Zähne brechen beim Schränken *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Georg aus'm Westen
Beiträge: 154
Registriert: Di 5. Jan 2016, 20:07
Wohnort: NRW

Re: Zähne brechen beim Schränken

Beitrag von Georg aus'm Westen »


Soweit ich weiß (aber ich bin wirklich kein Werkstoffwissenschaftler), versprödet Stahl in erster Linie durch Radioaktivität, in zweiter Linie durch Einlagerung von Wasserstoff.
Wenn die Säge nicht in einem AKW gelagert war oder längere Zeit atomarem Wasserstoff oder Schwefelwasserstoff ausgesetzt war, müsste das Abbrechen der Zähne wahrscheinlich auf andere Ursachen zurück zu führen sein. In Frage kommen da zu heftiges oder in die "falsche Richtung" schränken, oder das Sägeblatt war womöglich gehärtet. Oder ist mehrfach umgeschränkt worden. Oder...
Wird man ohne eine richtige Analyse aber wohl nicht erfahren, alles nur geraten ;)

Gruß,
Georg


Michael Meyer
Beiträge: 407
Registriert: Sa 12. Nov 2016, 20:26

Re: Zähne brechen beim Schränken

Beitrag von Michael Meyer »


Hallo Pedder,

Du bist der einzige, der bisher die Semantik in diesem Thread angesprochen hat. Ich habe versucht, in sehr kurzen und sachlichen Kommentaren den Sachverhalt zu erläutern, und dafür einige nicht gerade sachkundige Antworten bekommen. Unschön.

Die von Axel H (Chemiker) angesprochene "Rückreaktion" findet in den normalen Einsatzbereichen nicht statt, sein Widerspruch ist sehr praxisfern, jeder Metaller würde ihn auslachen (bezognen auf ein Handsägeblatt).

Ich finde es auch unnötig, seinen Beruf anzugeben (Chemiker), aber wenn es sein soll, OK, ich habe Maschinenbau studiert.

Man kann sehr einfach nachlesen, dass der Stahl nur durch Überschreiten der Streckgrenze (plastische Verformung) oder durch Temperatureinwirkung (mehr als 200°C - deswegen sollte man nicht trocken schleifen) seine Eigenschaften verändert - was bei einem Handsägeblatt normal nicht vorkommt, außer durch Schränkung (plastische Verformung). Sonst kann er hunderte Jahre seinen Dienst leisten und gebraucht werden. Wenn der Stahl durch Deinen "Prozess" spröde werden würde, müsste jeder Bahnfahrer Angst vor jeder alten Eisenbahnbrücke haben. Sofern der Stahl nicht rostet, ist er unverändert in seinen Eigenschaften. Und wenn er rostet, ist er nur durch die Reduzierung der Materialstärke beeinträchtigt.

Übrigens würde man nicht so gern alte Sägen (old ladies) kaufen, wenn sie von alleine spröde würden.

Ich finde es schade, dass mit solcher Energie sachliche Hinweise widersprochen werden, und dazu noch in unfreundlicher (als würde ich nicht verstehen, was das Wort "Alter" bedeutet) Weise.

LG
Michael



Benutzeravatar
Thomas Kaes
Beiträge: 714
Registriert: So 4. Apr 2021, 14:10

Re: Zähne brechen beim Schränken

Beitrag von Thomas Kaes »


In Frage kommen da zu heftiges oder in die "falsche Richtung" schränken ... Oder ist mehrfach umgeschränkt worden.


Ich glaube, das war mit den Hinweisen von Michael, der Grund für den Zahnbruch.

Bei Schränken wird durch die Schränkzange der Zahn in einer Richtung umgebogen; an der Biegestelle des Stahls ist das Material
im elastisch-plastischen Bereich (im linear-elastischen Bereich würde der Zahn in seine gerade Ausgangsstellung zurückgehen).
Feile ich jetzt die Zähne teilweise runter und schränke sie in die entgegengesetzte Richtung neu, wird das vordeformierte Material des
Zahns vom Amboss der Schränkzange über die Bruchgrenze hinaus beansprucht. Der Zahn bricht ab.

Bei anderen unzulässigen Rückbiegungen (in meinem Bereich: neuer Betonstahl) passiert dann genau das gleiche.

Wer es noch genauer nachvollziehen will:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Lösung für die Praxis: vor dem runterfeilen der (geschränkten) Zähne die ursprüngliche Schränkrichtung auf dem Blatt markieren.

Ich habe mal gerade zum Schärfen von WS Kreissägeblättern nachgesehen: gleicher Hinweis.
Beim Schärfen und Schränken ist die ursprüngliche Schränkrichtung beizubehalten um Zahnbruch zu vermeiden.

Gruss
Thomas


Pedder
Beiträge: 5671
Registriert: So 8. Dez 2019, 14:41
Kontaktdaten:

Re: Zähne brechen beim Schränken

Beitrag von Pedder »


Hallo Michel,

aus der Erfahrung von ein paar Hundert Sägen unter der Feile und der Schränkzange:
Zähne brechen auch mal, wenn ich sie in die gleiche Richtung nachschränke.
Und ohne dass es tiefes Pitting gibt. Wenn ich mal wieder eine solche habe, schicke ich sie Dir.

Und "junger" "moderner" Stahl verträgt es ohne weiteres umgeschränkt zu werden.

Vielleicht sind das nur verschiedene Stähle, vielleicht ist alter Stahl einfach nicht so gleichmäßig.
Ich weiß es nicht.

Ich weiß aber aus meiner Praxis, dass es dieses Phänomen bei alten und rostigen Sägen gibt.
Das habe ich geschrieben.

Dein Hinweis auf das "reine Alter" ist hingegen genau das, was Du Axel vorwirfst: praxisfern
Das gäbe es doch nur, wenn Du die Säge in irgendeiner Schutzathmosphäre verwahrst.

Liebe Grüße
Pedder

Johannes F
Beiträge: 172
Registriert: Di 26. Sep 2017, 22:18

Re: Zähne brechen beim Schränken

Beitrag von Johannes F »


Hallo Leute,

ich habe jetzt ein neues/altes Blatt eingesetzt und geschärft. Das alte/alte darf sich jetzt erstmal etwas ausruhen, bis ich wieder Zeit für solcherlei Späße und Versuche habe.

Ich denke, wir als Handwerker müssen die Prozesse im Stahl nicht vollständig verstehen. Wir wollen ein funktionierendes Sägeblatt. Wie man jetzt genau welchen Prozess beschreibt und warum der Stahl bricht (wenn Ursache umschränken ausgeschlossen ist), darüber sollen sich die Metallurgen und nicht die Holzwerker streiten. Wenn jemand beides ist, dann möge er darüber hinweglesen oder uns alle mit seinem Wissen erleuchten. Trotzdem spielt es für mich keine Rolle, weil ich es nicht mehr beeinflussen kann - egal ob chemisch korrodiert oder physikalisch durch ionisierende Strahlung. [Die würde ich persönlich ausschließen, da die für die Versprödung notwendigen freien Neutronen in der Natur außerhalb von KKWs kaum vorkommen]. Für uns sind die Bearbeitungsschritte wichtiger, was man da falsch und richtig machen kann und dazu wurde ja schon einiges gesagt.
Ich möchte die Frage in den Raum werfen, ob wir vielleicht einfach manchmal zu viel denken und alles perfekter als notwendig machen wollen, anstatt einfach nur den Spaß an der Arbeit mit Holz zu genießen? Der Opa meiner Freundin ist betagter Schreiner. Einer, welcher noch echtes Handwerk ohne Maschinen gelernt hat. Ich habe großen Respekt vor dieser Ausbildung. Allerdings schüttelt er regelmäßig den Kopf, wenn er von meinen Vorhaben hört. Wenn er noch was sägt, nimmt er meistens die Kreissäge (anstelle der Gestellsäge bspw bei Längsschnitten). Die Eisen macht er auf dem Doppelschleifer scharf. Insgesamt alles zeit- und praxisorientiert. Nicht umsonst unterscheidet man die beiden Welten, Beruf und Hobby. Ich habe genauso Respekt vor vielen Leuten hier im Forum, die wirklich großartige Arbeit geleistet haben, wie man die besten Werkzeuge hinbekommt. Wahrscheinlich braucht man das alles aber hauptsächlich für seinen eigenen Kopf und nicht für das Holz - was ja auch okay ist, mir gefällt das Fein-Tuning auch. Ich merke nur, dass ich mich selber teilweise in Theorie verliere, ohne an meinen Möbelprojekten weitergekommen zu sein. In diesem Sinne gut Holz

Antworten