Schmer

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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reinhold
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Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Schmer

Beitrag von reinhold »


hallo,
in einem anderen Forum erzählte ich über eine Uralt-Methode zum Fetten/Schmieren von Hobelsohlen/Maschinentischen/Werkzeuggriffen/Sägeblättern etc und wurde gebeten, dies auch hier einzustellen. Also , da ist mein Beitrag :

ha !
jetzt sind wir bei den Rezepten der Altvorderen angekommen! Der Witz an der Geschichte : sie funktionieren ! Schon mein Grossvater (an dieser Stelle stöhnt meine Tochter und rennt aus dem Zimmer), also schon mein Grossvater benutzte "Schmer", das ist Schwäbisch und bedeutet "Fett", zum Einreiben von Sägeblättern, Hobelsohlen, aber auch Werkzeugstielen, wie Spaten, Hammer etc.
Er nahm keinen Rindertalg, den hätte er kaufen müssen (Schwaben geben nicht gerne Geld aus) und die Zubereitung ist ein bisschen umständlich, sondern schlicht und einfach einen Sau-Nabel. Das ist ein Fettklumpen, der um den Nabel eines Schweines wächst. Der Nabel kann vom Metzger nicht verwendet werden, man erhält ihn umsonst. Man muss ihn auch nicht aufbereiten, sondern verwendet ihn so roh, wie er ist. Erstaunlicherweise wird ein Saunabel nicht ranzig - ich verwende immer noch das alte Stück, das ich von meinem Vater geerbt habe (und der ist auch schon wieder 15 Jahre tot).
Ich bin weder Chemiker noch Biologe und weiss nicht, warum ein Nabel nicht schlecht oder ranzig wird, aber es ist so.
Mein Vater pflegte immer zu sagen, dass Werkzeugstiele, die mit einem Nabel geschmiert wurden, keine Blasen verursachen. Stimmt. Ich habe schon lange keine mehr gehabt.Ich schmiere auch den Spatengriff und die anderen Gartengeräte. Und über das Gusseisenbett meinen Drehbank streiche ich auch gelegentlich damit drüber - kein Rost und einen leicht gleitenden Reitstock bzw. Handauflage.
Redet mal mit Eurem Metzger und probiert es aus - es kostet nichts, funktioniert und ist umweltfreundlich. Am Nabel befindet dann meist noch ein Stück einer Ader, da kann man mit einem Knoten eine Aufhängeöse daraus formen. Achtet mal drauf - in den meisten Bauernhausmuseen hängt in der Nähe der Sägen so ein griffbereiter Saunabel.
viele Grüsse
reinhold

Wolfgang Jordan
Beiträge: 1348
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Re: Schmer

Beitrag von Wolfgang Jordan »


Hallo Reinhold,

danke für den Tip! Ob ich mich dazu überwinden kann, mir so ein Teil in die Werkstatt zu hängen, weiß ich noch nicht. Ist aber sicher ein guter Gesprächsstoff für mögliche Besucher.

Ich erinnere mich, daß Günther Heine so ein Schweine-Teil beschreibt und abbildet in 'Das Werkzeug des Schreiners und Drechslers'.

Gruß, Wolfgang

Siegrist Michel
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Re: Schmer

Beitrag von Siegrist Michel »


Hallo Reinhold,

auch die Japaner fetten ihre Werkzeuge. Sie tun dies mit einem Aburatsubo . Das ist ein ein abgesägtes Bambusrohr, wenn man dieses knapp unterhalb eines Knotten abschneidet, erhält man eine Art Becher. In diesen wird ein Wattebausch gesteck und in reichlich mit Pflanzenölgetränkt (z.B. Kamillienöl)

Meist benutzen sie noch ein zweites Bambusgefäss, in dem ein gewickeltes und zusammengebundenes Baumwolltuch steck und zwar so, dass das Tuch etwa 1cm über den Rand schaut. Auch dieses ist mit Öl getränkt.

Das erste wird beim Stemmen von zapfenlöchern verwendet, man taucht das Stemmeisen beim stemmen ständig in die Watte, um es zu schmieren.

Das zweite Gefäss wird zum einölen der Werkzeuge verwendet, in dem man es ein die Hand nimmt und damit über die Werkzeuge streicht.

mfg Michel

Friedrich Kollenrott
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Dieter! Ein Produkt, auf das wir warten!

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #96832]
ich stelle mir im Katalog (Sparte: Werkzeugpflege, gleich nach Kaiser Willis Waffenöl): vor: Saunabel gross / klein,........

Eine schöne Geschichte von Reinhold! Am besten gefällt mir das mit der Tochter. Die Phase, wo man den Kindern so richtig peinlich ist, geht auch vorbei, da muss man durch.

Friedrich

Christof Hartge
Beiträge: 1258
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Re: Schmer

Beitrag von Christof Hartge »

[In Antwort auf #96832]
Hallo Reinhold,
erstmal vielen Dank für deinen weiterführenden Beitrag. Inzwischen weiß ich daß der Saunabel ausschließlich von männlichen Tieren gewonnen werden kann. Ein Ebernabel eigentlich also. Ein örtlicher Hausschlachter vericherte mir, den Saunabel "hätten doch früher immer die Stellmacher und Schreiner geholt für Sägeblätter und ähnliches." Scheint also ein bekanntes Rezept gewesen zu sein.

Viele Grüße, Christof.

Dieter Schmid
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Re: Schmer

Beitrag von Dieter Schmid »

[In Antwort auf #96832]
Das ist ja eine echte Horizonterweiterung. Erzählt das bloß nicht den Schlachthäusern. Sowas kann ganz schnell zum Luxusartikel mutieren und dann wird der Saunabel in Hochglanzkatalogen zwischen Glashütter Taschenuhren und vergoldeten Gießkannen angeboten.
Viel Spaß
Dieter

Thomas Jacobi
Beiträge: 327
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Schmer/Kamelienoel

Beitrag von Thomas Jacobi »


Hallo Reinhold,

Dein Beitrag ist einer der Charakter hat, gefaellt mir gut, hat definitiv etwas auch wenn ich mich hier eher fuer Michls Kamelienoel erwaermen kann.

Auch das mit den Kindern kenn ich, der Effekt ist bei mir erreicht wenn ich den Grossen in der Tanzschule abhole und merke dass alle Blicke auf mir haften bleiben weil mein knielanges Pakistanihemd (phantastisch leicht im Athener Sommer) nicht so ganz zu meinem Teint und Aussehen (blond, blauaeugig mit Sommersprossen)passt. Da wuerde er der morgens knappe 25 min vor dem Spiegel verbringt am liebsten unterm Teppich verschwinden und tun als haette er den Spinner noch nie in seinem Leben gesehen. Ich denke mir da muss er durch.

Also auf zu Euren Metzgern liebe Freunde, ich gehe auf Suche nach einem schoenen Stueck Bambus. Das Kamelienoel hab ich immer noch in einer stillosen Plastikflasche rumstehen.

Allen ein schoenes Wochenende mit und ohne Saunabel.
Thomas

Wolfgang Jordan
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Re: Schmer

Beitrag von Wolfgang Jordan »

[In Antwort auf #96833]
Ich habe nochmal bei Heine nachgeschaut, und da heißt das Teil 'Schweinepesel'. Er schreibt, daß es sich um die Harnröhre des Schweines handelt mit einem daran hängenden Stück Schwarte. Die Harnröhre dient offenbar nur zum Aufhängen. Wenn ich's mir recht überlege, scheint mir die Erklärung mit dem Nabel richtiger zu sein, denn die Harnröhre ist doch nirgends mit der Schwarte verwachsen, oder? Am Nabel könnte aber noch die Fortsetzung der Nabelschnur im Inneren des Körpers hängen. Ich werde mal meine Frau fragen, die ist Hebamme. Das Stück Schwarte wird laut Heine übrigens zur Konservierung geräuchert, aber nicht gesalzen, wegen der Rostgefahr für die behandelten Werkzeuge.

Gruß, Wolfgang

Andreas Plötzner

Re: Schmer

Beitrag von Andreas Plötzner »

[In Antwort auf #96832]
Hallo, sehr interessant die Geschichte und meine Frau brachte letzte Woche auch Schmer vom Fleischer ( weil es alle mitgenommen haben und es kostenlos war). Nun weiß ich wofür ich es verwenden kann und werde es auch tun. Vielen Dank

A. Plötzner



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