Eine Observation

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
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Eine Observation

Beitrag von Christian Aufreiter »


Hallo Holzwerkergemeinde, sehr geehrter Herr Bürgermeister Siegrist,

heute habe ich den Prospekt eines Möbelhauses durchblättert und dabei folgendes Mitnahmemöbel entdeckt:
Kleiderschrank, Kiefer massiv, natur lackiert, B/H/T 95/198/53
Preis EUR 159,-
Wenn ich das Material dafür überschlage, komme ich auf mind. 5 m²
Ich kann mich erinnern, dass in einen Baumarktprospekt für einen m² Fichtenleimholz ohne Zuschnitt ca. 21 Euro veranschlagt wurden.

Macht Heimwerken also - aus finaziellen Gründen - überhaupt Sinn?
Oder kann man das ohnehin nur aus Spaß an der Freude betreiben?

Herzliche Grüße

Christian

Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Re: Eine Observation

Beitrag von Christof Hartge »


Wenn du mit einem Mitnahmemöbel konkurriern willst sicher nicht. Dann nleibt nur der Hinweis auf die Freude am Produktionsprozess (s.u.).
Etwas anderes sieht es schon aus, wenn du bestimmte ästhetische Ansprüche stellst. Dann dürfte selbiger Kleiderschrank im Handel vielleicht 3000 Euro kosten. Dann rechnen sich die Ausgaben für Holz und Werkzeug schon viel besser. Deine Arbeitsstunden leider immer noch nicht, da ist nichts zu machen.

Viele Grüße, Christof.

Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Eine Observation

Beitrag von Christian Aufreiter »


Hallo Christof,

die Arbeitsstunden stelle ich ja nicht in Rechnung, wem auch. Die Arbeit ist - zumindest über weite Strecken - Vergnügen.
Was mich viel mehr schockt, sind die Holzpreise bzw. die Preise für andere Materialen (Scharniere, Auszüge, Griffe, ...).
Wenn ich denselben Kleiderschrank bauen möchte, dann kostet mich das Material alleine mehr, als der komplette Schrank, dessen Optik zwar nicht "revolutionär" ist, aber die Verarbeitung ist soweit ganz in Ordnung und auch an der Holzqualität gibt es nichts auszusetzen.
Ein anderes Beispiel ist zB eine Kommode 74/70/40 mit vier Schubladen um knappe 15 Euro. Will ich mir die Kommode in exakt der gleichen Ausführung selber bauen, kosten wiederum die Rohmaterialien mehr als die fertige Kommode im Möbelhaus. Für 15 Euro bekomme ich ja gerade einen Auszug für die Schubladen. Sicher sind in der Möbelhauskommode keine Blum Tandem Auszüge oder anderes High-Tech-Zeug drinnen, aber einen Tandem Auszug bekomme ich ohnehin nicht um 15 Euro.
Wenn man nicht ein "besonderes Stück" fertigen möchte oder generell Tischlereiansprüche stellt, ist der Selbstbau von Möbeln wohl eine defizitäre Angelegenheit.

Herzliche Grüße

Christian

Dietrich
Beiträge: 4730
Registriert: Mo 27. Okt 2014, 22:01

Re: Eine Observation

Beitrag von Dietrich »

[In Antwort auf #95273]
Hallo Christian
es macht Sinn,erstens schau Dir doch mal die Holz und Verarbeitungsqualität an .Zweitens kauft man Leimholz nicht im Baumarkt,denn diese Ramschhallen sind doch nur dazu da einigen wenigen möglichst viele Euros zu bescheren.
Ich könnte euch mit Beispielen überhäufen, doch das würde den Rahmen sprengen.
Mach doch mal den Vergleich mit einem professionellen Schreiner der verlangt pro Maschinenstunde immerhin 60 - 70 Euro, selbst wenn man 3-mal so lang braucht , ein schöner Stundenlohn (wobei der Std-lohn des Schreiners durchaus gerechtfertigt ist).Mir sagte mal ein Möbelberater von einer bekannten Bio-möbelfirma auf einer Messe (12 Jahre her) ein Einfamilienhaus mit entsprechenden Möbeln auszustatten käme auf 150 - 180 tausend DM.
Wie gesagt nur Möbel ,kein Boden ,keine Holzdecke ,kein Türrahmen und kein Türblatt ,das geht alles extra. Wenn man auf entsprechende Qualitäten Wert legt
kann man da noch mal dasselbe anlegen. Jetzt gibst du 10 % davon für Werkzeug und 15 -20 % für Material aus.Dann nimmst du dier 10 Jahre Zeit und fängst an zu bauen. Teile die nicht ausgegebenen 210000 DM durch deine Stunden ,du wirst staunen was du verdient hast.

Was ich mit dem Beispiel sagen wollte : Es lohnt sich nicht nur ,es macht auch noch Riesenspass(ich bin ungefähr im 6-ten Jahr).

Gruß an Christian und all die Anderen

Dietrich

Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Eine Observation

Beitrag von Christian Aufreiter »


Hallo Dietrich,

die Kosten für Werkzeug sind natürlich eine Belastung für das Budget, ich kann mir auch längst nicht alles leisten, was ich gerne möchte, aber im Grunde kaufe ich gerne Werkzeug. Werkzeugausgaben sind also das geringste Problem.
Zeit - wie bereits gesagt - ist auch nicht der entscheidende Faktor, zumindest nicht, wenn man das Möbelstück nicht am besten schon gestern hätte fertigstellen sollen und wenn die Arbeit Freude bereitet.

Zur Qualität muss man sagen, dass es da schon Unterschiede gibt. So ein Mitnahme-Kleiderschrank, der bei uns im Haus steht, ist nicht schlecht verarbeitet, wie viel er gekostet hat, weiß ich nicht mehr. Sicher gibt es den einen oder anderen Mangel, zB sind die Verbindungsbeschläge tlw. Schrott, aber da gab's bis jetzt noch immer eine relativ problemlose Austauschmöglichkeit. Auch die Zusammenbauanleitungen sind nicht immer ganz eindeutig und fallen manchmal etwas dürftig aus, aber im Grunde ist dieses Problem bewältigbar.
Hinsichtlich der Holzqualität kann ich nichts Schlechtes sagen, in all den Jahren, in denen dieser Schrank bei uns steht, gab's keine Risse oder sonstige Mängel. Beschläge (Auszüge, Scharnier) - wie erwähnt - keine High-Tech-Ware à la Blum, aber immerhin annehmbar.

Zum Vergleich kann ich mein Zimmer aus Ahorn vom Tischler heranziehen:

1. Ahorn gefällt mir persönlich viel besser als Kiefer (ich steh' überhaupt nicht sonderlich auf "astiges" Holz), Front Massiv, Korpus Paneelplatte

2. Beschläge: Clip-Scharniere, Blum Tandemauszüge, ... natürlich "fährt" damit eine Schublade schöner; Griffe - freie Wahl nach persönlichem Geschmack

3. Verarbeitung: Obwohl ich dem Selbstbaumöbel nichts unterstellen kann, ist die Einrichtung vom Tischler schöner gearbeitet, zB Schubladen gezinkt, Umleimer, ...

4. Selbstverständlich muss man auch die Individualität und die persönliche Beratung und Betreuung honorieren.

Das sind natürlich nicht alles Vorzüge, die Möbel vom Tischler bieten, aber ich glaube man kann auch so erkennen, worauf ich hinaus will.
Ich schätze individuelle, nach Maß vom Tischler gefertigte Möbel sehr und wäre auch bereit, einen entsprechenden Preis dafür zu zahlen.
Wenn ich allerdings die "Daseinsberechtigung" eines Schrankes auf seine ursprünglichste Funktion reduziere - also Stauraum zu bieten - und einfach ein Möbelstück haben will, in dem ich etwas unterbringen kann, macht Selbermachen nur sehr wenig Sinn, also für Garage, Keller und Co ist man mit gekaufter Einrichtung möglicherweise besser dran.
Ob einem die Mitnahmemöbel gefallen oder nicht, ist eine persönliche Angelgenheit. Möbel dieser Art (unser Schrank hat immerhin Rahmentüren) selbst zu bauen, macht aber - wie ich meine - aus finanziellen Gründe überhaupt keinen Sinn, da sichtlich die Materialkosten für den Heimwerker höher sind als die Kosten für den kompletten Schrank.

Herzliche Grüße

Christian

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Eine Observation

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #95273]
Wenn man nur darauf guckt: Soll ich ein Möbel mit den und den Abmessungen kaufen oder bau ich es selber? -dann wird man schnell sehen: Es lohnt sich nie.
Wenn man etwas selbst baut, hat man (hoffentlich) Freude daran. Das darf aber dann nicht so ausehen: "Na ja, dafür, dass es selbstgebaut ist, ist es doch toll"- sondern man sollte schon eine Qualität erzeugen, die einen Vergleich nicht scheuen muss oder vielleicht sogar besser ist als das, was man sich gekauft leisten kann.

Für mich ist der Hauptvorteil selbstgebauter Möbel, dass man eigene Entwürfe umsetzen kann. Ich entwerfe alles. was ich baue, selbst, habe noch nie irgendwas nach Plänen oder Mustern nachgebaut. Da kann man dann eben die Möbel "nach Mass" bauen, genauso, wie man es haben will. Zur Zeit baue ich eine Küche . Wird noch dauern, da gehören eben einige Möbelstücke dazu. Aber es ist eine Wohltat, sich zum Selbstbau zu entschliessen und nicht mehr eine mehr oder weniger passende Lösung aus Herstellerkatalogen zusammensuchen zu müssen (hinter der sich dann wieder die ekligen Spanplattenkisten verbergen), sondern "ganz einfach" alles so zu bauen, wie man es haben will.

Friedrich Kollenrott

Michel Siegrist

Re: Eine Observation

Beitrag von Michel Siegrist »


Hallo Christian,

meines Erachtens, hat Friedrich den Nagel auf den Kopf getroffen.

Meine Mutter stellt die meisten Kleidungsstücke selbst her, warum sie das mache habe ich sie einmal gefragt. Sie gab mir zur Antwort: Weil sie auf der Strasse nicht zu hunderten gleich gekleidete Leute antreffen will, ausserdem könne sie sich so die Kleider auf ihr Bedürfnisse zuschneiden, so dass auch der Schnitt perfekt passt. Kleider ab der "Stange" sind immer Kompromisse!

Von mir aus gesehen trifft das auch auf das Möbelbauen zu.

Beispielsweise mein Schreibtisch oder den Hobelbank, den ich selber gebaut habe.

Schreibtische aus der IKEA erfüllen ihren Zweck sicher auch, aber wenn ich die mit Kunststoffen belegten 19er Spanplatten sehe mit Gummiumleimer und meine 25er Spannplatte Buche - furniert, stellt man schon optisch fest, dass dies nicht das gleiche ist. Meine Eltern haben so einen Schreibtisch von Ikea gekauft, er diente ein halbes Jahr als Bürotisch meines Vaters. Nach kurzer Zeit hing die dünne Spanplatte schon massiv durch und die Tischbeine (waren mit Spanplattenschrauben von unten montiert rissen teilweise aus,...(schon nach einem halben Jahr)

Nun hat dieser Schreibtisch aus gedient! Nach knapp 2 JAHREN!!! (man musste ihn in Einzelteilen "bestatten")

Mein Schreibtisch sieht noch aus wie am ersten Tag, kein durchhängen der Tischplatte, kein ablösen des Umleimers, Tischbeine sind alle noch am selben Ort (1 jährig)

Der Hobelbank stellte eine besonders anspruchsvolle Aufgabe dar. Da ich nicht allzuviel Platz habe und doch das bißchen optimal ausnutzen wollte, bot sich nur ein Eigenbau an.

Klar habe wir zu hause auch gekaufte Möbel, aber diese sind aus Möbelschreinereien aus der Umgebung, diese, sollte einmal etwas nicht mehr einwandfrei funktionieren, sind auch in der Lage die Defekt wieder in Stand zustellen. (Qualitativ hochwertig Möbel bereiten mehr Freude, wenn man diese auch noch selber herstellt, dann ist das Herz mit Stolz erfüllt. Kosten und Zeitaufwand sind dann schnell vergessen.)

Noch ein kleines Beispiel:

Ikea Büroeinrichtung "lebte" zirka 2 Jahre Kosten +/-300Euro (umgerechnet)
Mein alter Büro Tisch, der mein Vater schon lange benutzte, hatte 20 Jahre auf dem Buckel und man konnte in noch in die Brockenstube bringen (der war nicht klein zukriegen)

Kosten/Lebensdauer

1 1/2-2Jahre 300Euro
20Jahre (+) 300Euro mal Faktor (10-13) ergibt: 3000-4000Euro !!!!!
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Man muss sich immer überlegen, welchen Anforderungen ein Möbelstück entsprechen muss. Bürotisch, Esstisch/Stühle und Sofa, sind sicherlich eines der meist benutzten Möbel.
Für Abstellräume und desgleichen, kann es etwas preiswerteres durchaus ertragen.

Ich haben nichts gegen Ikea. Design-mässig haben sie tolle Ware aber die Qualität ist nicht immer das Optimum. Kann man für diesen Preis auch nicht immer erwarten.

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PS:
Hallo Holzwerkergemeinde, sehr geehrter Herr Bürgermeister Siegrist,

Hoppla, kaum ein ein halbes Jahr dabei, schon wird man zum Bürgermeister der Holzwerkergemeinede erkoren. Welch ehrfurchtsvolle Geste! Aber einmal im ernst, wo soll den das hinführen, mit mir an der "Spritze"?

Sehr geehrter Herr Christian, leider muss ich aus arbeitsintensiven, Termin abhängigen, Zeit nicht habenden und verantwortungsbewussten Gründen das Mandat des Bürgermeister niederlegen.

Mfg

Michel

PPS: Hallo Thomas, das mit dem in den in den Humortopf gefallen, stellst du dir das so vor, wie bei Obelix mit dem Zaubertrank?

Da muss ich dich aber enttäuschen, das liegt an der "gesunden schweizer Luft"
1:1 für die Besseren.


Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Eine Observation

Beitrag von Christian Aufreiter »


Hallo zusammen,

ich stimme euch soweit zu, nur finde ich es schon ziemlich demotivierend, wenn man als Heimwerker für Kiefer/Fichten Leimholz mehr bezahlt, als für einen Schrank, der daraus gefertig wurde und das bei gleicher Holzqualität. Das hat nämlich nichts mit mangelnder Individulität oder Verarbeitungsqualität zu tun, sondern mehr mit der - aus meiner Sicht - eher unverschämten Preisgestaltung vom Holzhandeln einerseits und von Möbelhäusern andererseits.
Wenn man die Möglichkeit hat, sein Leimholz selbst zu fertigen, ist das vielleicht finanziell attraktiver, aber für die Leimholzerzeugung mit Handwerkzeugen ist ein Menschenleben - wie ich meiner - viel zu kurz.

Wo kauft ihr eigentlich euer Plattenmaterial - Tischler, Holzfachhandel?

Michel, dein Antrag wird erst dann angenommen, wenn du uns einen würdigen Nachfolger präsentierst!

Herzliche Grüße

Christian

Michel Siegrist

Re: Eine Observation

Beitrag von Michel Siegrist »


Hallo Christian,

das mit dem Holzhandel und den Preisen ist eine Wissenschaft für sich. Ich habe das Glück, das ich über meinen Arbeitgeber Holz, Schrauben, Beschläge,... beziehen kann. Es ist leider so, dass Firmen mit grossem Abnahmevolumen an Material recht grosse Mengenrabatte bekommen, so kann ich dir auch erklähren, wieso das Material für das Möbelstück dich beinahe so teuer kommt, wie der Katalogpreis. In der Regel, werden diese Möbel dann mit CNC gesteuerten Maschienen hergestellt und von Billigarbeitern zusammen gestellt. Das einzelne Möbelstück würde nicht rentabel sein, es macht die Masse aus.

So nun zu meinen Nachfolgern:

Wie wäre es mit ein paar Gesellen aus diesem Kreise? (BITTE!!!)


oder vieleicht dieser hier?


evtl. wäre dies der Richtige?


könnte sein, dass alle unbrauchbar sind?

hochachtungsvoll

Michel


Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Eine Observation

Beitrag von Christian Aufreiter »


Hallo Michel,

zu diesen "Gesellen" möchte ich mich hier eigentlich nicht äußern (steht ja auch in den Forumsregeln, dass hier nicht politisiert werden soll), ich stelle lediglich in Frage, dass deren fachliches Wissen rund um Holzbearbeitung deinem ebenbürtig ist.

Herzliche Grüße

Christian


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