Geiz ist doch geil

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Boris Ritscher

Geiz ist doch geil

Beitrag von Boris Ritscher »


Vor drei Jahren habe ich mir, in einem Zustand geistiger Umnachtung,auf einem Flohmarkt zwei "tolle" eiserne Bankhobel für zusammen 20 Mark gekauft.Meine Schreinerkarriere war damals vier Wochen alt ,und entsprechend groß mein Wissen um die Qualitätsmerkmale guter Hobel.Zuhause angekommen, wurden die beiden "Schnäppchen" erst einmal einem Praxistest unterzogen."Äähm,also,tja,Mist,Schei.............da wackelt ja echt alles".Kurz und gut,die Dinger wanderten ins Regal,wo sie auch die nächsten zwei Jahre blieben.Mittlerweile erfahrener in Sachen Holz(nicht zuletzt eures tollen Forums wegen),wagte ich einen erneuten Anlauf: Erst mal schauen woran es liegen kann.Bestimmt nicht am Messer,welches mich mit seiner gewaltigen Stärke von gut und gerne 1,5mm echt beeindruckte, und das aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem gleichen Stahl wie der Bug der Titanic gemacht ist.Erst recht nicht an der Tatsache,daß der Hersteller dieses Nonamehobels zur Bearbeitung der Sohle statt Fräsen oder Schleifen lieber die Glättung mit Flex und Schruppscheibe anwendete.Der Spanbrecher ist toll und wenn das mit der Materialermüdung stimmt mindstes eine Million Jahre alt.Die Griffe sind eine echte Innovation,dank der vielen Rotznasen hat man auch mit feuchten Händen einen prima Halt. So,jetzt mal im Ernst. Die Sohle habe ich auf dem Stationärbandschleifer glatt,gerade und die Seiten winklig dazu geschliffen(dauert ca.2 Stunden).Das "Schuhlöffeleisen"wurde durch ein altes Ulmiaeisen ersetzt und die Maulöffnung dem neuen,dickeren Eisen angepasst,da sich der Frosch nicht richtig verstellen läßt.Den viel zu kleinen Griff habe ich durch einen selbstgemachten, größeren aus Kirsche ersetzt,den Spanbrecher noch angepasst(neuer ist in Planung)und los gings.die Hobelergebnisse waren echt super und die Mühe schnell vergessen.Den Hobel gibt es für 9,50€ bei Westfalia.Viel Glück Ihr werdet es brauchen.

Friedrich Kollenrott
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mein Mitgefühl hast Du!

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


ja, es ist immer wieder ein Abenteuer.
Ich hatte mich wirklich schon häufig gefragt, was das für ein unglaublich billiger Eisenhobel ist im Westfalia- Katalog. Jetzt weiss ich es also und brauchte es nicht selbst probieren.
Ich hatte vor zwei Tagen einen ähnlichen Reifall: Ein Stanley Nr. 4 (ebay) aus Kanada, auch im Zustand geistiger Umnachtung ersteigert. Oder wohl eher ein Frustkauf, obwohl das Bild verdächtig unscharf war.
Nach dem Auspacken habe ich das Ding zerlegt, ein paar Zollschrauben in den Fundus getan und den Rest in den Schrott. Schwamm drüber.
Ansonsten aber: Es ist (nach überwiegend positiven Erfahrungen kann ich das sagen) durchaus empfehlenswert, alte eiserne Hobel über ebay zu kaufen (in den USA, u.U. auch in England). Meistens hat man Glück (oder einen seriösen Verkäufer). Ein durchaus guter Stanley #4, Vorkrieg (mit Palisandergriffen) ist für etwa 20 - 30 $ zu kriegen. Das Risiko hält sich also in Grenzen. Und damit hat man, nach ein bis zwei (manchmal auch drei) Stunden Arbeit beim Herrichten, einen guten Hobel.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Ein neuer Clifton oder Lie Nielsen ist besser. Kunststück, kostet ja auch das Zehnfache.

Friedrich


Thomas Jacobi
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Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Geiz? Bewundernswerte Hartnaeckigkeit

Beitrag von Thomas Jacobi »


Ach Boris,

habe recht herzlich in mich hineingekichert und nicht wegen des sprichwoertlichen Schadens und Spott und so, keine Spur. Wie Du und Friedrich hab auch ich, vielleicht jeder von uns, meine Erfahrungen, gute und weniger gute mit 2nd, 3rd oder 35th hand Werkzeug gemacht.
Wovor ich mit Ehrfurcht und offenem Mund staune ist Deine Hartnaeckigkeit wie Du aus dem armen Hobelunding unbedingt ein lebendiges Werkzeug machen wolltest und gemacht hast.

Mein erster Metallhobel war ein "neuer"!! Stanley ausm Laden. Ich bildete mir in meiner grenzenlosen Naivitaet ein das Ding sei aus der Schachtel heraus eine Offenbarung und das war es auch. Ich kehrte zu Holzhobeln zurueck bis ich Jahre spaeter eines Tages bei den Neanderthalern die ich glaube 18 Schritte zum Tunen eines Metallhobels las und so gut ich konnte befolgte. Was dabei rauskam war verglichen zu vorher eine Wonne. Spaeter tunte ich gleich von vornherein als ich ueber ebay einen Vorkriegs-5er erstand (10 USD und zwanzig Porto)und ich hab heute noch meine Freude an dem Ding. Als naechstes kam ein 110er (20USD+20 Porto)und nun jage ich sporadisch wenns mich mal packt nach weiteren kleinen Flachwinklern, meine Kurzen kommen langsam ins Alter wo ich den Vorwand gebrauchen kann ich wuerde an ihre Werkzeugkiste denken?!
Einmal kam mir ein verdaechtig billiger ins Netz,(Miller Falls) der hatte dann einen Riss im Korpus und scheppert elendlich wenn er uebers Holz gleitet.

Moral von der Geschicht : jede Erfahrung ist ihr Geld wert. Mal zahlt man den Hobel ein anderes mal Lehrgeld. Wenn man lange genug dran bleibt kommt der Spass auf aller Faelle. Nun gibt es in den USA schon einige ebay-Anbieter von alten und neuen Japanhobeln bis runter zu 30 USD. Was die wiederum bringen kann ich nicht sagen, ich habs noch nicht probiert.
Jedenfalls nochmals Dank fuer Deinen Beitrag. Hat Riesenspass geacht zu lesen.
Thomas

Juergen Fuchs
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Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: mein Mitgefühl hast Du!

Beitrag von Juergen Fuchs »


Hallo Friedrich,

ich habe bei ebay in England einen recht schönen Stanley #4 für nur 13 Pfund erstanden. Nach Aussage des Verkäufers sei der aus den 60'ern. Er hat Holzgriffe und das Messingstellrad. Nach Augenschein ist die Sohle recht plan und auch die Mechanik hinterlässt einen soliden Eindruck.

Könntest Du mit einige Tipps geben, was ich noch prüfen und herrichten sollte?

Das ist mein erster Metalbankhobel (neben einem Record 60 1/2). Sehr gut gefällt mir die einfache Verstellbarkeit von Spanstärke und Lateralneigung.

Viele Grüße

Juergen

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

eisernen Putzhobel zurechtmachen

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Jürgen,
ein #4 ist schnell zurechtgemacht. Ich bin so vorgegangen:
- Alles zerlegen (ist ja nicht viel)und Schmutz, Rost entfernen.
- Kontaktflächen zwischen Frosch und Hobelkörber sorgfältig säubern (ggf. am Hobelkörper sauberkratzen oder -schaben, am Frosch leicht über feines Schleifpapier ziehen.
(Ich gehe davon aus, dass diese Flächen plangefräst oder -geschliffen sind, in der Endphase des Niederganges gab (gibt) es, ich weiss nicht ob auch von Record, Hobel bei denen die Flächen unbearbeiteter lackierter Guss sind).
- Auflagefläche für das Eisen (am Frosch) säubern, evtl. mit etwas Schleifpapier, auf ein Holzstückchen geklebt.
-An Muttern zur Befestigung der Griffe ggf. Grate wegfeilen, dann vorsichtig in Bohrmaschinenfutter spannen und mit feinem Schmirgelpapier / Stahlwolle blank machen
- Griff und Knopf überarbeiten. Wenn der Hobel aus den 60ern ist, hast Du wohl Buchenholz, schwarz angemalt. Sorgfältig abschleifen. Den Griff mit zusammengefalteten )dann hats die richtige Anpassungsfähigkeit, ist aber auch steif genug) Schleifpapierstücken. Den Knopf auf M6- Gewindestange stecken, vorsichtig mit Scheiben zwischen Muttern spannen. In rel. langsamlaufende Bohrmaschine spannen und mit drangehaltenem Schleifpapier abschleifen und polieren. Anschließend schwarz beizen und mit Firnis endbehandeln. Sieht gut aus und fühlt sich gut an. Wenn Du Palisander hast, nach dem Schleifen nur Firnis.
Hobelsohle ist normalerweise krumm oder stark verkratzt. 80er Schleifpapier (offenes Trockenschleifpapier, rückseitiges Klebeetikett entfernen!) auf Glasplatte, Granitfliese o.ä. kleben und Sohle darauf trocken abrichten. Dabei nicht in irgendeine Richtung drücken, damit die ganze Fläche ein gleichmäßiges Schleifbild hat(dann wird die Sohle nicht gerade!) , sondern die Fläche einfach langsam kommen lassen bis alles gleichmäßig ist.

Bleiben nur noch Eisen und Spanbrecher. Das ist aber wie bei allen anderen Hobeln auch.

Viel Spass!

Friedrich



Juergen Fuchs
Beiträge: 135
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: eisernen Putzhobel zurechtmachen

Beitrag von Juergen Fuchs »


Hallo Friedrich,

vielen Dank für die ausführlichen Hinweise.

Glücklicherweise sind die Metallteile von dem Vorbesitzer bearbeitet worden. Die Sohle ist -bis auf eine Delle in der Mitte und leichten Abflachungen ganz am Rand- im Bereich des Mauls schön eben. Das bestätigte sich beim Abziehen auf der Glasplatte.

Die Griffe habe ich schon bearbeitet. Der Lack war in grossen Teilen abgeblättert und den Rest konnte ich recht leicht mit der Ziehklinge und Schleifpapier entfernen. Bei dem Holz hätte ich auf Eiche getippt, vielleicht auch Buche, in jedem Fall kein Palisander (schade). Ich habe nicht gebeizt sondern einfach geölt. Das sieht schön patiniert aus.

Was mich besonders stört ist das starke Spiel in der Spandickenverstellung. Ich kann die Messingschraube ca. eine halbe Umdrehung ohne Effekt verstellen. Damit ist keine so präzise Eisenverstellung möglich wie bei einem Keilhobel mit dem Hammer. Das gleich Problem zeigt sich übrigens auch bei meinem (neuen) Record 60 1/2, mit dem ich sonst sehr zufrieden bin.

Ist das normal bei dem Stanley oder kann ich da noch etwas verbessern?

Ebenfalls nicht wirklich überzeugt das nagelneue Stanley-Eisen, das der Vorbesitzer so angepriesen hat. Es ist das labberigste Eisen, das mir bisher untergekommen ist (ich habe sonst hauptsächlich ältere Ulmia-Hobel).

Die beiden Punkte sind angesichts der sonst schweren und soliden Ausführung eigentlich unverständlich. Durch das Spiel wird der Nutzen der komplexen Verstellmechanik stark abgewertet und ein etwas stärkeres Eisen kann auf der Kostenseite eigentlich auch nicht so 'reinhauen.

Unterm Strich gibt der #4 wohl einen brauchbaren Doppelhobel für grobere Arbeiten ab. Die Lateralverstellung funktioniert gut. Als Putzhobel kann ich den nicht einsetzen.

Ich habe kürzlich einen sehr schönen Reformputzhobel mit Pockholzsohle und Maulverstellung der Marke Westfalia(!) ersteigert, fuer etwa das gleiche Geld. Mit dem "Schraubkeil" und einem leichten Hammer lässt der sich wunderbar in Spandicke und lateral eistellen. Mit dem bekomme ich wesentlich feiner Späne als mit dem #4.

Viele Grüße

Jürgen

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: eisernen Putzhobel zurechtmachen

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Jürgen,

Das starke Spiel in der Spandickeneinstellung ist normal. Das liegt vot allem daran, dass der Nocken an dem Umlenkhebel dort, wo er in ein gestanztes Loch der Klappe eingreift, viel Spiel hat. Das kann man nicht so ohne Weiteres ändern.
Ich verstehe aber nicht, wieso die Genauigkeit der Spandickeneinstellung darunter leidet. Es ist nur ein wenig lästig. Die Einstellung macht (und korrigiert) man sowieso am besten auf dem Holz (während der ersten Hobelstriche), und das ist eben der Vorteil gegenüber dem Keil.
Die dünnen Eisen: Originaleisen von Stanley sind nur 2mm dick, und das kann schon mal Probleme machen (bei schwierigerem Holz). Ich habe zwei Hobel mit Eisen von Hock, die deutlich dicker sind und wirklich Vorteile bringen. Da vergrößert sich übrigens das Spiel an der Spandickeneinstellung nochmal deutlich, weil sich der Abstand zwischen Umlenkhebel und Klappe vergrößert.

Dass man einen solchen Eisenhobelk nicht als Putzhobel einsetzen könnte, bestreite ich. Sogar mit dem dünnen Originaleisen kann man damit in den meisten Fällen wunderbar putzen, wenn Klappe und Maulweite sorgfältig eingestellt sind.

Friedrich

Oliver Montué

Re: eisernen Putzhobel zurechtmachen

Beitrag von Oliver Montué »


Ich benutze einen modernen Record #4 mit Clifton Hobeleisen als Putzhobel und bin zufrieden.

Das Spiel bei der Eisenfeineinstellung ist nicht tragisch. Fahre das Eisen erstmal deutlich sichtbar aus und stelle es parallel zur Hobelsohle ein. Danach ziehe es zurück, bis es gerade im Hobelkörper verschwindet. Setze den Hobel aufs Holz und stelle das Eisen vorsichtig tiefer und führe einen Teststrich durch. Ich finde das deutlich einfacher als mit Hammer und Keil, vor allem, wenn man zwischen seinen Holzwerkerzeiten viel Zwischenraum hat und das Gefühl ein bischen verloren hat.

Bis dann
Oliver

Thomas Jacobi
Beiträge: 327
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: eisernen Putzhobel zurechtmachen

Beitrag von Thomas Jacobi »


Hallo Friedrich

Ich schliesse mich hier Deinen Ausfuehrungen an und insbesondere dem letzten Satz. Auch ich habe aus einem 4-er Stanley, frisch gekauften, (ja ich war noch gaenzlich unbedarft) ein funktionelles Werkzeug machen koennen trotz seines 2mm Blattes.

Allerdings benutze ich es fast nicht mehr da ich die Schnitthaltigkeit nicht berauschend finde und ausserdem libidomaessig eher auf woodies mit alten laminierten Blaettern zum Putzen zurueckgreife. Patiniertes Obstholz hat halt ein total anderes sex-appeal fuer mich als Plastik (zum Anfassen). In absehbarer Zeit werde ich vermutlich ohnehin in Richtung Kannas mutieren.

Die kleinen staehlernen 100 Jahre alten mit ihren bauchigen vernickelten Klappen und womoeglich einstellbarem Maul, da wirds wieder heiss. Aber das ist ein anderes Thema, wir waren ja bei Putzhobeln.

Hat hier eigentlich noch niemand die australischen Gordons oder die chinesischen aus Niederbayern getestet?

mit Gruss und Drumunddran,
Thomas

Juergen Fuchs
Beiträge: 135
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: eisernen Putzhobel zurechtmachen

Beitrag von Juergen Fuchs »

[In Antwort auf #96934]
Hallo,

danke für die Kommentare. Ich werde noch ein wenig mit dem #4 üben.

Als Anfänger, der weder mit dem Eisen- noch dem Holzmodell Erfahrung hatte, kann ich nur sagen, dass es mir leichter fällt, mit dem Holzputzhobel einen feinen Span zu erzeugen. Wahrscheinlich hat da aber auch jeder seine eigenen Vorlieben.

Viele Grüße

Jürgen

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