Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

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F. Bergmann
Beiträge: 3
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von F. Bergmann »


Hallo Zusammen!

Es gibt ja die Möglichkeit Fingerzinken mit der Kreissäge (event. mit Wankelnutblatt) oder dem Frästisch nach dem Prinzip zu erstellen, einen Nagel als Anschlag einzuschlagen und dann das Werkstück daran immer einen Zinken weiterzuschieben.

Mich würde interessieren, ob das in der Praxis bezüglich der Genauigkeit wirklich brauchbar funktioniert? Denn die Ungenauigkeiten müssten sich ja theoretisch aufsummieren. Also falls ich pro Zinken eine Ungenauigkeit von 0.1mm habe, dann können es bei 20 Zinken schon 2mm sein, oder?

Sind Schablonen, wie sie für Oberfräsen in den gängigen Zinkenfräsgeräten üblich sind, dieser Methode grundsätzlich vorzuziehen?

Franz



Tino
Beiträge: 78
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von Tino »


Hallo,

gute Frage! - Leider kann ich dazu keinerlei praxis-relevante Aussage beisteuern, da ich mich auch gerade erst versuche mit dieser Materie (Fingerzinken) auf theoretischem Wege Schlau zu machen.

Aber rein von der (theoretischen) Überlegung her kann ich mir vorstellen, sofern ich jetzt keinen Denkfehler mache, dass der Versatz bei Verwendung einer Fingerzinkschablone in der Horizontalen dann geringer sein müßte, da man dort ja (bis auf den Anfangspunkt) gleichmäßig fest vorgegebene Abstände hat. Sprich der Fehler summiert sich hier dann wahrscheinlich nicht kontinuierlich bei jedem Zinkenabstand auf, sondern stellt sich wohl stattdessen mehr in einer einmaligen Gesamtverschiebung vom Anfangspunkt dar. - Ich hoffe das ich mich hier nicht zu wirr ausgedrückt habe und das sich nachvollziehen läßt was ich meine.

Viele Grüsse

Tino



Guido Henn
Beiträge: 768
Registriert: Do 7. Dez 2017, 18:02

Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von Guido Henn »


Hallo Franz,

die Methode mit dem Nagel (Dübel, Schraube etc.) halte ich persönlich nicht für das "Gelbe vom Ei". Wesentlich präziser wird das Ganze, wenn du einfach in ein Restbrett die gewünschte "Fingernut" mit dem Nuter sägst und dann versuchst ein Holzklötzchen (Leiste) zu sägen, das absolut exakt und spielfrei in diese Nut passt. Damit hast du dann die erste Hürde genommen, dass dein Brett während des Sägens nicht mehr hin und her verrutschen kann, damit können sich dann auch Fehler beim Anlegen nicht mehr aufsummieren. Der nächste Schritt ist den Abstand des Holzklötzchens zum Sägeblatt 100%ig einzustellen. Damit kannst du dann die Passgenauigkeit der Verbindung einstellen - lockerer bzw. fester.

Da die Vorgehensweise auf der Säge nicht so viel vom Frästisch abweicht, kannst du dir mal ein Video von mir zu einer Fingerzinkenvorrichtung ansehen. Dort lassen sich sowohl die Fingerbreite als auch der Abstand zum Fräser völlig stufenlos einstellen. Die Präzision der Fingerzinken sind bei sorgfältiger Einstellung absolut perfekt und meiner Meinung nicht mehr zu toppen ;-)

Hier der Link zum Video: http://www.holzwerken.net/fingerzinken.wmv

In der Zeitschrift "HolzWerken" (Februar 2007) gibt es auch die passende Bauanleitung dazu.

Schöne Grüße

Guido



Dirk D
Beiträge: 123
Registriert: Mo 28. Mär 2016, 16:08

Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von Dirk D »


Hallo Franz,
selbst bei der Methode die Guido vorschlägt, musst Du unbedingt darauf achten,
dass die Bretter bei zunehmender Breite sich nicht geworfen haben. Sie müssen Plan sein. Notfalls musst Du Sie zwischen zwei Hölzer spannen.
Am besten mit Resthölzern eine Probe machen.

Gruß, Dirk


F. Bergmann
Beiträge: 3
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von F. Bergmann »


Hallo Guido,

schöner Film, welcher den Sachverhalt sehr gut darstellt.

Ich bin überzeugt, dass das mit der geringen Anzahl von den 5 gezeigten Zinken noch wunderbar geht. Aber was ist, wenn ich z.B. ein 60cm breites Möbelstück mit 37 Fingerzinken habe? Die Summe der Ungenauigkeiten dürfte dabei wegen der höheren Anzahl der Zinken deutlich größer sein, oder?

Deshalb meine Ausgangsfrage, ob das in der Praxis nach dem gezeigten Prinzip noch funktioniert, oder ob eine Zinkenschablone wie z.B. Festool VS 600 dem vorzuziehen ist.

Franz



Guido Henn
Beiträge: 768
Registriert: Do 7. Dez 2017, 18:02

Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von Guido Henn »


Hallo Franz,

wenn du derart große (breite) Werkstücke mit Fingerzinken versehen möchtest, ist das VS 600 in der Tat besser geeignet. Theoretisch ist es natürlich auch auf dem Frästisch möglich und wenn alles gut eingestellt ist gibt es in der Regel auch keine Ungenauigkeiten - aber auch hier: theoretisch ist es möglich, dass sich minimale Ungenauigkeiten bei so vielen Zinken aufsummieren. Meine Tests beschränkten sich bisher auf ca. 20 cm breite Bretter mit 6 , 8 und 10 mm Fingerzinken und die waren perfekt!

Ich würde dir also in deinem Fall eher zum VS 600 raten und den dazu passenden Spiralnutfräser mit gefertigter Sonderpräzision (so steht's im Festool Katalog ;-) ). Warum das so wichtig ist hast du ja bereits im ersten Beitrag festgestellt. Alles muss genau aufeinander abgestimmt sein, Fräser Kopierhülse und Schablone. Deshalb kannst du auch keine nachgeschärften Fräser auf dem VS 600 einsetzen! Das funktioniert ausschließlich beim Leigh Zinkengerät mit der konisch zulaufenden Kopierhülse, die man dann entsprechend nachjustieren kann.

Genau deshalb und weil ich öfter kleinere Werkstücke fingerzinke, habe ich die im Video zu sehende Vorrichtung gebaut. Mit der kannst du jeden!!! Nutfräser egal ob nachgeschärft, metrisches oder Zoll Maß benutzen.

Schöne Grüße

Guido



Tino
Beiträge: 78
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von Tino »


Hallo Guido,

eine schöne Vorrichtung hast Du da konstruiert und das zugehörige Anschauungsvideo dazu ist auch prima. - Da bekommt man richtig Lust aufs ausprobieren, welches bei mir aber leider schon daran scheitert, dass ich erst seit kurzem eine OF1010 habe jedoch keinerlei Frästisch oder dergleichen.

@Franz

Bei der Kurswerkstatt gibt es zwei Workshop-Hefte (1+2) zu dem Thema Oberfräse, welche ich mir bestellt hatte. Im ersten Workshop-Heft erklärt Guido viel wissenswertes ausführlich zu Oberfräsen und ich bin froh das ich mir diese Ausgabe gekauft habe. - Im zweiten OF-Workshop-Heft, welches für Dich dann vielleicht interessant sein könnte, erläutert Roland Heilmann ausführlich den Umgang mit dem Festool VS600.

Viele Grüsse

Tino



Roland Heilmann
Beiträge: 137
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Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis *MIT BILD*

Beitrag von Roland Heilmann »


Da ich das VS 600 von Festool ganz gut kenne: mit diesem Gerät kannst du maximal nur 10 mm breite Fingerzinken fräsen, das sieht (aus meiner Sicht) bei 60 cm breiten Brettern sehr filigran aus.

Wir verwenden in der kurs.werkstatt seit einiger Zeit mit großem Erfolg die WoodRat u. a. für Fingerzinken. Damit kannst du die Breite der Zinken völlig frei bestimmen - und es klappt perfekt ohne Metall-Schablone, denn die Schablone ist das zuerst gefräste Zinkenstück, nach diesem fräst du dann das Gegenstück. Du kannst auch unterschiedlich breite Zinken fräsen, z. B. wenn du eine Kiste oder Schatulle baust, die du anschließend aufsägst. Dort wo der Sägeschnitt verläuft, machst du den Zinken um die Sägeblattdicke breiter.

Übrigens gelingen meinen Praktikumsstudenten mit der WoodRat nach kurzer Einübungszeit bereits perfekte Ergebnisse, hier ein Beispiel:

Das Bild zeigt die Herstellung von ca. 60 mm breiten Zinken an einem 30 mm dicken Eichenbrett. Es wurden drei U-förmige Hocker hergestellt, hat bestens geklappt. Der Prakitkant hat hier nur nach Anriss gefräst - also so wie man früher meisterlich mit Handwerkzeugen gearbeitet hat, nur übernimmt hier die geführte Oberfräse die Arbeit, der Handwerker braucht ein gutes Auge um den Fräser exakt am Anriss zu führen, und das ist nicht wirklich schwierig.

Warum das einfach ist? Wie man am Foto sieht ist das Werkstück vertikal unter dem Frästisch an einem verschiebbarem Aluprofil mit Exzenterklemmen festgespannt, mittels einer Kurbel wird das Werkstück seitlich verschoben. Die Oberfräse wird auf dem Frästisch vor und zurück bewegt. Sie wird von zwei Führungsschienen geführt. Die Oberfräse selbst ist auf einer Führungspatte festgeschraubt. Damit ist eine exakt rechtwinklig zur Werkstückante verlaufende Fräsung gegeben.

Man kann bei der WoodRat jeden Nutfräser verwenden, auch wenn er nachgeschliffen wurde.

Die WoodRat ist NICHT geeignet für Holzwerker, die nicht über traditionelle Schreiner - Tischler - Eigenschaften verfügen: Geduld, Ausdauer, Forschergeist, Frustrationstoleranz, Experimentierfreudigkeit, Offensein für Neues. Verfügt man über diese Eigenschaften, wird man mit diesem Gerät unglaublich viel Freude haben, besonders wenn man gerne mit Massivholz klassische Holzverbindungen herstellen will.

Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung

Beste Grüße aus der kurs.werkstatt

Roland Heilmann



Markus Kaps
Beiträge: 184
Registriert: Sa 24. Aug 2013, 22:08

Re: Fingerzinken - Genauigkeit in der Praxis

Beitrag von Markus Kaps »

[In Antwort auf #44864]
Hallo,

ich habe mit einer an Guido nachempfundenen Vorrichtung Kisten von bis zu 40 cm Kantenlänge mit recht feinen Fingerzinken (1 cm breit) gebaut. Dabei war genau das Problem, das Du schon vermutest und Guido bestätigt hat: Es war ein hoher Aufwand in der exakten Einstellung von Zinkenbreite und Zinkenabstand nötig (und auch entsprechenden Abfallhölzern), um passable Ergebnisse zu erreichen. Ohne Hammer habe ich die aber nie zusammen gebracht. Nach ca. 15 cm fangen die Teile einfach zu klemmen an, da in der gesamten Fräskonstruktion und dem Werkstoff Holz zu viel Spiel ist, um einen kumulierten Fehler vermeiden zu können. Hier sind Schablonen oder vielleicht auch die Woodrat, was ich aber beides noch nie benutzt habe, sicher besser geeignet, weil hier nur nach einer Schablonenbreite ein neuer Fehler hinzukommt und nicht nach jedem einzelnen Zinken.

Mit freundlichen Grüßen
Markus



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