Trocknen einer Baumscheibe

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Philipp
Beiträge: 891
Registriert: Mi 21. Nov 2012, 14:14

Re: Trocknen einer Baumscheibe

Beitrag von Philipp »


Meine dicke Birnbaumscheibe ist nach einigen Wochen mirnichtsdirnichts über Nacht fett gerissen. Eine Vorankündigung ihrerseits gab es nicht.

Ansonsten versiegele ich die Hirnholzseiten auch, denn das bringt scheinbar eine Menge. Allerdings nehme ich erhitztes, flüssiges Paraffin, das ich mit einem Pinsel auftrage und das noch ein bißchen ins Holz einzieht.

Gruß, Philipp

Ralf
Beiträge: 302
Registriert: Sa 24. Okt 2020, 20:23

Re: Trocknen einer Baumscheibe/Paraffin

Beitrag von Ralf »


...ja, Paraffin wird auch oft genommen! Es hat aber einen ganz entscheidenden Nachteil:

Bei der Bearbeitung ist es unvermeidbar, Spuren davon auf dem Werkstück zu verteilen. Diese sind eine ernstzunehmende Beeinträchtigung, wenn das Stück später lackiert oder irgendwo geleimt werden soll/muss!

Bei Holzleimversiegelung treten diese Beeinträchtigungen nicht auf!

Ralf

thomas

Re: Trocknen einer Baumscheibe/Paraffin

Beitrag von thomas »


gerade auf messen taucht immer wieder von laien die frage auf, wie wir die baumscheiben an unserem messestand (vollholztischlerei) so nahezu rissfrei trocknen konnten. der trick: die scheiben sind nicht senkrecht zur stammachse, sondern immer schräg geschnitten, natürlich möglichst so, dass aufgrund unregelmäßigen faserverlaufs dies wenig auffällt. beim schwinden werfen sich die scheiben, der schwund wird dadurch aufgefangen.
soweit ich das problem durchschaut habe, kann man eine baumscheibe anders nicht rissfrei trocknen, da reicht etwas mathematik und wissen um holztrocknung.

das problem:
holz schwindet tangential ungefähr doppelt so stark wie radial.
am beispiel eines fiktiven 100mm messenden buchenstammes der vom grünholz (>30% auf 10% holzfeuchte trocknet:

durchmesserschwund:
100mm x 20% holzfeuchtdifferenz x 0,2 diff. radialschwundmaß buche = 4mm
durchmesser des trockenen stammes also 96mm, umfang (d x pi) 302mm

umfangsschwund:
314mm x 20% holzfeuchtedifferenz x 0,4 diff. tangentialschwundmaß buche = 25mm
die äußere "borke" schwindet also auf ein "umfangsmaß" von 289mm.

da der wirkliche umfang 302mm ist´, die "borke" aber nur 289mm bedeckt, müssen risse von insgesamt 13mm entstehen.

FAZIT: theoretisch ist es unmöglich, eine holzscheibe, selbst wenn sie noch so sehr präpariert wurde, rissfrei zu trocknen.
der effekt lässt sich sicher vermindern, aber die meisten scheiben sind wohl größer als 100mm, die risse also deutlich größer als 13mm. das wird man durch keine, das holz vergewaltigende, absperrende maßnahme aufhalten können.

ich hoffe ihr konntet folgen. berichtigt mich bitte, wenn ich einen denkfehler gemacht habe.

bin gespannt auf eure anmerkungen,
thomas



Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Re: Trocknen einer Baumscheibe/Paraffin

Beitrag von Christof Hartge »


Hallo Thomas,
auch wenn ich es noch nicht so präzise durchgerechnet habe, würde ich auch sagen: Das kann nicht gehen.
Es ist schon bei normalem Aufschnitt nicht ganz einfach, das Arbeiten des Holzes unauffällig zu machen, aber so geht es nun mal nicht.
Höchstens so: Die gesamte Baumscheibe wird unter Hoch´druck in klarem Kunstharz eingeschlossen. Kein Feuchtigkeitsaustausch mehr, also auch keine Rißbildung. Oder man bewahrt sie immer im Wasserdampf auf. Na, ja ...

Viele Grüße, Christof

Franz Kessler
Beiträge: 2298
Registriert: Mi 27. Nov 2019, 21:09

Re: Trocknen einer Baumscheibe/Paraffin

Beitrag von Franz Kessler »


also ich kenne auch nur die eine brauchbare Lösung, die Scheibe schräg zur Stammachse zu schneiden wobei der Winkel schon recht groß sein muss. Ich habe z.B. einige Rehgehörne die auf so geschnittenen Scheiben befestigt sind. Jeder der schon mal Holz im Wald geschlagen weis wie schnell es geht bis z.B. ein frisch gefällte Buche mit einem kurzen knackigen Geräusch anzeigt, das der erste Riss entstanden ist. Vor kurzem erklärte ich noch meinem Sohn er solle beim spalten mit dem Spalthammer immer diesen Riss versuchen zu treffen da an dieser Stelle es am einfachsten geht. Ich will damit sagen Eile ist geboten wenn man beim Schrägschneiten eine rissfreie Scheibe erhalten will.

Gruß Franz

Ralf
Beiträge: 302
Registriert: Sa 24. Okt 2020, 20:23

Re: Trocknen einer Baumscheibe Schwindmaße

Beitrag von Ralf »

[In Antwort auf #97281]
Die Rechnung ist sicher richtig, aber unvollständig, denn:

1. Auch der Kern schwindet durch das Trocknen!
2. Holz ist, wenn auch quer zur Faser nur wenig, dehnbar!
3. Holz ist, wenn auch begrenzt, komprimierbar!

Die theoretische Rissweite berechnet sich also:
Rissweite = (Schwund Splint) minus (Schwund Kern) minus (Splintdehnung) minus (Kernkompression)...und das kann, bei behutsamer und gleichmäßiger Trocknung, eben doch Null sein...
Wäre es nicht so, müsste jeder Stamm über die volle Länge gerissen sein!
Oft reißt ein Stamm aber nur an den Enden, während er in der Mitte intakt bleibt, da hier die Feuchte langsamer und gleichmäßiger abgegeben wird.
Gelingt es, dies (durch Versiegelung und langsame Trocknung) auch an den Enden zu erreichen, kann die Rissbildung ausbleiben!

Ralf



thomas

Re: Trocknen einer Baumscheibe Schwindmaße

Beitrag von thomas »


hallo ralf, ich kann dir ehrlich gesagt nicht folgen. bei diesem schwundproblem ist die unterscheidung in kern und splint doch überhaupt nicht nötig.
bei meiner rechnung hab ich jedenfalls beide einbezogen. die dehnung bzw. komprimierung hab ich bewusst weggelassen, aber klar, eigentlich ist sie zu berücksichtigen. der größte teil des "theoretischen rissmaßes" wird sich praktisch außerdem auf viele kleine, kaum sichtbare risse aufteilen.
aber es hat schon seine berechtigung, dass man geschlagene stämme möglichst vor trockung auf unter 30% holzfeuchte (fasersättigungsbereich) in bohlen sägt, da die stämme sonst eben doch mit größter wahrscheinlichkeit reißen.
grüße aus aus meiner weihnachtlichen gesellenstückbaupause,
thomas

Karsten
Beiträge: 69
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Trocknen einer Baumscheibe/Paraffin

Beitrag von Karsten »

[In Antwort auf #97281]
Ob die Rechnung stimmt oder nicht ist glaube ich unerheblich. Es wird auf jeden Fall sehr deutlich, daß radial und tangential Schwund um Größenordungen auseinander liegen und bei zu schneller Trocknung zu Rißen führt.
Ich würde den Stamm im Ganzen lassen die Enden versiegeln (Parafin oder wie früher beschrieben Holzleim) und ihn an einem geeigneten Ort komplett trocknen lassen. Wenn die Bedingungen an diesem Ort stimmen (keine Sonne, luftig, nicht zu niedrige Luftfeuchte und etwas Glück), trocknet der Stamm im Ganzen oder reißt nicht komplett. Das dauert natürlich lange (Jahre). Ich habe so ein Stück Obstgehölz rißfrei mit einem Durchmesser von ca 40cm bei meinem Nachbarn als Hackklotz entdeckt. Garntiert 50 Jahre getrocknet! Ich habe mir eine Scheibe davon abgeschnitten und in meiner sehr trockenen Wohnung testhalber deponiert. Keine nachträglichen Riße!
Fazit nur Mut! Es geht mit viel Geduld.
PS: Die Methode einen schrägen Schnitt zu machen kenne ich noch nicht, klingt aber plausibel und vergrößert nebenbei noch die Fläche. Hat für mich aber die Gefahr von Verwerfungen. (theoretisch durchdacht)

Hans-Günter König

Re: Trocknen einer Baumscheibe

Beitrag von Hans-Günter König »

[In Antwort auf #96473]
Am Allerbesten ist es aus dem Stamm Bohlen zu sägen und diese zun trocknen.
Dann aus den Bohlen Leisten zu schneiden, aus diesen dann Leimholz herzustellen und daraus dann die Tischplatte auszusägen.Beim schneiden der Leisten, die Breite gleich der Stärke der Tischplatte.

Soll aus dem Stamm Drechselholz werden, dann den Stamm spalten ( vierteln ), einzelne Abschnitte runddrehen und diese dann in Kartons mit Sägespänen einlagern für mehrere Jahre. Somit verziehen sie sich nur, aber reißen nicht, weil sie gleichmäßig von allen Seiten trocknen. Das gleiche macht man mit
Bohlenstücken zum Querholzdrechseln. MfG Hans-Günter

Hubert
Beiträge: 6
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Trocknen einer Baumscheibe Schwindmaße

Beitrag von Hubert »

[In Antwort auf #97336]
Hallo zusammen
Auch wir haben das große Problem der rißfreien Stammtrocknung. Die besten Erfahrungen haben wir damit gemacht: 1. Winterfällung (Dezember/Januar) 2. Den Stamm mind 1 Meter lang lassen 3. Hirnholzflächen sofort mit Leim oder Lack versiegeln
4. die Rinde entfernen und an den Enden einen Rindenring mit mindestens 15 cm stehenlassen 5. den Stamm im Freien und im Schatten (nordseitig)trocknen lassen.
Der Stamm trocknet mit geringer Rißbildung. Bei Zwetschgenbäumen hat das aber alles nichts genützt.
Eine weitere wirksame Möglichkeit ist das einschlagen von Eisenringen über Hirn (macht man so bei Wassertrögen), dadurch wird allerdings das erste Stück unbrauchbar.

MfG

Hubert


Antworten