkstatt: Die Werkstatt wurde von einem Späneofen beheizt (sehr praktisch, ist man gleich den Abfall los), dessen Platte so um die 2 m² maß. Darauf warteten die Stücke zum Verleimen. Die so erwärmten Teile konnten dann in aller Ruhe verleimt werden. Eine kleine Heizplatte mit niedriger Temperatur tut es auch. Ich habe oft ein alten Bügeleisen mit der Platte nach oben fixiert, das war der Leimofen.

Der Vorteil, wie schon erwähnt wurde: die Verleimung war lösbar, hielt aber trotzdem weit über hundert Jahre, wie viele alte Möbel heute beweisen. Das Erstaunliche dabei ist auch die Regenerierbarkeit: Abgelöste Furniere können mit etwas zugesetzter Feuchtigkeit und dem Bügeleisen wieder angeleimt werden.

Wenn man mit einem sehr kostbaren Furnier arbeitet hat und die Verleimung vermurkst hat, kann man es wieder abmachen und wieder verwenden - undenkbar bei Weißleim.



Oliver Montue
Beiträge: 124
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Weißleim vs. Knochenleim/nun aber Er

Beitrag von Oliver Montue »


Ich habe selbst noch nicht mit Glutinleim gearbeitet. Wer es einmal ausprobieren möchte, kann dazu auch Haushalts-Gelatine nehmen. Jawohl, das ist auch Glutinleim. Glutinleim ist der Oberbegriff für Leime wie Hautleim, Knocheleim usw.. Wenn man keine Gelatine zuhause hat, kann man auch Gummibärchen nehmen. Das macht besonders Kinder Spaß. Wer es genauer wissen will, kann mal bei www.quarks.de nachschauen. Die hatten mal eine interessante Sendung über Kleber.

Bis dann,
Oliver

Walter Schneider

Re: Weißleim vs. Knochenleim

Beitrag von Walter Schneider »

[In Antwort auf #94014]
Hallo,

vielen Dank für Eure Beiträge, besonders für den ausführlichen Erfahrungsbericht von Dieter. Jetzt erinnere ich mich auch wieder an das Erwärmen der Teile. Dieses Wissen ging mir im Laufe der Jahre verloren. Ich habe mir vorgenommen, im Neuen Jahr ganz "neanderthalerisch" mit Glutinleim zu experimentieren, und werde über meine Erfahrungen ggf. berichten.

Ich wünsche allen einen guten Rutsch und viele Erfolgserlebnisse mit Handwerkszeug im Neuen Jahr

Walter

PS: Einen Pumuckl habe ich schon lange in meiner Werkstatt, Ihr nicht??? Ständig suche ich ein verstecktes Werkzeug, der Lackeimer fällt um, die Leimtube ist nicht verschlossen und deshalb ausgetrocknet, und manches Teil paßt trotz sorgfältigstem Ausmessen, Anreissen und Sägen nicht zu seinem Gegenstück. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich all den Blödsinn selbst produziere ; )



Antworten