Alte Feilen zu Schwertern?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Volker Hennemann
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Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von Volker Hennemann »


Hallo "Forianer",

heute hatte ich die FWW (Fine Wood Working) im Briefkasten.
Dort wird auf Seite 24 bis 28 gezeigt, wie man aus einer alten, stumpfen Feile einen Beitel herstellen kann.
Ich habe mich sofort gefragt, ob der Stahl einer Feile für einen Beitel geeignet ist.
Müsste ich eine Einschätzung abgeben, hätte ich den Stahl als brüchiger eingeschätzt.
Das wäre aber eine rein subjektive Meinung, ohne entsprechender Erfahrungen gemacht zu haben.
Hat jemand von Euch schon mal so einen Versuch unternommen und an eine Feile eine Schneide für einen Beitel angeschliffen?
Wenn ja, wie ist eure Erfahrung.
Ist der Stahl für so eine "Werkzeug Neuausrichtung " geeignet?
Viele Grüße
Volker

Frank Zimmermann
Beiträge: 162
Registriert: Do 9. Jan 2020, 15:03

Re: Alte Feilen zu Schwertern? *MIT BILD*

Beitrag von Frank Zimmermann »


Hallo Volker,

das weckt Erinnerungen... Mein "Altmeister" (damals schon Mitte 80) hat aus alten Sägefeilen oder Dreikantfeilen bei Bedarf z.B. Abziehstähle für Ziehklingen hergestellt indem er sie auf der Bandschleifmaschine frei Hand glättete. Mir war das zu dem Zeitpunkt aus Unfallverhütungsgründen verboten...! Ob der Stahl von Feilen für Beitel oder ähnlichem zu spröde ist kann ich nicht sagen da ich mich in der Materie nicht weiter auskenne. Was mir aber noch einfällt ist, da war ein älterer Schlosser, der brachte alle paar Monate stumpfe Sägeblätter von einer elektrischen Metallbügelsäge, die wurden dann von dem Altmeister zu allem möglichem, wie Schnitzmessern, Profilhobelklingen, Schabern und Spachteln und anderem verarbeitet. Sowas feines konnte man damals nicht kaufen! Ein Schnitzmesser und einen Wachsspachtel müsste ich noch irgendwo haben.

Hier Bilder von einem mind. 45 Jahre altem Wachs- oder Kit-spachtel aus einem Metallsägeblatt, der Spachtel oder Spatel ist an der Spitze 0,3mm stark!







Beste Grüße
Frank

UweM
Beiträge: 272
Registriert: Mi 16. Mär 2016, 01:44

Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von UweM »


Moin Volker,

das scheint zu funktionieren, zumindest wenn man schmiedet.
Bei youtube gibt es einige Videos, wo aus alten Feilen Messer geschmiedet werden.
Durch anlassen(?) verliert der Stahl seine Brüchgkeit. Man mag mich bitte korrigieren,
mit dem Schmieden habe ich mich noch nicht so intensiv beschäftigt.

Ich kann mir vorstellen, das das auch geht wenn am Ende ein Beitel rauskommt.
Wäre auch mal ein Projekt für mich, leider habe ich alle alten Feilen vor ein paar Monaten entsorgt.

Wie wird das denn in dem Heft gemacht?

Viele Grüße
Uwe

Reinhold

Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von Reinhold »

[In Antwort auf #148328]
hallo Volker,

in alten Zeiten, also vor dem ersten Weltkrieg, war Stahl für Werkzeuge sehr teuer. Das Umarbeiten von Feilen war weit verbreitet. Wenn man alte (deutsche) Fachbücher aus dieser Zeit liest, stösst man immer wieder auf Hinweise, wie Feilen umgearbeitet werden können. Dabei nutzt man meist aus, dass Feilen eine sehr harte Oberfläche haben, innendrin aber eher weich sind.
Ich habe selbst schon alte Feilen umgeschliffen als Schaber fürs Drechseln. Sie sind gut. Allerdings nutzt man bei Schabern nicht die harte Oberfläche, sondern den weichen Kern der Feilen. Er ist genau richtig, um einen Grat anzuziehen, der beim Schabend-Drechseln die Schneidarbeit erledigt.
Jedoch warnen moderne Bücher davor, dass diese Feilenschaber brechen können und erhebliche Verletzungsgefahr für den Drechsler besteht. Also bitte nicht nachmachen!

In Amerika, von wo Fine Woodworking kommt, herrscht allerdings eine andere Selbermachermentalität. Geht vermutlich zurück auf die Zeiten, als die Siedler noch auf sich selbst angewiesen waren und sich mit dem behelfen mussten, was sie zur Hand hatten. Ich sehe heutzutage, wo selbst auf dem flachen Land in Amerika per Internet gute Werkzeuge schnell und preiswert besorgt werden können, keine Veranlassung mehr, aus Feilen Stechbeitel zu basteln. Ganz abgesehen davon, dass das Verhältnis von aufgewandter Zeit und Energie zum fertigen Stechbeitel in keinem Verhältnis steht zu den rund 25 $ , die ein guter 3/4'' Stechbeitel kostet.

viele Grüsse
reinhold

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #148328]
Hallo Volker,

da bin ich aber erleichtert, dass Du nicht wirklich mit Schwertern anfängst ;-)

Feilen sind sehr hart und entsprechend spröde, für ein Stecheisen sicher zu spröde. Anlassen würde helfen, aber wo man da als Laienspieler landet, weiss man nicht. Ich hab mir mal aus einer alten Feile (ohne Anlassen) einen provisorischen Meißel gemacht, ja, das ging. Vermutlich ist aber sein Kopf wegen Sprödigkeit splittergefährdet, ich würde das nicht empfehlen.

Das Umarbeiten einer Feile zu einem Ziehklingenstahl ist natürlich möglich. Hab ich auch schon gemacht, aber einen ordentlichen Grat konnte ich damit nur schwer herstellen (ein zylindrischer Stahl ist viel, viel besser). Ich glaube, die immer noch angebotenen dreikantigen Gratzieher sind einfach Nachbauten solcher Umarbeitungen.

Wenn man sich mal ansieht, für wie wenig man ein wirklich gutes Stecheisen bekommt: Es macht wirtschaftlich sicher keinen Sinn, den Eigenbau aus Feilen zu versuchen. Es sei denn, man kann schmieden und macht es gern. Es werden ja auch alte Blattfedern umgeschmiedet, warum nicht auch Feilen (ich bin sicher, dass die Hobbyschmiede das auch machen).

Ich werfe stumpfe Feilen weg. Getrennt, in den Metallschrott, selbstverständlich, wie jede Schraube auch.

Grüße, Friedrich

David
Beiträge: 142
Registriert: Di 22. Jun 2021, 11:31
Wohnort: Rhein-Sieg

Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von David »

[In Antwort auf #148328]
Im Grunde ist es nur eine Frage des Kohlenstoffgehalts und dann des Schmiedens, Härtens und Anlassens. Ich bin auch nicht vom Fach, das vorweg, habe aber ein paar erste Erfahrungen hiermit gemacht.

Feilen sind gehärtet, demnach bestehen sie aus einem härtbaren Stahl, enthalten also nach meinem Verständnis Kohlenstoff.

Wenn man die Feile durchglüht (nicht zu heiß, sonst verbrennt der Kohlenstoff) und langsam abkühlt, z.B. in einer warmen Esse oder in Sand (Stahl kann auch an der Luft härten) wird der Stahl bearbeitbar und man kann Messer oder Beitel daraus formen (schmieden und/oder schleifen).

Dann wieder erhitzen bis er nicht-magnetisch ist und in Öl (je nach Stahl auch Wasser) abschrecken.

Der Stahl ist dann so hart, dass er brüchig ist, daher muss er angelassen werden, entweder im Ofen bei 100-300° (beeinflusst die Endhärte, siehe z.B. für O1 Stahl: http://www.suministrosparacuchillos.com/Imag/O1-revenido.jpg) oder mit z.B. einem Gasbrenner erhitzen bis die Farbe der gewünschten Anlasstemperatur entspricht (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Härten_(Stahl)#/media/File:Anlaßfarben.jpg), dann ggf. zum fixieren in Wasser abkühlen.

Es gibt auf Youtube zahlreiche gute Videos zu dem Thema, auch über das Karbonisieren von Baustahl (case hardening), so dass man theoretisch auch diesen (mindestens oberflächlich) härten kann.

Spannendes Thema, aber als Holzwerker muss man sich wirklich fragen, ob man Zeit, Material und Gerätschaften nicht lieber spart und gutes Werkzeug neu kauft.

Schöne Grüße,
David

Georg aus'm Westen
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Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von Georg aus'm Westen »


Wenn man sich schon die Mühe macht, die Feile weich zu glühen, in der Form zu bearbeiten, wieder härtet und danach anlässt, dann kann man aus einer alten Feile auch eine neue machen. Oder eben eine handbehauene Raspel ;)
Dann würde ich beim Härten aber noch aufkohlen, das macht dann auch nichts mehr. Dass man alleine für die Heizkosten vermutlich mehrere neue Qualitätsfeilen erwerben kann, sei mal dahin gestellt.

Wenn man die die Zähigkeit und Brüchigkeit eines Stahls nicht sicher einschätzen kann, würde ich daraus aber nichts herstellen, auf dem mit großer Kraft geschlagen wird. Die Gefahr eines Bruches oder das Abplatzen von Splittern wäre mir zu groß. Ich entsinne mich noch an die versuchte Rückrufaktion einer Baumarktkette, die Billighämmer aus China verkauft hatte, bei denen wohl das Anlassen vergessen worden war. Es gab mehrere, teils schwere Unfälle mit geplatzten Hammerköpfen.
Es kann natürlich Spaß machen, sich sein eigenes Werkzeug zu bauen, aber bitte passt dabei auf eure Gesundheit auf und geht keine unnötigen Risiken ein.

Gruß, Georg

Hartmut H
Beiträge: 35
Registriert: Mo 19. Jun 2017, 12:45

Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von Hartmut H »

[In Antwort auf #148328]
Hallo,
gute Feilen sind in der Regel aus hochwertigem, niedrig legierten Kohlenstoffstahl mit hohem Kohlenstoffgehalt gemacht. Diesen kann man prima zu Schneidwerkzeugen umarbeiten. Im Messermacherbereich wird das gern gemacht. Allerdings sind Feilen auf eine hohe Härte und entsprechende Sprödigkeit eingestellt und daher nicht direkt für schlagende Bearbeitung geeignet. Außerdem würde ein unmittelbares Runterschleifen auf Beitelform mit hoher Wahrscheinlichkeit den Stahl überhitzen und daher in unkontrollierbarer Weise die Härte zerstören. Der korrekte Weg ist daher weichglühen oder umschmieden, in Form schleifen, neu härten, anlassen, schärfen.

Man kann durch das Anlassen den Stahl weicher und weniger spröde einstellen als bei der Feile. Man muss auch nicht genau wissen, um welchen Werkstoff es sich handelt, die niedriglegierten C-Stähle verhalten sich da ähnlich.

Aus meiner Sicht ein nettes Bastelprojekt, das aber wirtschaftlich angesichts der Preise ordentlicher Beitel natürlich keinen Sinn ergibt. Ich bin gerade dabei, mir aus einer alten geerbten Feile ein Küchenmesser zu fertigen. Das ist eine reine Fingerübung, mit Werkzeugstahl vom Händler wäre ich schneller und ohne Schmieden zum Ziel gekommen.

Viele Grüße
Hartmut

Horst Entenmann
Beiträge: 1156
Registriert: So 30. Mär 2014, 20:58

Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von Horst Entenmann »

[In Antwort auf #148333]
Hallo David,

Meines Wissens bestehen Feilen aus einem sehr gering legierten Stahl, mit ziemlich viel Kohlenstoff. Feilen brechen ziemlich leicht. Aus Sicherheitsgründen (so habe ich mal gelernt) wird die Angel in einem Bleibad (heute wohl eher Zinn) angelassen.
Zu den von Friedrich erwähnten Blattfedern hätte ich wesentlich mehr Vertrauen...

Gruß Horst

Carsten Rödiger
Beiträge: 139
Registriert: Fr 26. Okt 2018, 16:39

Re: Alte Feilen zu Schwertern?

Beitrag von Carsten Rödiger »

[In Antwort auf #148335]
Hallo,

was noch ganz wichtig ist: vor dem Weiterverarbeiten den gasammten Feilenhieb runterzuschleifen!
Man bekommt die kleinen Zähne nie in das Metall "reingeschmiedet", und später wundert man sich über unerklärbare Ausbrüche.
Man muß eine Feile, um sie anderwertig nutzbar zu machen, nicht weichglühen-härten-anlassen, man kann sie auch gleich nur anlassen, dann ist sie auch brauchbar.
Aber nur ohne Zähne.
Es gibt aber auch Werkzeuge, bei denen sich das Selbermachen nicht nur lohnt, sondern wo es manchmal der Einzige Weg ist, z.B. beim Gewindedrechseln.
Aus einer weichgeglühten Flachfeile mit einer Dreikantfeile (60°) einen 1mm (metrisch!) Gewindestrehler zu feilen, egal ob "Außen" oder "Innen", ihn zu härten, anlzuassen und zu schärfen, ist nicht so schwierig.

Gruß,

Carsten

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