Gewaltiger Preisunterschied Gewindeschneider

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Horst Entenmann
Beiträge: 1154
Registriert: So 30. Mär 2014, 20:58

Re: Allgemeine Frage zu Holzgewindewerkzeugen

Beitrag von Horst Entenmann »


Hallo Ralf,

Gewinde schneiden ist durchaus ein komplexes Thema, schon alleine in Metall.
Der klassische Handgewindebohrer ist dreiteilig. Vorschneider, Mittelschneider und Fertigschneider. Es gibt auch zweiteilige Sets und Einschnittgewindebohrer.
Die Gewindebohrer können langen oder kurzen Anschnitt haben. Es gibt Typen für Durchgangslöcher und welche für Sacklöcher und dann das ganze auch noch als Gewindeformer (spanlos).

Im Prinzip funktionieren Holzschrauben wie Gewindeformer, die drücken sich eben ins Holz und hinterlassen eine Art Gewinde wenn man sie später wieder rausschraubt.
Bei feinen Gewinden mag das gehen, aber gröbere Gewinde sind da wohl nicht mehr machbar. Vor allem sind das keine Gewinde die dann später gut laufen, die sollen ja gerade klemmen.

Zurück zum Gewindebohrer. Die Qualität des erzeugten Gewindes hängt meiner Erfahrung nach von der Schärfe des Werkzeugs ab. Normalerweise halten die dreiteiligen Sets praktisch ewig. Die Gefahr ist eher daß da was abbricht. Die meiste Arbeit macht der Vorschneider (50%), der Fertigschneider der zuletzt dann das Gewinde herstellt wird weitestgehend geschont (20 bis 25%) und bleibt dadurch lange scharf.
Einschnittgewindebohrer, die man z.B. für den Einsatz in Maschinen bevorzugt nimmt, neigen schon eher mal zu Ausbrüchen. Es gibt aber Typen mit sehr langem Anschnitt und je länger der Anschnitt desto länger in aller Regel auch die Lebensdauer. Das Gegenteil gilt für die Sacklochgewindebohrer, die haben einen sehr kurzen Anschnitt und können ganz flott verschleißen.
Ich habe einen Satz UNC-Gewindebohrer und dort ist es wieder anders. Es gibt alle Gewindebohrer doppelt, davon hat einer eine sehr langen Anschnitt (fast über die ganze Länge des Kopfes) und der andere hat einen sehr kurzen Anschnitt (1 bis 2 Gewindegänge). Anders als bei den dreiteiligen Sets macht bereits der Gewindebohrer mit dem langen Anschnitt ein fertiges Gewinde. Bei Durchgangslöchern muß man ihn nur ganz durchdrehen. Den anderen Gewindebohrer braucht man dann gar nicht mehr. Den braucht man nur wenn man ein Sackloch hat und das Gewinde so weit wie möglich nutzbar sein soll.

Jetzt aber zurück zum Holz:
Bei Holz würde ich annehmen daß ein stumpfer Gewindebohrer die Fasern nicht mehr schneidet sondern eher abreißt bzw. verdrängt (wie die Holzschraube) und dann das Gewinde innen nicht mehr so glatt wird und deshalb auch nicht mehr so gut läuft.
Rein gefühlsmäßig würde ich daher davon ausgehen, daß in Holz die Schärfe sogar noch wichtiger ist als in Metall.
Ein anderer Aspekt ist die Belastung des Bohrers beim Gewindeschneiden. In Stahl oder vergleichbaren Werkstoffen ist die Belastung für die Schneiden größer. Das läßt sich verringern indem man kleinere Späne abnimmt (längerer Anschnitt, aufteilen auf mehrere Werkzeuge...).
Im Umkehrschluß ist in Holz die Belastung geringer, es kann ein größerer Span abgenommen werden, im Extremfall wird das ganze Gewinde auf ein Mal geschnitten. Dadurch muß man gegebenenfalls auch nur eine Schneide nachschärfen, was im Normalfall einfacher ist.
Ich würde sogar sagen, daß es in Holz vermutlich besser und genauer ist wenn man nicht hergeht und versucht kleine und kleinste Späne abzunehmen denn das funktioniert nur mit einer sehr scharfen Schneide. Ansonsten kann es passieren daß das Holz ausweicht und das Gewinde später klemmt.

Langer Rede, kurzer Sinn: Ich denke daß der teurere Gewindebohrer rein technisch die bessere Wahl darstellt (für Holz wohlgemerkt).

Und ich möchte jetzt nicht unbedingt darüber nachdenken inwiefern Gewinde in Holz (z.B. wegen der Faserproblematik) überhaupt sinnvoll sind, klassisch wurden ja häufig Keile eingesetzt wo man in Metall eher Schrauben wählen würde.



Ralf Brandt
Beiträge: 59
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Allgemeine Frage zu Holzgewindewerkzeugen

Beitrag von Ralf Brandt »


Hallo Horst,

herzlichen Dank für diese umfangreiche und erhellende Erklärung. Es ist mir einiges klarer geworden.

Lieben Dank
Ralf

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