Ungewönliche Holzverbindungen

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Uwe Linke
Beiträge: 487
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Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Uwe Linke »


gibt es auf dieser japanischen Website zu sehen. Reizen würde es mich schon, solche Verbindungen selber herzustellen, aber ich glaube, da muss ich erst noch viel üben.

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Uwe



Ottmar
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Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Ottmar »


Hallo Uwe,

Insoweit ich die einzelnen "awesome" Arbeiten angesehen habe, musst du fuer das Ueben schon mal einen ganzen Vormittag einplanen!!

Spass beiseite, Hier in meiner Nachbarschaft, wurde ein Tempel(Zen Budhisten?) errichtet, von Fachleuten welche eigens dazu aus Japan kamen. ES war eine jahrelange Vorbereitungszeit, die Fachleute suchten dafuer in Oregon lebende Zedernholzbaeume aus, welchen dann nach Kalender (kosmische Bedingungen) gefaellt und zugesaegt wurden. Den Zimmerleuten schaute ich ausgibig zu, was ich dabei bemerkte, die Handwerker schienen von der Wirklichkeit entrueckt, das Ausstemmen von Schlitzen wurde wie unter Hypnose ausgefuehrt, ploetzlich wurde die Arbeit unterbrochen, eine bewegliche Pfuetze mit einem Stein darin liegend, wurde hervorgeholt und eine Schaerfzeremonie durchgefuehrt. Danach schnitten die Stemmeisen wieder papierduenne Spaene ab. Die gesamte Ausfuehrung der Holzarbeiten war makelos! Die Holzverbindungen passten wie "angegossen"!

Zu dem "Urushifinish" der Dosen moechte ich anmerken, dass es noch kaum einem Nichtasiaten gelungen ist damit Erfolg zu erzielen. Vorbedingungen hohe Luftfeuchtigkeit min 85 % hohe Luftwaerme und Staubfreie Umgebung. Trockenzeit ????

Sowohl die chinesichen als auch die japanischen antiken Lackarbeiten sind mit Uruschilack, im Handel auch als "Koromandellack"(*) bezeichnet, hergestellt worden. Im Labor des Gettymuseums Los Angeles arbeitet eine Gruppe von Chemikern und Restauratoren seit Jahren daran die Geheimnisse der Verarbeitung herauszufinden.

Vielen Dank fuer den Link

mfg

Ottmar

(*) Diese Lackarbeiten wurden voen englischen Haendlern, mit Niederlassungen an der Koromandelkueste in Indien, ausgefuehrt und auf den europaeischen Kunstmarkt gebracht.



Marc
Beiträge: 285
Registriert: Mo 25. Jan 2016, 07:43

Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Marc »


Hi,
erstaunt mich immer wieder,wie japaner mit Handarbeit ihr geld verdienen können was sind das für Kunden,die sich sowas leisten können.
hat die Industrialisierung im japanischen Handwerk nicht ein halbes Jahrhundert später eingesetzt bei uns,hier im westen schon ende des 18jhd. das prägt!
mittlerweise werden auch in japan schon metallwinkel beim Holzbau eingesetzt
außerdem haben japaner nur wenige Möbel,dafür umso kostspieligere Kunstmöbelwerke.

@Ottmar:da würd ich auch zu gern mal beiwohnen bei so einem Tempelbau.
wenn man bei uns den Schreinern/Tischlern/woodworkern die elektrischen Maschinen wegnehmen würde -sehe es wohl kurzfristig sehr düster aus-wohlbemerkt bei den Berufenen(Geld verdienen).


Uwe Linke
Beiträge: 487
Registriert: Mo 31. Mai 2021, 18:42

Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Uwe Linke »


Ottmar,

ein ganzer Vormittag? So lang? Mist! Mit einer so langen Zeit hatte ich dann doch nicht gerechnet. Dann werde ich es doch lieber lassen. :-)

Um die Möglichkeit, die Du hattest, beim Bau eines Tempels zusehen zu können, beneide ich Dich! Gibt es Bilder davon? Zaunpfahl :-)

Von Urushi- bzw. Koromandellack habe ich bisher bewusst noch nichts gehört. Da habe ich, wie meist bei Deinen Beiträgen, wieder etwas dazu gelernt.

Mich interessiert noch, wie einige der Verbindungen überhaupt funktionieren. Wie wird z. B. die Kiste ganz unten rechts zusammengesetzt? Kann mir da jemand weiterhelfen?

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Uwe



Ottmar
Beiträge: 321
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Ottmar »


Hallo Forumsfreunde,

@Uwe, den Zutritt erwarb ich nur dadurch dass ich mit einer Amerikanerin befreundet bin welche in der Budhistischen Gemeinde Englischunterricht erteilt. So mogelte ich mich, waehrend meine Bekannte Unterricht erteilte, im wahrsten Sinne des Wortes durch die Hintertuer auf die Baustelle. Der Bau selbst wurde als religioese Handlung betrachtet. Die Baustelle war mit Matten und Tuechern verhaengt. Es kam mir so vor, dass keiner den Mut aufbrachte mich hinauszuwerfen, oder sie nahmen von meiner Gegenwart keine Notiz. Es war nicht moeglich auch nur in Blickkontakt mit einem der arbeitenden Handwerker zu kommen. Auch untereinander sprachen die Handwerker kaum miteinander. Meine Bekannte befragte einen jungen Mann, der wie ein Handlanger sich auf der Baustelle verhielt, er sagte ihr dass er bald mit der Lehre fertig sei, er habe schon neun (!!!) Jahre gelernt. Mein Eindruck ist dass die Handwerker Moenche waren oder einem aehnlichen Orden angehoerten. Irgendwie wirkten sie von der Wirklichkeit entrueckt. Diese Handwerker muessten sofort in die Oberliga der Neandertaler aufgenommen werden, kein einziges elektrisches Werkzeug auf der Baustelle, das modernste Geraet war ein Kettenflaschenzug, mit welchem die schweren Balken an Ort und Stelle gebracht wurden. An das Fotografieren habe ich garnicht gedacht, bzw haette ich auch aus Gruenden des Respektes und der Hoeflichkeit gar nicht gemacht.

Die Budhistengemeinde hat hin und wieder einen Tag der offenen Tuer, da kann ich mal ungestoert und erlaubt, Bilder machen.

@Marc, denk nicht so gering von den deutschen Zimmerleuten! Als Kind kam ich auf dem Weg zum Kindergarten an einem Reissboden einer Zimmerei vorbei. Dort wurden Dachstuehle zugerichtet und zusammengebaut. Dann wurden alle Teile markiert, das Ganze auseinander genommen, aufgeladen vor Ort gebracht und dann endgueltig aufgebaut. Ich lebte eine Zeitlang in Wuerzburg, dort musste ein Turmdachstuhl einer waehrend des Krieges zerbombten Kirche ersetzt werden. Als einzige Vorlagen waren Fotos und Postkarten vorhanden. Danach wurden Teilmodelle gebaut und nach bei diesen geringe Aenderung durchgefuehrt wurden, wurde der Dachstuhl, wie in alten Zeiten auf dem Reissboden zusammengefuegt und dann in Teilen per Kran an Ort und Stelle gebracht. Bei der Turmspitze in welche in der Mitte ein Starkes Rohr fuer das Turmkreuz eingearbeitet war, wurden wirklich meisterliche Schifterschnitte (nach meiner Erinnerung meterlang) ausgefuehrt, in welchen auf der Innenseite noch die Rundung fuer das Rohr eingearbeitet war.

Es ist bei den Zimmerleuten wie bei den Schreinern, die gehen mit der Zeit, da ist kein grosser Bedarf an nostalgischen Techniken, damit keine Gelegenheit ihr noch vorhandenes Koennen zu zeigen.

Zu den japanischen Wundern in Holz, aus der kulturellen Vergangenheit spielen kleinere Behaelter aus Holz oder Bambusgeflecht (Koerbchen) in der Tradition eine grosse Rolle und die Hersteller derselben geniessen eine Art von Verehrung. In San Francisco ist ein jetzt neu erbautes Asiatisches Museum, durch meine Zugehoerigkeit zu einer Vereinigung von Conservatoren, nahm ich schon mehrmals an Vorbesichtigung von neuen Ausstellungen teil. Ich muss schon sagen dass mich beim Anblick dieser handwerklichen Kunstwerke oefters eine respektvolle ehrfuerchtige Andacht befaellt.

Zu dem Budhistischen Tempel faellt mir eine Episode ein. Das Gebaeude konnte vom Bauinspektor nicht abgenommen werden, da die fuer Erdbebensicherung notwendigen Stahlarmierungen nicht eingebaut waren. Diese Einbauten wurden von einer oertlichen Firma durchgefuehrt. Die Tempelbauer lehnten diese behoerdlichen Vorschriften ab, da sie darin einen Versuch sahen die Zukunft veraendern zu wollen.

Zusammenfassend meinen Dank an Uwe fuer diesen Link.

mfg

Ottmar



Wolfgang Jordan
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Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Wolfgang Jordan »


Hallo Uwe,

über die Herstellung dieser Verbindungen und den Zusammenbau wird gerade in der Oldtools-Mailingliste diskutiert:
http://www.frontier.iarc.uaf.edu/~cswingle/archive/get.phtml?message_id=160338&submit_thread=1#message
Die Erklärung ist, daß die Strukturen der Verbindung im 45-Grad-Winkel zum Brett verlaufen, also nicht 90 Grad wie man zuerst vermutet. Beim Zusammenbau werden alle vier Seitenteile gleichzeitig zusammengeschoben, so wie man die Finger zusammenschiebt, wenn man die Hände faltet. Die runde Struktur muß also elliptisch geformt werden, um nachher auf der Oberfläche als Kreis zu erscheinen!

Gruß, Wolfgang



Edi Kottmair
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Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Edi Kottmair »

[In Antwort auf #111788]
Hallo Uwe,

wenn ich so etwas sehe, denke ich immer zuerst an die "unmögliche" Schwalbenschwanz-Längsverbindung, wie auch eine auf Eckards (schade, dass er hier nicht mehr schreibt) Seite zu sehen ist: http://www.altes-handwerkzeug.de/holzw/projekte/laengsverb/schwalbe.html . Nach diesem Prinzip wird auch das Kästchen gebaut sein und genau so hat es Wolfgang beschrieben.

Viele Grüße von
Edi



Uwe Linke
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Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Uwe Linke »


Wolfgang,

die Diskussion in der Oldtools-Mailingliste kenne ich natürlich; da habe ich ja den ursprünglichen Link geklaut :-)
Und theoretisch kann ich es ja auch halbwegs verstehen, wie dss ganze zusammen gehen soll. Aber wenn's dann wirklich zur Sache geht ...
Es ist sicherlich ähnlich wie beim Double Twisted Dovetail Joint mit dem sich auch schon mal Phil Edwards beschäftigt hat. Aber die Verbindungen, die Kintaro Yazawa geschaffen hat, sind dann doch noch mal ein Stückchen voraus. Mich würde da schon sehr interessieren, wie die Seitenteile vor der Verbindung aussehen und wie man alle vier Seiten zusammenbekommt, ohne etwas zu demolieren.
Ottmar hat ja geschrieben, wie es gemacht wird - viel üben.
Es ist wohl auch hier so wie in der Fotografie, wo Henri Cartier-Bresson einmal gesagt hat: "Die ersten 10.000 Fotos sind deine schlechtesten." Ich hoffe aber, dass ich nicht erst 10.000 Verbindungen machen muss, um halbwegs gute herzustellen. Und ich habe nun einmal ein Faible für ungwöhnliche Holzverbindungen.

Genug philosophiert!

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Uwe



Edi Kottmair
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Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Edi Kottmair »


Hallo Uwe,

früher hat es bei Dick einen Kurs gegeben mit dem Thema "Unmögliche Holzverbindungen", wenn Dich das interessiert. Ich weiß aber nicht, ob er heute noch angeboten wird.

Viele Grüße von
Edi



Uwe Linke
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Re: Ungewönliche Holzverbindungen

Beitrag von Uwe Linke »


Edi,

im Aufbaukurs 'Japanische Holzverbindungen' werden auch '"Unmögliche" Verbindungen mit raffinierter Öffnungsmechanik' angeboten. Vielleicht werde ich so einen irgendwann mal mitmachen aber im Moment bin ich noch beim Roland in der Kurswerkstatt sehr gut untergebracht.
Die bieten dort (in Dammersbach) auch Kurse zum Thema 'Urushi-Lackierung' an - vielleicht wäre das mal was für mich. Ottmar hat mich ja sensibel dafür gemacht, was diese Art von Lackierung bedeutet. Aber die Preise der Kurse - meiomei.
Vielleicht dann lieber doch nicht.

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Uwe



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