Bau eines Innenfensters Teil 1 *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Johann Daniel
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Registriert: Di 19. Feb 2013, 19:58

Bau eines Innenfensters Teil 1 *MIT BILD*

Beitrag von Johann Daniel »


Die Motivation und das Sägen

Liebe Holzwerker!

Man muss nicht verrückt sein, um ausschliesslich mit Handwerkzeugen ein Fenster, in diesem Fall ein Innenfenster mit zwei Flügeln, zu bauen. Es ist eher eine Frage der Einstellung.
Das folgende Zitat des englischen Bootskonstrukteurs Uffa Fox beschrieb schon vor langer Zeit einen weitgehend verloren gegangenen Zustand:

„Wie sehr muss dieser Handwerker seine Arbeit geliebt haben, und die Stunden, die er ihr widmete, kann man nur erahnen, denn unsere Zeit mit ihrer Vorliebe für Dinge, die zu tausenden von Maschinen ausgespuckt werden, hat eine der größten Freuden des Lebens aufgegeben - die Zufriedenheit, in Ruhe allein mit seinen Händen und dem Geist zu arbeiten.“

Diese Zufriedenheit ist für mich die Motivation, ohne Maschinen zu arbeiten. Das Fenster ist nicht mein erstes stromloses Projekt und hoffentlich auch nicht mein letztes!
Meistens lese ich hier nur mit und dokumentiere meine Arbeit nicht. Doch möchte ich von der Herstellung meines Fensters erzählen. Der mehrteilige Bericht ist nicht immer chronologisch. Ich fasse ihn in Arbeitsschritten zusammen, weil er mir so übersichtlicher erscheint. Die Maßangaben mache ich meist in mm, ich kann's nicht ändern. Maschinenbauer...

Im Februar '17 kaufe ich zwei schöne Kiefernbohlen, 63mm stark, jeweils knapp vier Meter lang und etwa 350mm breit.


„Aabeit zieht Aabeit nach sich!“ (Werner) und das schon am Anfang.
Da mir ein großer Absetzfuchsschwanz fehlt, bezahne ich zunächst eine 700er Gestellsäge aus meinem Reservefundus frisch auf Querschnitt (Teilung 5mm, rake: ja, fleam: auch), um damit abzulängen. Sie sägt wie Teufel.


Dann folgt der schweisstreibende Teil: das Fausten. Ich säge aus der ersten Bohle alle Teile des Rahmens, aus der anderen die Stücke für die beiden Flügel. Gestellsäge 700mm, 5mm Teilung, Längsschnitt. Die Mittelstrebe der Säge muss etwas versetzt werden, um die breiten Teile sägen zu können. Auf dem sägerauhen Holz ist alles mit Bleistift angezeichnet. Das sieht man besser als Risse und ist für den Zweck genau genug.


Solche langen Schnitte (1900mm) in dieser Holzstärke habe ich zuvor nicht gemacht. Die ersten laufen noch deutlich aus dem Ruder.


Um eine bessere Führung des Sägeblattes zu erreichen, schlitze ich bei einigen Schnitten mit der an einem Brett geführten Gratsäge von oben und unten vor. Der Führungsschlitz ist ca. 6mm tief. Der Erfolg ist nicht sehr groß, der Zeitaufwand für das Vorschlitzen schon. Ich lasse es wieder sein. Besser man übt einfach, auch in dickem Holz gerade zu sägen.

Das Fenster bekommt einen dem Aussenfenstersturz entsprechenden Stichbogen, den ich mittels Pappschablone direkt vom Sturz abnehme und übertrage. Den Bogen säge ich beim Fensterrahmen mit der Schweifsäge, die eigentlich für engere Radien gedacht ist und entsprechend leicht verläuft.


Die beiden Bogenteile der Flügel mache ich lieber mit der normalen Schlitzsäge. Einen solchen großen Radius gibt die Schränkung her. Es geht deutlich besser.

Die beiden Flügelrahmen werden 35mm stark. Deren lange Rahmenhölzer säge ich zunächst auf doppelte Breite (daraus werden also später zwei der aufrechten Flügelteile) und dann auf Dicke. Dadurch erhalte ich als „Abfall“ relativ breite Bretter, die später für andere Dinge Verwendung finden können. Mein Holzhändler hatte keine brauchbare Kiefer in 40mm Dicke, sonst hätte ich mir die Arbeit gespart.
Anmerkung zum Bild: Man sieht im Hintergrund an die Säule gelehnt bereits den provisorisch zusammen gesteckten Fensterrahmen. Wie gesagt, ist der Bericht nicht immer chronologisch.


Am Ende der Sägerei habe ich fünf Rahmenteile. Warum nicht vier? Ein Teil läuft unter der Fensterbank durch, ein weiteres liegt auf der Fensterbank und ist herausnehmbar. Man kann so die Flügel im Sommer aushängen, das Rahmenteil herausnehmen und erhält eine ebene Fensterbank. Gewieft, oder?


Desweiteren habe ich sieben Flügelteile. Das untere Querteil wird erst nach dem Falzen in zwei Teile gesägt. Auf dem Bild sind die langen Flügelrahmenteile noch nicht längs in zwei Teile gesägt, es gibt aber kein passendes Photo.
Links die Flügelteile, rechts der nutzbare Abfall.


Fazit Teil 1:
Sägerei ist produktiver Sport!
Ich bin sehr zufrieden, obwohl ich Blasen an den Händen habe. Die Ergonomie einer Gestellsäge lässt sich speziell beim beidhändigen Arbeiten kaum verschlechtern.
Mein menschliches Umfeld hält mich für verrückt.

In Teil 2 geht's ums Hobeln

So long,
J.Daniel


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Uwe.Adler
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Chapeau

Beitrag von Uwe.Adler »


Hallo Johann Daniel,

das ist ein Beitrag, der den Montag für mich zu einem besonderen macht. So viele Aspekte beinhaltet er, die mir aus dem Herzen sprechen. Besonders der zweite Satz wird in meine Zitatensammlung eingereiht. Sehr schön.

Auch die Arbeiten sind sehr schön beschrieben und können bestätigt werden. Die Wirkung eines vertieften Sägeansatzes habe ich auch nicht als förderlich empfunden. Tom Fidgen hat mal eine Rahmensäge in Verbindung mit einem Kerfing Plane gebaut und vorgestellt. Die Säge erinnerte mich an die Roubo, die teilweise auch zu meiner Ausführung herhalten mußte. Die "Vorschnittsäge" ist weggefallen und die Rahmensäge erleichtert den Schnitt enorm.
Da Du Sägeblätter feilen kannst, wäre das eventuell eine Alternative. Berücksichtigen muss man aber, dass Nadelhölzer nicht so enfach zu sägen sind. Der Unterschied zwischen dem Früh- und Spätholz in der Härte, hat einen starken Einfluß auf den Verlauf der Säge. Selbst bei stehenden Jahresringen, die quer zur Faser geschnitten wurden, haben mich an den Rand der Verzweiflung geführt. Es wurden 12mm Brettstärke auf zweimal 5mm aufgesägt benötigt und heraus ist Wellaform gekommen. Da die Endstärke 3mm sein mußte, habe ich sie soweit wie möglich gleichmäßig aufgetrennt und dann mit einem scharfen Hobel mit ganz dünnen Spänen egalisiert. Leichter ist mir die Bearbeitung von Harthölzern gefallen. Da kontrolliere ich beide mit Bleistiftstrichen angezeichneten Sägelinien. Aber meist verläuft die Säge nicht.
Die gezeigten Bilder verdeutlichen Deine Vorgehensweise und ist leicht nachvollziehbar. Das lässt mich auf den weiteren Vorgang der Dokumentation freuen.

Vielen Dank, dass Du uns teilhaben lässt,

herzlichen Gruß

Uwe

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Volker Hennemann
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Großes Kino

Beitrag von Volker Hennemann »


Hallo Johann Daniel,
das war und ist ganz großes Holzwerkerkino. Vielen Dank für den Bericht - klasse!
Ich fühle mich im übrigen jetzt ein wenig besser, weil nicht mehr so alleine.
Mein Umfeld hält mich auch für verrückt, bei dem was ich in der Werkstatt treibe - auch wenn ich häufiger Strom benutze.
Grüße
Volker

Michael Meyer
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Re: Bau eines Innenfensters Teil 1

Beitrag von Michael Meyer »

[In Antwort auf #147044]
Hallo Johann,

danke für den schönen Bericht. Kiefer ist ein wunderschönes Holz, ich rieche es sehr gern (in der Natur beim Wandern und natürlich in der Werkstatt, so gut riecht kein anderes Holz). Bin gespannt auf die Fortsetzung.

LG
Michael

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Mario Zimmermann
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Klasse!

Beitrag von Mario Zimmermann »

[In Antwort auf #147044]
Hallo Johann,

vielen Dank für den Bericht.
Sehr schön zu lesen und anzuschauen, freue mich auf Teil 2!

Viele Grüße,
Mario

Bernd Zimmermann
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Re: Bau eines Innenfensters Teil 1

Beitrag von Bernd Zimmermann »

[In Antwort auf #147044]
Hallo Johann Daniel,

willkommen bei den verrückten Holzwerkern, zu denen ich mich auch zähle. Meine Projekte entstehen auch ganz überwiegend mit Handwerkzeugen. Für -größere- Maschinen gibt es bei mir in der Werkstatt keinen Platz und ich mag den dabei entstehenden Lärm nicht sonderlich. Nur in Ausnahmefällen greife ich mal zu elektrischen Handmaschinen.
Holzbohlen auftrennen mit Handsägen (Fuchsschwänze, Gestellsäge) habe ich auch schon hinter mir, muss aber noch kräftig üben, denn in den seltensten Fällen läuft die Säge exakt dahin, wo ich es gerne hätte.
Vielen Dank, dass Du Deine Arbeit zeigst und ich freue mich schon auf die Fortsetzungen.

Viele Grüße
Bernd

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Harry Dietz
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Re: Bau eines Innenfensters Teil 1

Beitrag von Harry Dietz »

[In Antwort auf #147044]
Vielen Dank! Du hast meine Woche gerettet und ich bin froh dass wir hier ein Forum für genau solche Beiträge haben.

Grüße
Harry

Johann Daniel
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Registriert: Di 19. Feb 2013, 19:58

Re: Bau eines Innenfensters Teil 1

Beitrag von Johann Daniel »

[In Antwort auf #147044]
Vielen Dank für Eure positiven Rückmeldungen!
Über den Bau einer Rahmensäge mit einer Blattlänge von einem Meter denke ich schon länger nach. Eventuell wären zwei austauschbare Blätter mit unterschiedlicher Teilung eine Überlegung wert. Tom Fidgens Kerfing Plane, ich hätte ihn Vorschlitzhobel getauft, baue ich nicht nach. Meine Versuche mit dem Vorschlitzen waren doch sehr ernüchternd.
Gruß,
J.Daniel

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Uwe.Adler
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Re: Bau eines Innenfensters Teil 1

Beitrag von Uwe.Adler »


Hallo Johann Daniel,

vielleicht eine Anregung: http://holzpassion.blogspot.de/2014/11/rahmensage-frame-saw-finish.html

Viel Freude bei Deinem weiteren Projekt,

herzliche Grüße

Uwe

Pedder
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Re: Bau eines Innenfensters Teil 1

Beitrag von Pedder »

[In Antwort auf #147044]
Hallo Johann,

vielen Dank für Deinen Beitrag, gerade Schweifsägen sieht man selten im EInsatz.
Schön auch die Angabe des exakten Fleam und Rake! :o)

Liebe Grüße
Pedder


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