Kommode restaurieren *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Waldemar2018
Beiträge: 1
Registriert: So 30. Dez 2018, 11:11

Kommode restaurieren *MIT BILD*

Beitrag von Waldemar2018 »


Hallo,

ich möchte eine Ankleidekommode restaurieren. Das Teil müsste aus der Zeit um ca. 1920 stammen und ist noch relativ gut erhalten. (kein Holzwurmbefall, keine Risse, Fehlteile etc.; lediglich an einer Schublade muss ein kleines Stück Furnier ersetzt werden)
Im Laufe der Jahre hat sich jedoch der Lack bereits teils zersetzt und ist ausgebleicht, verschrammt, so dass er komplett erneuert werden sollte, damit das Holz wieder zu Geltung kommt. (siehe Fotos; auf Bilder der eingelegten Marmorplatte und des Spiegel habe ich verzichtet)

Kann mir jemand Tipps geben, wie man am besten vorgeht und die Oberfläche behandelt? (mechanisch mit Ziehklinge und Abschleifen oder chemisch mit Lösungsmittel bzw. beides? Was kommt als „Ablöser“ in Frage?
Wie bearbeitet man die geschnitzten Ornamente in der Mitte der Türen bzw. bekommt diese sauber?

Zum Abschluss möchte ich eine Schellpackpolitur austragen.
Ich bin gerne für andere Tipps und weitere Empfehlungen / Ratschläge aufgeschlossen und dankbar.

MaxS
Beiträge: 1549
Registriert: Sa 21. Jun 2014, 02:52

Re: Kommode restaurieren

Beitrag von MaxS »


Hallo Waldemar,

nachdem ich im diesen Jahr auch einige alte Möbel überholen durfte und in weitere Restaurierungen involviert bin, kann ich aus der aktuellen Erfahrung am ehesten die mechanische Methode empfehlen. Allerdings hängt das am besten funktionierende Verfahren auch immer von der Art und vom Zustand der Beschichtung / des Lackes ab. Für Flächen gilt meiner / unserer Erfahrung nach: Den Großteil kann man ganz gut mit einer steifen Ziehklinge und/oder einem Hobeleisen (ungefähr rechtwinklig zur Oberfläche gehalten und in Faserrichtung unter Druck gezogen) entfernen, das geht mit großem Vorsprung am schnellsten und schont bei richtiger Handhabung das Grundmaterial. Danach folgen die Feinarbeiten mit Ziehklingen und ggf. auch Stemmeisen, um alle Kanten und Ecken sauber zu bekommen. Danach folgt der Schliff von Hand und maschinell.

Das geschnitzte Ornament dürfte so sehr zeitaufwändig zu bearbeiten sein - allerdings weiß ich nicht, ob es eine gute Alternative gibt. Ob Lösemittel zum Erfolg führen, sollte man an einer unauffälligen Stelle testen. Weißt du denn, was aktuell aufgebracht ist?

Viel Erfolg und Geduld - das Ergebnis wird die aufgebrachte Zeit belohnen!

Einen guten Rutsch,
Max

Andreas Ranogajec
Beiträge: 582
Registriert: Do 16. Sep 2021, 02:04

Re: Kommode restaurieren

Beitrag von Andreas Ranogajec »


Hallo Waldemar,
im Großen und Ganzen würde ich mich Maximillian in seiner Einschätzung anschließen, ausschließlich mit Ziehklingen und scharfen Hobeleisen den Lack
abzutragen. Vorsicht ist dabei höchstes Gebot, denn ich vermute ein dünnes Furnier, dass sehr schnell zerkratzt oder durch zu grobes Schleifpapier abgeschliffen
werden könnte, weshalb ich komplett auf (Elektro-) Schleifer verzichten würde. Flächenschleifen nicht unter 180er Körnung,... für die Leisten gibt es Schleifkissen,
die sich der Form anpassen, für die Schnitzereien würde ich Lacklöser nehmen und mit einer Zahnbürste scheuernd säubern.
Ich bin kein Schellackexperte, aber zur Schellackbehandlung gehört das Polieren und das ist nem Anfänger nicht anzuraten, zumal du die Seiten und Fronten
behandeln mußt und diese verleistet sind. Schellack ist ok bei Tischplatten und Stilmöbeln, die sachgerecht restauriert werden,...Bei deiner Kommode tippe ich eher
auf ein neueres Möbel, zu dem Schellack nicht passt. Ölen und Wachsen ist da ne gute Alternative, weil gute Öle das Furnier nochmal schön anfeuern. Wenn du
lackierte Rückwände vom Sperrmüll besorgen kannst, würde ich mich zuerst an diesen einarbeiten, weil du dann ein Gefühl für das Abziehen oder Abschleifen des
Lacks bekommst. Schnell ist ein Möbelstück versaut, wenn man zu schnell oder ungeübt sich daran zu schaffen macht. Mit Geduld und etwas Übung wirst du deine
Kommode wieder zu einem stattlichen Gebrauchsmöbel machen.
Wünsch dir Viel Erfolg dabei!


Michael Formanek
Beiträge: 340
Registriert: Di 27. Dez 2016, 18:58
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Re: Kommode restaurieren

Beitrag von Michael Formanek »

[In Antwort auf #150682]
Hallo Waldemar,

Ich kann meinen beiden Forumskollegen nur widersprechen. Ich würde auch nicht reflexartig von allen alten Möbeln den Lack abnehmen, aber das ist eine andere Sache.

Fachgerecht wäre, wenn der Lack unbedingt runter soll, auf jeden Fall eine Abnahme mit Lösungsmitteln. Da musst du zuerst das passende finden - in deinem Fall vermutlich Aceton oder eine Aceton-Ethanol-Mischung. Sollte derzeit wirklich Schellack oben sein, gehts vermutlich mit Ethanol - in dem Fall würde ich den Lack nur dünnen und nicht ganz abnehmen. Das erleichtert dir den Aufbau des neuen Überzugs.
Zum Vorgehen mit den Lösungsmitteln für den Heimgebrauch: gut geht die Abnahme oft wenn der Lack dünn ist mit Lösungsmittel und Scotch Brite grau (dem Feinsten), wenn der Lack dick ist, kannst du Küchenpapier bzw. Watte als getränkte Kompresse auflegen, mit Folie abdecken und warten bis der Lack weich ist. Dann mit flüssigem Lösungsmittel abnehmen. Beim Schnitzornamte gleich verfahren und evtl. Wattestäbchen zum Nachreinigen verwenden. Am besten mit Gasmaske oder Abzug arbeiten, die Lösungsmittel gehören zwar zu den weniger schädlichen, aber gesund sind sie natürlich auch nicht.
Mit dieser Methode wird nichts zerkratzt, kein Material abgetragen und zumindest weitgehend die gealterte Holzoberfläche erhalten. Schleifen würde ich auf jeden Fall garnicht. Auch bei der Ergänzung an der Lade drauf achten, dass das Holz rundherum nicht beschädigt wird. Sonst sieht man das nachher.
Die Oberfläche ist dann deine Sache.

Schöne Grüße, Michael


Rolf Richard
Beiträge: 3390
Registriert: Do 16. Mär 2017, 07:44
Kontaktdaten:

Re: Kommode restaurieren

Beitrag von Rolf Richard »

[In Antwort auf #150682]
Hallo Waldemar,

mein Rat: Such Dir einen professioanellen Betrieb, der das Möbel entlackt.

Alle Gute fürs Neue Jahr!
Rolf

Paul Reichert
Beiträge: 49
Registriert: Do 19. Jan 2017, 22:48

Re: Kommode restaurieren

Beitrag von Paul Reichert »


Hallo Michael,

schön, dass Du das geschrieben hast. Dachte das auch schon die ganze Zeit. War aber nicht so gut im Formulieren.
Für die Statistik: ich schließe mich Deiner Meinung uneingeschränkt an!

Viele Grüße
Paul

MaxS
Beiträge: 1549
Registriert: Sa 21. Jun 2014, 02:52

Re: Kommode restaurieren

Beitrag von MaxS »

[In Antwort auf #150687]
Hallo Michael,

auch ich hatte auf deine Antwort gehofft, weil du bei dem Thema wohl der kompetenteste Forenteilnehmer bist.
Ich gebe dir auch vollkommen Recht in Bezug darauf, dass man mit jeglicher mechanischen Behandlung eine bestehende Patina beschädigt oder zerstört; das dürfte in der professioneller Restaurierung wohl nicht unbedingt erwünscht sein. Um meine Empfehlung zur mechanischen Entfernung etwas zu erläutern, hätte ich vielleicht bereits bei meiner ersten Antwort ein paar mehr Informationen mitliefern sollen:
- Bei den besagten lackierten Möbeln zeigten Ethanol, Isopropanol, Aceton, Universal- und Nitroverdünnung keinen wirklichen Erfolg bei der Lösung der Lackschicht, das wurde vorher probiert.
- Nachdem der Lack äußerst spröde und teils sonnengeschädigt war, funktionierte das Abtragen der Schicht hervorragend. Das wurde natürlich ebenso an unauffälliger Stelle getestet.
- Der Schliff erfolgt erst ab K180, maschinell bedeutet Exzenterschleifer und teils Oszillierer (also Fein Multimaster). Alles andere ist viel zu grob.
- Die Möbel haben kulturhistorisch wohl keinen Wert, eher sentimentalen und wurden/werden deshalb wieder aufbereitet; teils auch etwas umgebaut. Der Zustand war teils gut, teils aber auch grenzwertig (Leim-, Furnierschäden, defekte Beschläge inkl. alter fehlgeschlagener Reparaturversuche, usw.). Ziel ist es, die Möbel wieder verwenden zu können, statt sie zu entsorgen.
- Als Oberfläche wird aktuell auch eine Schellackpolitur aufgetragen, allerdings nicht durch mich, sondern durch den, der die Möbel auch verwenden wird.

Zur Antwort auf die ursprüngliche Frage kann ich also nur ergänzen: Hör auf denjenigen, der da am meisten Ahnung hat - und das ist wohl unzweifelhaft Michael. Und: Immer Vorsicht walten lassen.

Um ein Gegenbeispiel zu radikalen Variante auch aufzuzeigen: Wenn der Lack noch in gutem Zustand ist, vielleicht sogar Schellack, dann muss man den keinesfalls abnehmen. Bei andere Möbeln (aus Zirbe), wurden nur die teils massiven Harzausblühungen entfernt, einige Schrauben nachgezogen oder ersetzt (natürlich mit Holzschrauben), die Schranktüren im Falz ein wenig nachgehobelt und damit gangbar gemacht und dann die Oberfläche mit einem Ballen Schellack aufgefrischt. Mehr war nicht nötig und hätte nur geschadet. Die Möbel, ein komplettes Schlafzimmer, sind wieder in Verwendung und bereiten den Benutzern täglich Freude.

Viele Grüße und ein gutes 2019,
Max

Heinz Kremers
Beiträge: 2764
Registriert: Mi 12. Aug 2015, 19:10

Re: Jeder nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten

Beitrag von Heinz Kremers »


Hallo Andreas,

neutral gesagt:
Es gibt viele Wege nach Rom.

Gruß
Heinz

der sich in der Materie wirklich nicht auskennt

Claus Keller
Beiträge: 346
Registriert: Mi 13. Aug 2014, 14:08

Re: Kommode restaurieren

Beitrag von Claus Keller »

[In Antwort auf #150687]
Sehr richtig! Möglichst nicht abziehen und bloß schleifen!

Waldemar, schau dir mal die sehr empfehlenswerten Filme auf diesem Kanal an: https://www.youtube.com/channel/UCQxjyDrWTixePHMwkpRIr3g

Der Mann weiß, wovon er spricht!

Gruß aus dem Neandertal von

Claus Keller



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