Nachttische (mit vielen Fotos)

Das ganze Thema rund um die Holzbearbeitung wird hier diskutiert. Die Grenzen sind hier deutlich weiter gezogen als im Handwerkzeugforum. Wenn Du nicht sicher bist, wo Dein Beitrag hingehört, ist er wahrscheinlich hier am besten aufgehoben.
Dirk Vogel
Beiträge: 507
Registriert: Do 6. Okt 2016, 18:01

Nachttische (mit vielen Fotos)

Beitrag von Dirk Vogel »


Hallo allerseits,

neben dem ganzen Ärger mit der Bandsäge möchte ich Euch zur Abwechslung einmal ein gerade fertiggestelltes Projekt zeigen. Es handelt sich um zwei Nachttische aus Nußbaum. Ich hatte dazu auch schon ein paar Fragen gestellt; jetzt könnt Ihr das Ergebnis sehen.



Begonnen habe ich damit, die tragende Struktur zu erstellen. DIe hier sichtbaren Hölzer sind 7 x 7 cm stark und aus zwei Bohlen zusammengeleimt. Die acht Gehrungsnuten sind, wie unschwer zu erkennen ist, erst ausgebohrt und dann mit dem Stechbeitel rechtwinklig geschnitten.



Um jeweils drei Hölzer zu dieser Art "U" zu verleimen, habe ich mir überlegt, erst einmal aus Abfallholz eine Füllung zu bauen, damit beim Verleimen die Struktur immer dasselbe Maß bekommt.



Die Verleimung selbst war für meine Verhältnisse ziemlich kompliziert (aber es sollte noch schlimmer kommen).



Hier laufen die Vorarbeiten zur Verankerung der Nachttischober- und -hinterplatten.



Bei diesen insgesamt zwölf Nuten kam mein Grundhobel zu seinem Recht.



Besonders genau ist das Ganze dennoch nicht geworden ...



Viele Stunden später ...



Hier liegen Ober- und Hinterplatte bereit, die bereits geteert und gefedert - nein, gefalzt, gefedert und auf Gehrung zugeschnitten sind.



Hier wird wieder verleimt ! Zu spät ist mir klar geworden, daß ich auch hier sicherheitshalber eine Form hätte einrichten sollen, die die Beine auch unten im richtigen Abstand hätte halten können. Im Endergebnis ist der Abstand der Beine unten jetzt ein paar mm enger als der Tisch oben breit ist. Naja.



Hier sieht man das vorläufige Endergebnis auf unserem Wohnzimmerteppich.



Hier ein Sprung zur Schublade ! Nach eingehendem Studium habe ich sie außen mit meiner üblichen Mischung aus Ölen und Wachsen eingelassen, dabei aber den Innenraum sowie die Gleitfeder ausgespart. Letztere ist übrigens mit Bienenwachs "eingerieben".



Die Schubladenwände greifen wie hier gezeigt ineinander; oben ist eine Seitenwand zu sehen, rechts die Rückwand. Für den Boden habe ich mein bestes Nußbaumbrett (das einzige mit stehenden Jahresringen) geopfert. Der Boden ist übrigens an allen vier Seiten komplett in die Seitenbretter eingenutet, aber nur vorne und an den ersten Zentimetern der Seiten verleimt, damit er nach hinten arbeiten kann.



Die Gleitnuten der Schubladenwände sind so berechnet, daß sie auf jenen Hölzern entlangfahren, deren eines man hier sieht (ebenfalls mit Bienenwachs eingerieben).



Hier ein Nachttisch mit geöffneter Schublade ...



... hier beide Nachttische von vorn ...



... und hier von hinten. Einwenig erinnern sie mich an einen Bobtail. Kennt Ihr diesen genialen Hund ? Erst wenn man ihm eine Futterschüssel hinstellt, merkt man, wo vorne ist.



Noch ein letztes Foto von hinten.

Was die Schubladen angeht : ich weiß, daß man ihre Bretter normalerweise mit Holz in Längsrichtung baut. Bei diesem Projekt hat sich die Faserrichtung aber aus den ersten Entscheidungen entwickelt, die die beiden "U"s an den Tischseiten betreffen. Von oben betrachtet haben die Tische rechts und links Holzbalken mit den Fasern in Nord-Süd-Richtung. Da schien es nur logisch, die dazwischenliegende Tischplatte ebenfalls in der gleichen Faserrichtung zu bauen, obwohl sie breiter als tief ist. Diese Faserrichtung wollte ich dann auch nicht von der Schubladenvorderseite bzw. dem Rückenbrett des Tischs kontrastieren - dadurch bekam auch die Schublade die sonst unübliche Faserrichtung.

Was allerdings zu diskutieren wäre, sind die Schubladenseitenbretter. Da die Schubladenböden ihre Fasern parallel zur Tischplatte haben, hätte man sich überlegen können, zumindest die Schubladenseiten ebenfalls in der klassischen Faserrichtung zu bauen. Das ist mir zu spät eingefallen.

Grüße von Dirk



Heiko Rech
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Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Nachttische (mit vielen Fotos)

Beitrag von Heiko Rech »


Hallo Dirk,

die Idee als solche finde ich gut. Aber einige Dinge hätte ich so nich gemacht und es würde mich interessieren, wie die Tische nach einigen Monaten aussehen.

1. Die Seitenteile der Schubladen sind wie dafür geschaffen, krumm zu werden. Wenn das passiert, werden die Schubladen klemmen.

2. Massivholz und bündige Flächen sind auch immer so eine Sache. Mich persönlich würden kleine Absätze, die sich mit der Zeit zwischen den einzelnen Bauteilen ergeben werden stören. Daher geht man im Masivmöbelbau oft dazu über und macht betonte Fugen.

3. Die Schblade und die Platte auf Gehrung zu machen ist mutig. Das ist eine Fuge, die jede Bewegung im Holz sichtbar macht.

4. Ich hätte die Holzauswahl anders getroffen und Platte und Schubkastenvorderstück mit durchlaufender Maserung gemacht. So sieht es ein wenig zusammengewürfelt aus.

Auf einem Bild sieht man, wie du die Tische komplett in einem Arbeitsschritt verleimst. Den Stress würde ich mit nicht antun. Platte und Rückwand hätte ich mit Packband verleimt, trocknen lassen und dann in aller Ruhe die Füsse angeleimt.

Gruß

Heiko


Dirk Vogel
Beiträge: 507
Registriert: Do 6. Okt 2016, 18:01

Einwände

Beitrag von Dirk Vogel »


Hallo Heiko,

vielen Dank für Deine Einwände. Dazu habe ich ein paar Fragen.

1. Die Schubladenwände krümmen sich in der Tat ein wenig. Ich habe relativ viel Spiel zu den Tischbeinen gelassen, wir werden sehen, ob es so schlimm kommt, wie Du befürchtest. Aber würden sich die Seiten nicht auch dann krümmen, wenn sie in Längsholz gearbeitet wären ?

2. Die Flächen sollen gar nicht bündig sein. Ich vermute, Du beziehst Dich auf den Übergang zwischen "U" und Oberplatte ? Ich hatte in der Tat beide Kanten ziemlich stark abgeschrägt, weil ich auch eine deutliche Linie dort wollte (ebenso übrigens bei der Gehrungsverleimung der "U"s). Allerdings hat der Preßdruck beim Verleimen diese Linien wieder stark "zusammenwachsen" lassen, so daß man sie jetzt nicht mehr so gut sieht ...

3. In der Tat ist diese Fuge nur bei einem Tisch gut gelungen, beim anderen sieht es bereits jetzt etwas "handgemacht" aus ... So war es allerdings von den Adressaten der Tische gewünscht. Ich habe auch keine Möglichkeit gefunden, die Gehrung der Schublade, die ja am Rand auch aus dem Gehrungszuschnitt der Seitenbretter besteht, glatt zu bekommen, ohne die Oberkante zu verändern (d. h. etwas wellig werden zu lassen). Wie schafft man denn so etwas ?

4. Richtig, zur Holzauswahl hätte ich gleich schreiben müssen, daß die sparsame Verwendung gerade so ausreichender Bretter es leider nicht gestattet hat, diesen Würfeleffekt zu vermeiden. Ich habe lange hin- und herprobiert, aber es war keine komplette Lösung möglich. Deshalb ist jetzt alles komplett "verwürfelt".

Wie funktioniert eine Verleimung mit Packband ?

Grüße von Dirk



Heiko Rech
Beiträge: 2715
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Einwände

Beitrag von Heiko Rech »


Hallo Dirk,

Saubere Gehrungen würde ich persönlich mit der Kreissäge machen. Wenn du keine Kreissäge hat, könnte ich mir vorstellen, sowas mit der Bandsäge zu schneiden und mit einem sehr scharfen Hobel dann nachzubearbeiten. Dazu würde ich mir eine entsprechende Lade bauen. BEi Hirnholz in der Tat schwierig, bei Holz mit der Faser kein großes Problem.

eine Verleimung mit Packband ist ganz einfach. Du legst die Teile mit den Gehrungen zusammen auf eine flache Unterlage, klebst sauber Packband über die Fuge, drehst die Teile um, Leim in die Gehrung und zusammenklappen. Dann mit Packband fixieren und trocknen lassen. Dazu bedarf es aber guter Gehrungsschnitte, da du nicht wo viel Pressdruck aufbringen kannst.

Hier mal ein Link dazu:
http://www.heiko-rech.de/moebelbau/sregal.php?seite=5

Gruß

Heiko


Heiko Rech
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Re: Einwände - Nachtrag

Beitrag von Heiko Rech »


Hallo,

mir ist gerade eingefallen, dass ich nicht auf deine Frage mit den Schuibkastenwänden eingegangen bin. Also hier die Erklärung:

Wenn die Seiten mit der MAserung verlaufen und du nicht gerade ein stark gefladertes Brett nimmst, ist die zu befürchtende Wölbung eher gering. Und wenn es sich bölbt, dann so, dass die Wölbung auf der ganzen Lönge der Seite gleich ist. Bei verleimtem Querholz, wie bei dir, wird das dann eher wellig.

Was mir aber bei deinen Möbeln auffällt:
Du versuchts ein Design, das für Plattenware gedacht ist (60er Jahre) auf Massivholz anzuwenden. Es hat aber gute Gründe, warum Massivholzmöbel anders konstruiert werden, als Plattenmöbel. Was mir bei denen Möbeln fehlt ist eine Materialgerechte Konstruktion.

Gruß

Heiko


Pedder
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Re: Nachttische (mit vielen Fotos)

Beitrag von Pedder »

[In Antwort auf #60223]
Hallo Dirk,

vielen Dank für diesen Beitrag. Ich finde es klasse, wie Du auch zu Fehlern im Projekt stehst, es wäre ja leicht, die Im Bild verschwinden zu lassen. Außer der Holzwahl und da hätte ich es auch schöner gefunden, die Vorder-, Ober- und Hinterseite aus einem Stück Leimholz (womöglich noch ohne Splint?) zu machen.

Liebe Grüße
Pedder


Klaus Kretschmar
Beiträge: 1457
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Re: Nachttische (mit vielen Fotos)

Beitrag von Klaus Kretschmar »

[In Antwort auf #60223]
Hallo Dirk

erst einmal Gratulation zu den beiden Stücken! Gerne erinnere ich mich an Darmstadt, als du die Nachttische in Planung hattest und wir reichlich darüber diskutierten.

Mir gefällt das strenge Design gut. Auch wegen der auf Gehrung gearbeiteten Schubladenfronten hätte ich keine grundsätzlichen Bedenken ... wenn die Fronten und die Oberseite eine andere Faserrichtung hätten. Bei Längsholz bleiben die Gehrungen und damit die Kante stehen, bei Querholz habe ich so meine Bedenken. Die Zeit wird es zeigen, ich wünsche dir jedenfalls, dass das Holz stehen bleibt.

Viele Grüsse
Klaus



Thomas Schuermann
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Re: Nachttische (mit vielen Fotos)

Beitrag von Thomas Schuermann »

[In Antwort auf #60223]
Lieber Dirk,

ich kann mich Pedder nur anschließen. Deine Beiträge sind hier immer eine Bereicherung und ich finde man kann an Projekten, bei denen nicht alles immer rund läuft oder echte Fehler unterlaufen sowieso mehr lernen.

Proportionen des Möbels finde ich gut gewählt - auch die Holzwahl finde ich gut gewählt wobei ich die Oberflächenbehandlung als zu stark anfeuernd empfinde. So wie es in der Schublade aussieht, gefällt es mir gut. Dass Du das beste Stück Holz in der Schublade verwendet hast, ist natürlich schade. Eigentlich sollte es anders herum sein.

Wenn Du das Holz materialgerecht verarbeitet hättest, es eine kleine Stufe zwischen den Seiten, der Front und dem Deckbrett gäbe, hättest Du trotzdem die Möglichkeit gehabt eine durchgehende Maserung zu erreichen. Nur eben quasi von hinten nach vorne und dann zur Schublade nach unten.

Gerade bei Gehrungen würde ich immer eine deutliche Sichtfuge anstreben.

Aber - alles graue Theorie! Wäre ich doch mal so oft in der Werkstatt wie Du!

Danke für Deinen schönen Bericht! Nur wer was tut, macht Fehler.

Liebe Grüße

Thomas



Dirk Vogel
Beiträge: 507
Registriert: Do 6. Okt 2016, 18:01

Stehende Jahresringe

Beitrag von Dirk Vogel »


Hallo Thomas,

die stehenden Jahresringe habe ich deshalb als "bestes Stück" bezeichnet, weil sich das Holz wohl am wenigsten wirft. Das scheint bei Schubladenböden besonders wichtig, wenn sie aus Massivholz hergestellt werden - so habe ich es gelesen und auch in einem Video gesehen. Das schönste Holz aber ist in den Oberplatten und bei den Schubladenvorderseiten zu sehen, da gibt es ein paar Stellen mit Markstreifen bzw. vogelahornähnlichen Mustern.

Grüße von Dirk



Martin Sprandel
Beiträge: 276
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Nachttische

Beitrag von Martin Sprandel »

[In Antwort auf #60223]
Hallo Dirk,

vielen Dank für die tolle Dokumentation. Zum handwerklichen kann ich nicht viel sagen (fehlende Erfahrung), aber zumindest zum Design:

Mir gefallen die klaren Linien bei Deinem Projekt sehr. Die Beine stehe grundsolide da und erwecken einen massiven Eindruck. Aufgrund der amaturlosen Schublade wird meiner Ansicht nach der Effekt verstärkt - man könnte bei ungenauen Hinsehen meinen man hat einen massiven Hocker (nicht abwertend!!!) vor sich. Somit für mich ein schlüssiges Bild.

Ich hoffe die Bedenken meiner Vorredner erfüllen sich nicht.

Servus

Martin


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